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Auf Umwegen in die BundesligaMax Finkgräfe debütiert für den 1. FC Köln

Lesezeit 5 Minuten

Nimmt Fahrt auf: Max Finkgräfe (r.) bei seinem Bundesliga-Debüt in Dortmund.

Max Finkgräfes Profitraum schien bereits geplatzt. Doch das von Verletzungspech geplagte Talent setzte sich gegen alle Widerstände zur Wehr. Nun debütierte er in der Bundesliga für den 1. FC Köln.

Es gibt wohl keinen anderen Ort in der Bundesliga, der eine derartige Wucht ausstrahlt wie der Dortmunder Fußball-Tempel. Mehr als 80.000 Zuschauer bildeten beim ersten Samstagabendspiel der Saison 2023/24 zwischen Borussia Dortmund und dem 1. FC Köln wieder einmal eine gewaltige Kulisse, die gerade auf noch unerfahrene Spieler respekteinflößend wirken kann. Max Finkgräfe aus Willich am Niederrhein hat sich davon nicht beeindrucken lassen. Als der 19-jährige Vorbereitungsgewinner schon nach 66 Minuten für den früheren Nationalspieler Luca Waldschmidt in die Partie kam, spielte er so unbekümmert und mutig auf, dass sein Bundesliga-Debüt mit herausragte aus einer trotz der 0:1-Auftaktniederlage imponierenden Kölner Elf.

Es sind Momente wie diese, die im Nachwuchsleistungszentrum (NLZ) des selbst ernannten Ausbildungsvereins 1. FC Köln für Glückseligkeit sorgen. Weil sie Bestätigung und Ansporn zugleich sind für die Arbeit an der Basis, die tagtäglich trotz widriger Bedingungen am Geißbockheim geleistet wird. „Wir freuen uns riesig über das Bundesliga-Debüt von Max“, sagt sein ehemaliger U19-Trainer Stefan Ruthenbeck, der in der langen Einsatzzeit des Debütanten ein besonders starkes Signal sieht: „In so einem Spiel zum Einsatz zu kommen, ist etwas ganz Besonderes und macht uns alle stolz im NLZ. Wir sind Steffen Baumgart und seinem Trainerteam sehr dankbar dafür, dass sie den Mut haben, Talenten aus dem eigenen Verein in der Bundesliga eine Chance zu geben.“

Max Finkgräfe hat beim 1. FC Köln noch keinen Profivertrag

Dabei drohte Max Finkgräfes Profitraum früh zu zerplatzen. Der flinke linke Schienenspieler hatte es vor seinem Wechsel zum 1. FC Köln im Sommer 2021 bereits bei drei namhaften Westclubs versucht. Zuerst bei Fortuna Düsseldorf, dann bei Borussia Dortmund und schließlich bei Borussia Mönchengladbach. Finkgräfe nahm weite Wege in Kauf, es war ein enormer Aufwand, den er für sein großes Ziel betrieb. Doch überall ging es irgendwann nicht mehr weiter. Die Verletzungsanfälligkeit, die eng verbunden ist mit Finkgräfes bisheriger Karriere, spielte stets eine wesentliche Rolle.

Am Ende war es ein Schritt zurück, der den frisch gebackenen Bundesligaspieler entscheidend voranbrachte. Inmitten der Pandemie schloss sich Max Finkgräfe durchaus überraschend der SG Unterrath an, einem für starke Jugendarbeit bekannten Amateurclub aus dem Norden Düsseldorfs, wo sich der Linksfuß qualitativ abhob von seinen Mitspielern. Wie bei eben jenem Testspiel der Unterrather U17 gegen die U16 des 1. FC Köln im Sommer 2020. Die Einladung zum Probetraining am Geißbockheim, wo man Finkgräfe schon aus dessen vorherigen Stationen auf dem Zettel hatte, ließ nicht lange auf sich warten.

