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Achim Beierlorzer„Ich wollte nach Fürth, dann hat sich alles überschlagen“

Lesezeit 8 Minuten
Beierlorzer sympathisch

Achim Beierlorzer, neuer Trainer des Fußball-Bundesligisten 1. FC Köln, bei seiner Vorstellung in Köln

  1. Achim Beierlorzer ist beim 1. FC Köln zum ersten Mal als Trainer in der Bundesliga aktiv.
  2. Der ehemalige Lehrer spricht im Interview über die Anfänge seiner Karriere.
  3. Der Saisonstart macht ihm Hoffnung. Und Beierlorzer freut sich auf eine besondere Begegnung in Freiburg.

Köln – Im reifen Trainer-Alter von 51 Jahren hat Achim Beierlorzer beim 1. FC Köln sein Bundesligadebüt gegeben. Über seine Arbeit, seine Spielphilosophie und die Partie am Samstag in Freiburg sprach er mit Joachim Schmidt.

Herr Beierlorzer, wann haben Sie sich erstmals mit einer Trainertätigkeit beschäftigt?

Das war während meiner Zeit als Spieler der ersten Mannschaft der Spielvereinigung Greuther Fürth. Da hat unser Präsident Roland Reichel und mich gefragt, ob wir die U19 trainieren könnten. Wir haben es gemacht – das waren meine ersten Berührungspunkte mit der Trainertätigkeit. Und dann habe ich ja Sport und Mathe studiert. Die Arbeit des Trainers ist nicht so weit von der Lehrertätigkeit entfernt. Unabhängig davon war für mich immer klar, dass ich nach meiner Spielerkarriere im Fußball bleiben möchte. Ich habe es immer sehr genossen, in der Kabine zu sein, Teil einer Mannschaft zu sein. Das wollte ich nicht mehr missen.

Waren Sie mit Ihrer Lehrertätigkeit nicht ausgefüllt?

Nein, das war es nicht. Für mich war es ein sensationeller Ausgleich zu meiner Tätigkeit als Oberstudienrat am Gymnasium. In der Schule läuft alles sehr diszipliniert ab. Sicherlich hatte man auch seinen Spaß mit den Schülern. Aber mit einer Mannschaft ist es doch etwas ganz anderes.

Was war dann der entscheidende Schritt dahin, wo Sie heute sind?

Das war, als ich aus Kleinsendelbach weg und in den professionellen Leistungsbereich gewechselt bin. Davor hatte ich den B- und A-Trainerschein gemacht. Das hat mir unheimlich viel Freude bereitet und mich total motiviert. Ich war vier, fünf Mal pro Woche beim Fußball, also haben wir das in der Familie besprochen – und ich bin wieder zurück zur Spielvereinigung Greuther Fürth und habe dann den Fußballlehrer gemacht. Das war rückblickend noch wichtiger als der Schritt nach Leipzig. Ab da überschlugen sich die Ereignisse. Die Gespräche mit der Spielvereinigung zerschlugen sich, weil es Angebote aus Regensburg, vom DFB für eine Nachwuchs-Auswahl und aus Leipzig gab. Letztendlich ist es dann Leipzig geworden, weil die Zusammenarbeit mit Ralf Rangnick für mich die besten Entwicklungschancen bot.

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Was fasziniert Sie so an der Trainertätigkeit?

Es geht immer darum, etwas zu entwickeln. Einer Mannschaft eine Spielidee zu vermitteln. Und dann der Umgang mit Menschen. Natürlich bin ich jetzt nicht mehr ständig in der Kabine (lacht). Das verlangt der respektvolle Umgang mit den Spielern. Dort muss ich die Mannschaft Mannschaft sein lassen. Es zum Beruf zu machen, sich um Trainingssteuerung, Trainingsbelastung, die individuelle Betreuung und Entwicklung jedes Einzelnen zu kümmern, ist unheimlich reizvoll. Dazu kommt der große Unterschied zur Schule: Die ist für viele Schüler ein lästiges Muss, eine Pflicht. Im Profi-Fußball ist das anders. Die Spieler durften ihr Hobby zum Beruf machen. Sie sind absolut willig, stecken voller Ehrgeiz, wollen sich weiterentwickeln und haben deshalb eine hohe Eigenmotivation.

Beschreiben Sie bitte einmal Ihre Spielidee.

Es ist eine aktive Art und Weise des Spiels – und zwar in allen Phasen. Aktiv mit dem Ball zu sein, heißt für die Spieler, ihn auf allen Positionen haben zu wollen, sich gut zu bewegen und möglichst schnell nach vorne zu spielen, um Torchancen zu kreieren. In den Umschaltsituationen sowieso: Sofort ins Gegenpressing zu gehen, den Gegner in Räume zu bringen, in denen man gut den Ball erobern kann. Und nach eigenen Ballgewinnen geht es darum, sofort die Räume zu nutzen, um torgefährlich zu werden. Deshalb kann ich es auch einfach nicht verstehen, dass jemand in ein Spiel geht, das er liebt, und dann passiv bleibt, den Ball nicht haben will, sich versteckt. Im modernen Fußball darf man sich dem Spiel nie entziehen. Natürlich ist das auch anstrengend…

Wie weit haben die Spieler diese Spielweise verinnerlicht?

Ich bin sehr zufrieden mit unseren Jungs, denn sie wollen dieses Spiel. Im Nachgang zum Dortmunder Spiel habe ich aus der Mannschaft gehört, dass es ihr gefallen hat, so zu spielen.

Aber ging der Mannschaft in der Schlussphase die Luft aus?

