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Neuer FC-Kapitän Timo Hübers„Ich bleibe einer von elf Spielern“

Lesezeit 9 Minuten
24.08.2024, Nordrhein-Westfalen, Köln: Fußball: 2. Bundesliga, 1. FC Köln - Eintracht Braunschweig, 3. Spieltag, im RheinEnergieStadion, Kölns Eric Martel (l-r), Timo Hübers und Dejan Ljubicic bejubeln das Tor zum 3:0.

FC-Abwehrchef Timo Hübers (M.)

In seinem ersten Interview als neuer Kapitän des 1. FC Köln spricht Timo Hübers über seine neue Rolle, seinen Umgang mit dem Abstieg aus der Bundesliga und die neue Spielergeneration.

Timo Hübers trägt in seinem vierten Profijahr beim 1. FC Köln die Spielführer-Binde. Bevor der 28-jährige Abwehrchef wie nach jedem Training mit dem Rad nach Hause fährt, gibt er Martin Sauerborn sein erstes Interview als Kapitän des Fußball-Zweitligisten.

Herr Hübers, Sie haben gegen Schalke krank gefehlt. Wie geht es Ihnen?

Die Erkältung hat mich ein bisschen mehr ausgeknockt, als ich gedacht hätte. Dementsprechend war ich eine Woche zu Hause. Jetzt bin ich wieder richtig fit und ich merke auch auf dem Platz gar nichts mehr.

Wie haben Sie den 3:1-Sieg Ihrer Mannschaft auf Schalke verfolgt?

Es ist schon speziell, wenn man nur vor dem Fernseher zuschauen kann. Ich war doch sehr angespannt und nervös. Die Jungs haben es mir zum Glück leicht gemacht, weil sie die Tore in den richtigen Momenten geschossen haben. Ich konnte das Spiel dann etwas entspannter verfolgen, auch wenn es am Ende nochmal etwas hektisch wurde.

Sie sprechen die letzten 20 Minuten nach dem 1:3 an, als mit Julian Pauli und Elias Bakatukanda ein 19- und ein 20-Jähriger in der Innenverteidigung standen. Was haben Sie als erfahrener Spieler in diesem Moment gedacht?

Deswegen hatte ich keine großen Bedenken. Die Jungs sind jeden Tag im Training. Da sehe ich, was sie draufhaben. Es war eher die Situation, weil das Spiel mit dem vermeintlichen 2:3 in Richtung Schalke zu kippen schien.

Julian Pauli überrascht bislang positiv. Hat er das Zeug sich konstant gegen die, wie haben Sie es ausgedrückt, „Drecksäcke“, aus der 2. Liga durchzusetzen?

Julian hat eine enorme Präsenz, besonders für einen 19-Jährigen. Ich war damals körperlich nicht so weit. Julian spielt unaufgeregt, ist konsequent im Zweikampf und in den Grundlagen richtig gut. Es kommt zunächst darauf an, sich voll hineinzuwerfen, sich nicht zu viel vorzunehmen und die defensiven Aufgaben zu meistern. Er ist auf einem guten Weg. Wir sollten aber auch alle darauf achten, dass wir die Jungs am Boden lassen.

Stichwort am Boden, hinter dem FC liegt ein bitteres Jahr mit Trainerwechsel und Bundesliga-Abstieg. Was nehmen Sie persönlich mit aus der vergangenen Saison?

Es war definitiv ein Jahr, in dem ich gut an meiner Frustrationstoleranz arbeiten konnte. Wir haben gefühlt einen Nackenschlag nach dem anderen bekommen. So blöd wie das letzte Spiel oder die letzte Aktion im Spiel gelaufen ist, war es immer wichtig, sich sofort auf das zu konzentrieren, was als nächstes kommt. Im Fußball ist die Krux, dass das, was in der Vergangenheit liegt, im nächsten Moment nicht mehr zählt. An diesem Thema konnte ich viel arbeiten. Jetzt zählt die letzte Saison nicht mehr. Wir haben einen neuen Kader, neue Jungs, neue Ziele, ein neues Trainerteam. Es spielt keine Rolle, was passiert ist.

Haben Sie das Gefühl, dass Sie etwas anders hätten machen können?

Individuell kann man sich immer weiterentwickeln. Ich bin jemand, der die Dinge sehr gewissenhaft angeht. Wir haben alles investiert, alles versucht, alle Steine anders anzuordnen, aber am Ende hat es einfach nicht gereicht. Das muss man sich eingestehen. Trotzdem kann ich in den Spiegel schauen und sagen: Ich habe alles, was in meiner Macht stand, getan, um die Dinge in eine andere Richtung zu drehen.

