Besonders im Karneval denkt Alexander Wehrle gerne an Köln zurück. Der VfB-Vorstandschef Alex Wehrle befindet sich vor dem Duell gegen seinen Ex-Club 1. FC Köln im dauerhaften Krisenmodus
Schwierige MissionWie es dem Ex-FC-Geschäftsführer Wehrle in Stuttgart ergeht
In Stuttgart verhält es sich in der närrischen Zeit etwas zurückhaltender als in Köln. Die Fasnet, wie es hier heißt, spielt eine vergleichsweise untergeordnete Rolle. Weshalb Alexander Wehrle in diesen Tagen gerne an seine Zeit im Rheinland zurückdenkt. Er habe „wunderbare Erinnerungen an den Karneval und den FC“, bekannte der Vorstandsvorsitzende des VfB Stuttgart vor dem Duell mit seinem Ex-Club am Samstag (15.30 Uhr, Sky). „Vor allem die Karnevalssitzungen waren immer ein Highlight.“ Höhepunkte erlebt er bei seinem VfB derzeit nur wenige. Gelinde ausgedrückt. In Wahrheit stellt sich die Lage beim auf Platz 17 der Fußball-Bundesliga abgerutschten VfB ziemlich mies da. Sportlich. Wirtschaftlich. Und was die Gefühlslage im Umfeld betrifft.
Viel Kredit verspielt
Nichts ist geblieben von der Aufbruchstimmung, die nach der famosen Last-Minute-Rettung am 34. Spieltag der Vorsaison gegen den FC alle erfasste. Als Kapitän Wataru Endo seine Mannschaft in der letzten Sekunde der Nachspielzeit zum Klassenerhalt köpfte. Und danach in Schwaben alle Dämme brachen. So, als hätte der VfB gerade seine sechste Deutsche Meisterschaft errungen. Es war der letzte Höhepunkt. Bis heute. Was folgte, war eine Aneinanderreihung sportlicher Krisen, personeller Umorientierungen und vereinspolitischer Querelen.
Mittendrin: Alexander Wehrle. Sein wohl größter Fehler unterlief dem 48-Jährigen im Herbst. In einer Nach-und Nebelaktion zauberte der Vorstandschef die Altstars Sami Khedira, Philipp Lahm und Christian Gentner aus dem Hut. Sehr zur Überraschung der Anhänger – und zur Verwunderung des nicht in die Pläne eingeweihten Sven Mislintat. Der amtierende Sportdirektor verfolgte die Vorstellungspressekonferenz in den Reihen der Journalisten und brummte: „Das ist deren Show.“ Später entschuldigte sich Wehrle für die Vorgehensweise. Es war dennoch der Anfang vom Ende der Ära Mislintat. Nach einer wochenlangen Hängepartie konnten der bei den Fans beliebte Sportchef und Wehrle sich nicht auf eine Vertragsverlängerung einigen. Dass zwischenzeitlich auch noch Trainer Pellegrino Matarazzo seinen Spind räumen musste, machte das Chaos perfekt. Die Punkteausbeute unter Nachfolger Bruno Labbadia tendiert seither klar Richtung Zweite Liga. Auch wenn Wehrle tapfer verkündet: „Es sind noch 14 Spiele.“
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Wehrle nicht der einzige Sündenbock
Viel Kredit hat der mächtige VfB-Boss seit seiner Rückkehr vor knapp einem Jahr verspielt. Wobei sich die Fans den Vorstandschef nicht zum alleinigen Sündenbock auserkoren haben. Da wären auch noch andere. Präsident Claus Vogt etwa, der seit seiner öffentlich ausgetragenen Schlammschlacht mit Wehrle-Vorgänger Thomas Hitzlsperger in diverse Ränkespiele innerhalb des Hauptvereins verstrickt ist. Rücktritte, gegenseitige Schuldzuweisungen und juristische Auseinandersetzungen prägen das Bild des so stolzen Traditionsvereins von 1893. Chronische Chaosclubs wie der Hamburger SV und Schalke 04 können sich in diesen Tagen eine Scheibe vom VfB abschneiden. Und Wehrle? Trägt an den teilweise vor seiner Zeit entstandenen Verfehlungen gewiss keine Alleinschuld. Gemeinsam mit dem vom FC nach Stuttgart gewechselten Kommunikationschef Tobias Kaufmann versucht er, die Krise so gut es geht zu moderieren.
Sein Narrativ zur sportlichen Durststrecke lautet, dass man sich endlich „belohnen“ müsse. Am besten soll „das Momentum“ schon am Samstag gegen seinen Ex-Club erzwungen werden. Ansonsten beackert Wehrle vor allem wirtschaftliche Felder, hat mit Sportfive einen neuen Vermarktungspartner an Land gezogen, der den drohenden Rückzug von Mercedes-Benz auffangen soll. Hochtrabende Pläne mit der auf Champions-League-Niveau getrimmten Arena gibt es viele. Es darf bloß kein neuerlicher Abstieg dazwischenkommen.
„Langweilig war die Zeit nicht“, sagte Alexander Wehrle dieser Tage rückblickend auf seine ersten elf Monate zurück im Schwäbischen. An diesem Samstag geht es für ihn nicht um schöne Erinnerungen und das Treffen alter Bekannter. Sondern „allein um Punkte“. Den Kollegen vom FC wünschte er derweil „viel Spaß. Sie sollen feiern“. Beim Karneval – aber bitte nicht nach dem Spiel.
Der Autor
Gregor Preiß berichtet für die „Stuttgarter Zeitung/Stuttgarter Nachrichten“ über den VfB Stuttgart.