Christian Keller spricht im zweiten Teil des großen Rundschau-Interviews mit Tobias Carspecken und Martin Sauerborn über die Transferpolitik des 1. FC Köln und das laufende CAS-Verfahren.
Interview mit FC-Sportchef Christian Keller„Hier liegt kein Geld herum“
Herr Keller, Sie hatten nach dem Abgang von Ellyes Skhiri angekündigt, einen Sechser zu verpflichten, der sich ohne großen Anlauf in der Bundesliga zurechtfinden soll. Warum ist das nicht gelungen?
Jacob Christensen ist als Entwicklungs- und Perspektivspieler geholt worden. Derjenige Spieler, den ich gemeint habe, wurde nicht geholt. Das muss ich so konstatieren. Deshalb ist entsprechende Kritik gerechtfertigt. Es ist müßig, zu hinterfragen, warum das nicht geklappt hat.
Warum haben Sie im Sommer nicht mehr Geld für Transfers in die Hand genommen?
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In diesem Zusammenhang möchte ich auf den Vorwurf des „Kaputtsparens“ eingehen. Sparen heißt für mich: Wir legen Geld auf die hohe Kante, um es irgendwann für irgendwas zu verwenden. Dem ist hier nicht so. Hier liegt kein Geld rum. Wir konnten kein Geld sparen. Wir haben nicht mehr Geld. Das ist die nackte Wahrheit. Ich weiß, dass sie nicht schön ist. Aber es ist nun mal so. Deshalb ist diese Frage für mich auch nicht die richtige. Die richtige Frage lautet: Hätten wir mit dem vergleichsweise wenigen Geld, das zur Verfügung stand, für eine qualitativ bessere Kaderzusammensetzung sorgen können? Das wäre eine Kritik, der wir uns sachlich stellen müssten. Aber „Kaputtsparen“ ist einfach falsch.
Verantwortung allen Mitarbeitern gegenüber
Wie definieren Sie Ihre Aufgabe?
Als Geschäftsführer sehe ich meine erste Aufgabe in der Sicherstellung der Clubfortführung. Schließlich haben wir eine Verantwortung allen Mitarbeitern gegenüber. Dafür gibt es keine Lorbeeren, als sportlich Verantwortlicher schon mal gar nicht. Aber: Wir müssen den FC gesund machen, um wieder Anlauf nehmen zu können. Das ist kein Kaputtsparen. Es ging ums Überleben.
Jacob Christensen wartet nach sieben Spieltagen auf seine ersten Bundesliga-Minuten. Wie konnte es in Anbetracht der verschiedenen Scouting-Möglichkeiten zu dieser Fehleinschätzung hinsichtlich seines Leistungsstandes kommen?
Ich möchte nochmals wiederholen, dass Jacob als hoch veranlagter Entwicklungsspieler verpflichtet worden ist. Es muss noch athletischer werden, um eine höhere Intensität im Spiel gehen zu können. Mental muss er sicherlich noch mehr aus sich raus und sich besser positionieren. Jacob hat über Jahre hinweg ins Nordsjaelland jedes Spiel gemacht. Er musste erstmal lernen, mit der Situation umzugehen, dass er kein Starter ist, zum Teil nicht mal ein Einwechsler. Damit hat er sich schwergetan. Dieses Szenario hatten wir vorab mit ihm besprochen. Es zu erleben, ist dann noch mal etwas anderes.
Haben Sie sich bei der Kaderplanung zu sehr auf die Bessermacher-Qualitäten von Steffen Baumgart verlassen?
Nein. Einen Bundesligakader nur aus Entwicklungsspielern zusammenzusetzen, das wird auf Dauer nicht gehen. Wir haben in unserem Kader etliche gestandene Spieler. Wenn diese aber gleichzeitig ein Stück weit mit sich selbst kämpfen, wird es schwer, ein konstantes Niveau auf den Platz zu bringen.
Wie ist es zu erklären, dass Leistungsträger wie Florian Kainz, Dejan Ljubicic und Luca Waldschmidt seit Wochen in einer Formkrise feststecken?
Die Gründe sind vielschichtig. Der eine setzt sich vielleicht zu viel Verantwortung auf. Der nächste denkt vielleicht zu viel über die Gesamtsituation nach. Ein anderer hadert vielleicht damit, dass seine Position nicht unbedingt die optimale für ihn ist und erwartet obendrein mehr von sich. So könnte ich weitere Gründe aufzählen.
Kommt der psychologischen Betreuung in einer solch schwierigen Phase eine größere Bedeutung zu?