Was haben Sie auf der menschlichen Ebene aus dem schwierigen Jahr ziehen können?

Es war definitiv kein Untergang, bei dem wir uns zerfleischt haben. Es war eine Teamatmosphäre, in der nicht der eine mit dem Finger auf den anderen gezeigt hat. Das lässt sich positiv hervorheben und kann ein Grundstein für diese Saison sein. Aufgrund der Transferschranke gab es hier ja nicht so viel Kommen und Gehen, wie es nach einem Abstieg üblich ist. Wir wollen es fast genau mit den Jungs, die es verbockt haben, wieder ausbügeln. Mit dem Wissen, dass wir einen guten Kern im Team und einen guten Spirit haben. Wir haben gesehen, dass nichts über eine gute Gruppendynamik geht. Gerade, wenn es mal nicht läuft.

Sind deshalb so viele Spieler nach dem Abstieg geblieben, obwohl sie eine Ausstiegsklausel hatten?

Natürlich macht es mehr Spaß, zum Training zu kommen, wenn man am Wochenende gewonnen hat. Aber es ist genauso wichtig, dass man auch in schlechteren Zeiten gerne zur Arbeit kommt. Wir haben hier immer noch das Gefühl, dass wir eine coole Truppe sind, die für einen großartigen Verein spielen darf. Und der FC-Fan hat komplett umgeschaltet und befindet sich wieder im Euphorie-Modus. So blöd die Stimmung hier im Negativen sein kann, so ist sie im Positiven eben auch positiver als an anderen Standorten. Die Summe der Argumente hat dann bei vielen dafür gesorgt, dass sie bleiben wollten.

Bei Ihnen hat diese Entscheidung etwas länger gedauert. Wie konkret war ihre Vorstellung, zu wechseln?

Ich habe nie ein Hehl daraus gemacht, dass ich die Vorstellung habe, auch noch einmal etwas anderes zu erleben als Sportler und als Mensch. Das steht aber überhaupt nicht im Gegensatz dazu, dass ich mich hier super wohl fühle und der FC eine tolle Adresse ist. Ich habe mir andere Dinge angehört und mich dann für das coolste Gesamtpaket entschieden. Das habe ich beim FC vorgefunden. Ich finde es legitim einen Moment lang darüber nachzudenken, denn es geht bei einer solchen Entscheidung nicht nur um den Sport. Im Fußball hat man manchmal nur zwei bis drei Wochen Zeit, und ich finde es wichtig, gerade nach einem Abstieg nicht nach drei Tagen aus dem Bauch heraus eine Entscheidung zu treffen, die ich drei Wochen später vielleicht bereut hätte.

Sie haben sich bis zum Frühjahr selbst beraten, sich dann aber wieder einen Berater genommen. Warum?

In dieser Phase war nicht klar, ob wir in der Liga bleiben. Natürlich macht man sich Gedanken über die Zukunft, aber als Spieler habe ich in solch einer Phase nicht die Kapazität, jeden Tag gefühlt 1000 Anrufe zu tätigen. Es ist doch widersprüchlich, wenn man versucht mit dem einen Club den Abstieg abzuwenden und drei Stunden nach Spielende den nächsten Verein anruft. Deshalb wollte ich eine vollständige Trennung.

Zurück zum Thema Frustrationstoleranz und in die Gegenwart. Zu Beginn dieser Saison sah es so aus, als hänge die Mannschaft noch in den negativen Mustern der vergangenen Spielzeit fest. Wie beurteilen Sie das?

Im ersten Spiel gegen den HSV waren wir wieder die bessere Mannschaft und plötzlich steht es 0:2. Da haben wir uns schon angeschaut und im Stadion war es superstill. Da dachte ich „wow, es läuft so weiter“. Dann geht es darum, weiterzumachen. In Elversberg und Sandhausen haben wir weitere kleine Rückschlage erlitten. Aber jetzt haben wir uns stabilisiert, was auf die positiven Ergebnisse zurückzuführen ist. Die Siege stärken uns in dem Glauben, dass wir in der Art und Weise, wie wir Fußball spielen wollen, erfolgreich sein können.

Beim 2:2 in Elversberg sind Sie als Kapitän nach dem 1:2 gestenreich vorangegangen und haben den FC nicht nur durch ihren Treffer zum 2:2 geführt. War das ein besonderer Moment?