Das Einfachste wäre zu sagen, sie konnte nicht mehr. So war es aber nicht. Natürlich hat es uns Kraft gekostet, aber Dortmund ebenso. Mitentscheidend war für mich, dass uns Jhon Cordoba nach seiner Verletzung fehlte, und dass Dortmund mit Brandt, Hakimi und Larsen eine unglaubliche Qualität eingewechselt hat. Und mit Lucien Favre hat der BVB einen hervorragenden Trainer. Mit unserem Auftreten haben wir ihn dazu gezwungen taktische Veränderungen vorzunehmen, die letztlich erfolgreich waren. Beim 1:1 waren wir aber zu weit weg, waren zu passiv – genau das, was ich nicht haben möchte – und schon war der Ausgleich passiert.

Wie schwierig würde es bei einer Misserfolgsserie, den jetzt beschrittenen Weg fortzusetzen?

Für jede Art, Fußball zu spielen, benötigt man Erfolgserlebnisse. Ich weiß ganz genau was kommt, wenn wir nach dem dritten Spieltag immer noch null Punkte haben. Dann würde eine Diskussion beginnen, die es schwieriger macht, die Mannschaft stabil und selbstbewusst zu halten. Das ist dann noch mehr meine Aufgabe. Wir werden unser Spiel aber nicht Harakiri-mäßig durchziehen, sondern arbeiten an der richtigen Balance. Aber davon, aktiv Fußball zu spielen, werden wir nicht abrücken. Dann werden wir eben noch härter arbeiten, noch intensiver unsere Aufgaben angehen, und uns noch mehr auf das Wesentliche fokussieren. Ich habe es schon einmal gesagt: Wir dürfen uns im Erfolgsfall nicht größer machen, im Fall des Misserfolgs aber auch nicht kleiner.

Sie bezeichnen sich als Optimist. Wie gehen Sie mit Spielern um, die an sich zweifeln?

Da gibt es nur eins: Das Gespräch. Mein Job ist es, Selbstbewusstsein zu vermitteln, die Sicht der Dinge klar zu machen. Wer sich mit negativen Dingen beschäftigt, beschäftigt sich häufig mit der Vergangenheit. Und die lässt sich eben nicht mehr ändern. Was ich aber beeinflussen kann, das ist das hier und jetzt. Das ist ein Punkt, an dem mir meine Lebenserfahrung hilft.

Sie sprechen Ihr Alter an.

Ja. Wenn man 51 Jahre auf dem Buckel hat, hat man viele Situationen erlebt, unabhängig vom Fußball. Es geht darum, wie man durchs Leben geht. Da kann ich den Jungs schon helfen.

Dann sind Sie wohl kein Laptop-Trainer?

(lacht) Einen Laptop habe ich auch. Was macht einen Laptop-Trainer aus?

Man müsste Mehmet Scholl noch einmal fragen. Er prägte diesen Begriff für Trainer im Profibereich, die als Spieler nicht auf hohem Niveau aktiv waren.

Dann stellt sich die Frage: Was ist hohes Niveau? Prinzipiell bin ich dabei, wenn man sagt, selbst gespielt und schwierige Situationen erlebt zu haben, hilft einem. Diese Erfahrungen aus dem Profi-Sport sind gut, keine Frage. Umgekehrt glaube ich aber auch, dass die Tatsache, im richtigen Leben gestanden zu haben und die Vielfalt meiner Erfahrung genauso hilfreich ist.

Empfinden Sie es als Belastung, Jahrgangsbester beim Erwerb des Trainerscheins gewesen zu sein?

Überhaupt nicht. Ich bin weder extrem stolz darauf, noch hängt es mir nach. Es ist weder Druck noch großer Ansporn. Es hat sich ergeben. Heute ist auch das Vergangenheit. Bei meiner jetzigen Aufgabe hilft es mir nicht, es stört mich aber auch nicht.

In wieweit war das Lehramtsstudium für Sie hilfreich?

Das jahrelange Zusammenarbeit mit Menschen ist natürlich eine sehr gute Basis. Man tut sich leichter, vor einer Gruppe zu stehen und klare Worte zu finden für die Sachverhalte, die man vermitteln möchte. Am Ende ist der Beruf des Trainers sehr viel vielfältiger. Deshalb liebe ich ihn so.

Am Samstag stehen Sie Christian Streich gegenüber, auch ein ehemaliger Lehrer. Kennen Sie sich?

Bei Trainertagungen haben wir uns schon mehrmals gut unterhalten. Es sind immer wieder tolle Gespräche, weil Christian einen klaren Blick auf die Dinge hat. Außer vielleicht an der Seitenlinie – da ist er ja sehr emotional. Daneben hat er eine ganz klare Menschenführung. Er fordert von seinen Spielern für das Freiburger Spiel, das sehr diszipliniert, organisiert und engagiert ist, genau diese Dinge ein.

Der FC hat letztmals vor fast auf den Tag genau 23 Jahren in Freiburg eins von zwei Bundesligaspielen gewonnen. Für einen Mathematiklehrer ist das doch eine schöne Aufgabe, auszurechnen, wie hoch die Wahrscheinlichkeit eines Kölner Erfolgs am Samstag ist.

(lacht) Ja, den Spaß mache ich mir manchmal. In der Mathematik gibt es ja das Gesetz der großen Zahl. Man muss nur oft genug würfeln, dann bekommt man die Sechs. Da sind die Zahlen natürlich gleich verteilt. Beim Fußball kann man nicht von einer Chancen-Gleichverteilung sprechen. Aber vom Prinzip her könnte man umgangssprachlich sagen: Es wird Zeit, dass wieder einmal ein Sieg herkommt. Samstag, Punkt 15.30 Uhr müssen wir bereit sein, dieses Spiel so anzunehmen, um es zu gewinnen.