Moritz Anderten (Teampsychologe; Anm. d. Red.) steht den Spielern immer zur Verfügung. Er ist Beobachter und Ansprechpartner, den die Spieler gerne nutzen. Der eine mehr, der andere weniger. Er arbeitet komplett autark. Zudem ist der Trainer ein wichtiger „Psychologe“. Die weiteren Führungskräfte ebenso. Wenn wir weinerlich durch die Gänge des Geißbockheims laufen würden, hätte das eine Wirkung auf die Mannschaft. Wir müssen der Mannschaft Vertrauen und Optimismus geben, den es braucht.
Kommen wir zur drohenden Transfersperre. Wie ist Ihr Gefühl im Transferstreit um Jaka Cuber Potocnik nach der Anhörung vor dem Internationalen Sportgerichtshof?
Wir sind mit einem guten Gefühl aus derAnhörung herausgegangen, weil wir unsere Argumentation vernünftig vorbringen konnten. Jetzt liegt die Entscheidung in den Händen des CAS. Das Ergebnis kann ich nicht vorhersagen.
Wann ist mit einem Urteil zu rechnen?
Es gibt keinen festgesetzten Termin. Unsere CAS-erfahrenen Anwälte rechnen damit, dass das Urteil in diesem Jahr kommt. Das wäre schnell für ein CAS-Verfahren.
Was ist aus Ihrer Sicht wahrscheinlicher: eine Reduzierung der Transfersperre oder eine komplette Aufhebung?
Ich möchte nicht spekulieren. Wir sind vor den CAS gezogen, weil wir der Meinung sind, dass das Fifa-Urteil nicht rechtens ist. Und weil wir erreichen möchten, dass uns Recht gesprochen wird. Ob es so kommt, kann ich nicht sagen.
Müssen Sie sich vorwerfen lassen, den Fall nicht außergerichtlich gelöst zu haben?
Dazu möchte ich aktuell nichts sagen, weil wir uns in einem laufenden Verfahren befinden. Wir werden die Gelegenheit finden, uns zu allen Abläufen zu äußern.
Potocnik nimmt sich die Situation zu Herzen
Wie sehr leidet Jaka Cuber Potocnik unter der Situation?
Jaka kann gar nichts für die Situation. Er hat nichts falsch gemacht, zu keinem Zeitpunkt. Trotzdem nimmt er sich das zu Herzen. Wir versuchen, ihn zu stützen und ihm zu erklären: „Auch wenn du im Mittelpunkt stehst: Du kannst gar nichts dafür. Also mach dir keinen Kopf.“ Dennoch kannst du das bei einem 18-Jährigen nicht abschließend verhindern. Jaka macht sich Sorgen. Weniger um seine Spielsperre, sondern vor allem darum, was eine Transfersperre für den FC bedeuten würde. Er macht sich viele Gedanken, was sich auf sein aktuelles Leistungsvermögen auswirkt.
Sollte der FC nachverpflichten dürfen: Würden Sie es machen?
Wenn wir die Option haben, dem Kader zusätzliche Qualität zu verleihen, würden wir nie Nein sagen. Das gilt auch für die Wintertransferperiode. Damit keine Missinterpretation entsteht: Wir vertrauen unseren aktuellen Spielern. Aber: Wenn du dich im Leistungssport verbessern kannst, musst du dich verbessern. Das ist ein normaler Prozess. Die anderen Vereine schlafen nicht. Manche Mannschaften sind in dieser Saison deutlich besser geworden im Vergleich zur vergangenen Spielzeit.
Ein anderes FC-Talent, über das viel diskutiert wird, ist Justin Diehl. Gilt weiterhin, dass er seinen 2024 auslaufenden Vertrag nicht verlängern will?
Ich glaube, dass unsere jungen Spieler sehen, dass beim FC eine klare Durchlässigkeit besteht. Dass es das Ziel ist, die Entwicklung durch Integration in den Trainingsbetrieb der Profis voranzutreiben. Und dass unsere Toptalente, die wir ab der U17 definieren, eine besondere, einen Tick individuellere Betreuung erhalten. Zwei Spieler aus dem 2004er-Jahrgang (Linksaußen Max Finkgräfe und Stürmer Damion Downs; Anm. d. Red.) haben in dieser Saison ihr Bundesliga-Debüt gefeiert. Vielleicht kommt noch der ein oder andere hinzu. Die Tür ist für jeden offen, um hier den nächsten Schritt zu gehen.