Wir haben Elversberg in der ersten Halbzeit an die Wand gespielt und lagen fünf Minuten später 1:2 zurück. Ich habe mich wie ein wütendes, kleines Kind gefühlt. Die Wut und der Frust haben bei allen Energien freigesetzt. Das hat uns geholfen.

Sie sind seit dieser Saison Kapitän des 1. FC Köln. Was qualifiziert Sie für dieses Amt?

Wenn man die U21 mitrechnet, bin ich in meinem fünften Jahr beim FC. Inzwischen weiß ich, wie der Verein tickt und habe ihn in guten und schlechten Zeiten erlebt. Ich bin auch etwas älter geworden und habe mehr Erfahrung auf und neben dem Platz gesammelt. Der Trainer hat mich nach seinen Eindrücken aus der Vorbereitung dann gefragt, ob ich mir vorstellen kann, Kapitän zu werden. Ich habe sein volles Vertrauen.

Was sollte ein Kapitän auf dem Platz können?

Die Leistung steht über allem. Ich bleibe auch mit Binde am Arm und etwas mehr Aufmerksamkeit einer von elf Spielern. Es wäre nicht besonders glaubhaft, wenn ich Anweisungen geben würde und gleichzeitig mit mir zu kämpfen hätte. Ich möchte jeden Tag mit Leistung, Einstellung und Professionalität vorangehen. Und meine Erfahrungen bestmöglich an die vielen jungen Spieler weitergeben, damit sie sich gut aufgehoben fühlen.

Hatten Sie es als junger Spieler schwer?

Es hat sich in den vergangenen zehn Jahren schon etwas verändert. Zu meiner Zeit haben die jungen Spieler öfters mal einen über den Knöchel bekommen. Man war der kleine Junge, der von unten kam. Damals wurde man auch nicht so früh reingeworfen und musste sich bis auf wenige Ausnahmen erst über Training und U-Mannschaften hochkämpfen. Heute ist es für die Jungen etwas einfacher. Dafür müssen sie aber auch früher ran und funktionieren. Ich finde, dass einige unserer Jungs sich richtig gut entwickeln.

Was bedeutet das für Ihre Ansprache? Zuckerbrot und Peitsche?

Die gute Mischung macht es. Auf der einen Seite klar aufzeigen, was von einem Profi erwartet wird und es kein Jugendfußball mehr ist, auf der anderen Seite sie in ihren Stärken bestärken.

Wie führen Sie ein Team in der Kabine?

Man füllt eine Rolle immer gut aus, wenn man authentisch bleibt. Ich versuche einfach, mein Ding zu machen. Wenn jemand zu mir kommt und um Rat bittet, unterstütze ich ihn, so gut es geht und gehe als Beispiel voran.

Der FC hat ein neues Trainerteam mit Gerhard Struber an der Spitze. Wie gefällt Ihnen seine Idee, Fußball spielen zu lassen?

Gut, denn es ist eine aktive Form des Spielens. Kein Warten, kein Hinten stehen und ein Umschaltspiel mit deutlich höheren Ballgewinnen als vergangene Saison in der Rückrunde. Das Training macht Spaß, es sind gute Übungen dabei.

Wie weit ist das Team, die Vorstellungen des Trainers umzusetzen?

Es ist sehr schwierig, im Fußball zur Perfektion zu gelangen. Ich denke, wir sind auf dem richtigen Weg, lassen uns aber nicht von den jüngsten Ergebnissen täuschen.

Was ist mit dem FC in dieser Saison möglich?

Das ist eine gute Frage. Was haben wir jetzt? Mitte September? Wann ist Saisonende? Ende Mai?

Ich könnte sagen, dass wir aufsteigen wollen und es auch schaffen können. Was würde das jetzt bringen, obwohl jeder den Anspruch hat, den FC dorthin zu bringen, wo er hingehört? Es geht darum, sich für jede Etappe Ziele zu setzen, bis zur nächsten Länderspielpause, bis zur Winterpause, dann noch einmal bis zur Länderspielpause, um in der Endphase der Saison die Möglichkeit zu haben, oben mitspielen zu können. Das sind die Spiele, an die man zurückdenkt, wenn man mit dem Fußballspielen aufhört.

Die nächste Etappe heißt am Samstag 1. FC Magdeburg. Überrascht es Sie das bisherige Abschneiden des FCM?

Sie spielen mit viel Ballbesitz, haben viele gute, trickreiche und ballsichere Spieler. Deshalb stehen sie mit oben. Für uns wird es wichtig, im Pressing voll da zu sein und hohe Ballgewinne zu haben. Denn sie bieten uns die Möglichkeit, dort Ballgewinne zu provozieren, wo wir sie haben wollen.