Ein Jahr später folgte der Wechsel zum FC, wo Finkgräfe weitere gesundheitliche Rückschläge erlitt, dadurch recht wenig spielte, aber immer wieder aufstand – und parallel die Abiturprüfung ablegte. „Max war in der U19 immer sehr vorbildlich, wenn es um Fleiß ging, und kam nach Verletzungen immer stärker zurück. Er hat sich immer wieder zurückgekämpft. Auch das ist eine Qualität“, meint Stefan Ruthenbeck, der Finkgräfe als „sehr erwachsenen“ jungen Menschen zu schätzen gelernt hat. „Auch, weil er im Laufe seiner Entwicklung schon Dinge erlebt hat, die für ihn nicht ideal waren. Er bringt unheimlich viel Demut mit.“

Max ist ein Junge, der natürlich noch viel lernen muss. Aber er bleibt jeden Tag im Training ruhig, hört den Trainern gut zu und gibt Gas. Dafür wurde er mit seiner Einwechslung belohnt.
Thomas Kessler, Sportlicher Leiter 1. FC Köln

Eine Einschätzung, die der Nachwuchs-Experte Christoff Donath teilt. „Ehrgeiz und Bodenständigkeit haben Max dorthin gebracht, wo er heute steht. Er war schon immer sehr zielstrebig, sehr klar“, weiß sein früherer Jugendtrainer bei Fortuna Düsseldorf, der den positiven Einfluss von Finkgräfes Familie hervorhebt: „Max hat ein sehr bodenständiges Elternhaus, das ihn immer unterstützt, aber nie gedrängt hat. Das ist in einem Nachwuchsleistungszentrum eher untypisch.“ In dieses Bild passt, dass Finkgräfe sich nicht zu schade war, nach Stationen bei großen Clubs einen etwas anderen Weg zu wählen. „Viele Talente kennen ausschließlich den kompletten Weg durch ein Nachwuchsleistungszentrum. Wenn man aber zwischenzeitlich weit weg ist vom Profitraum – so wie es bei Max in Unterrath von außen betrachtet wirkte – dann saugt man alles noch mal viel stärker auf“, sagt Donath.

Inzwischen ist Max Finkgräfe aus dem heimischen Willich in die Kölner Innenstadt gezogen. Großstadt-Allüren sind dem gebürtigen Mönchengladbacher dennoch fremd. Zum Training radelt er gerne in den Grüngürtel. Über einen Profivertrag verfügt er ebenfalls noch nicht. Als der 19-Jährige im April ohne zu pokern und zu fordern bis 2025 verlängerte, war er eigentlich zunächst für die Regionalliga-Mannschaft eingeplant gewesen. Finkgräfe freute sich über eine „super Perspektive“, die er trotz gerade erst auskurierter Sprunggelenkverletzung aufgezeigt bekommen habe. „Dafür bin ich sehr dankbar“, sagte er.

Dann überschlugen sich die Ereignisse geradezu. Max Finkgräfe spielte in der Saisonvorbereitung des Bundesliga-Teams frech auf und wusste das Vakuum zu nutzen, das auf den Flügeln durch die Fehlzeiten von Linton Maina und Jan Thielmann entstanden war. Nun ist der Youngster früher als gedacht fester Bestandteil von Baumgarts Team. „Max ist ein Junge, der natürlich noch viel lernen muss. Aber er bleibt jeden Tag im Training ruhig, hört den Trainern gut zu und gibt Gas. Dafür wurde er mit seiner Einwechslung belohnt“, sagt der Sportliche Leiter Thomas Kessler. Und fast sogar noch mit dem Ausgleichstor in letzter Minute. Im nächsten Schritt gelte es „dranzubleiben und weiterzuarbeiten“, erklärt Stefan Ruthenbeck. „Um mehr davon zu erleben wie in Dortmund.“ Womöglich schon am Samstag beim ersten Heimspiel gegen den VfL Wolfsburg. Vor 50.000 Zuschauern in Müngersdorf.