Köln – Das Trainerkarussell in der Fußball-Bundesliga dreht sich schneller, kräftiger und zu höheren Preisen als jemals zuvor. Eine neue Qualität, die nicht nur die Frage nach dem Ursprung der Entwicklung aufwirft. Wie und nach welchen Kriterien wird ein Trainer im Frühjahr 2021 eigentlich ausgesucht?
Für jeden Spieler gibt es längst ein aufwendiges, umfangreiches Scouting, damit er menschlich und sportlich möglichst perfekt in das entworfene Profil passt. Und bei Trainern? „Mund-zu-Mund-Propaganda, Erfolge, bekannte, große Namen, die selbst hoch gespielt haben“, zählt Erich Rutemöller häufige Auswahlkriterien auf und ergänzt: „Trainerscouts? Ich kenne keinen.“ Der 76-Jährige muss es wissen. Er hat als Leiter des Fußballlehrer-Lehrgang des Deutschen Fußball-Bundes zwischen 2000 und 2007 mehrere hundert Trainer ausgebildet. „Spieler werden genau beobachtet, die tägliche Arbeit von Trainern aber nicht. Die müsste viel mehr beobachtet werden.“
Rutemöller berät zusammen mit Jörg Jakobs seit September 2019 den neuen Vorstand des 1. FC Köln in sportlichen Themen. Also auch bei der aktuellen Suche nach einem neuen Trainer. Denn so erfolgreich Friedhelm Funkel als Nachfolger des glücklosen Markus Gisdol auch arbeitet, der 67-Jährige wird nach der Saison in den Ruhestand zurückkehren.
Guter Rat ist teuer am Geißbockheim, denn nach der lange Zeit glorreichen Ära Peter Stöger hat sich der FC bei der Trainerauswahl nicht mit Ruhm bekleckert. Markus Anfang musste seine Koffer noch vor dem sicheren Wiederaufstieg packen, weil es menschlich nicht passte.
Gute Stimmung am Geißbockheim
Wenn das Training am Mittwoch ein Indiz für die aktuellen Befindlichkeiten des 1. FC Köln sein darf, wird der abstiegsbedrohte Fußball-Bundesligist den Klassenerhalt schaffen. Während Chefcoach Friedhelm Funkel sich wie gewohnt in die Rolle des Beobachters begab, hatte Co-Trainer André Pawlak eine Einheit ausgearbeitet, bei der Spaß und Freude im Vordergrund standen. Fast eine Stunde lang durften sich die FC-Profis beim Torabschluss nach Flanken nach Herzenslust austoben. Mit von der Partie war Torjäger Sebastian Andersson , der am Dienstag aufgrund seiner Knieprobleme pausiert hatte. So fehlte nur Ismail Jakobs, der eine individuelle Einheit absolvierte. Die Kölner trainieren noch am Freitag und Samstag. Sonntag und Montag sind frei, bevor am Dienstag die Vorbereitung auf das Heimspiel gegen Freiburg beginnt. (sam)
Der hoch gelobte und vom damaligen Sportchef Armin Veh ohne Auswahlverfahren ins Amt gehobene Achim Beierlorzer fielmit seiner pädagogischen Art schnell tief. Nachfolger Markus Gisdol schaffte zwar die Kehrtwende und den Klassenerhalt, scheiterte aber im Bestreben den FC-Kader kontinuierlich weiterzuentwickeln.
Welchen Trainer braucht der 1. FC Köln nun also im Sommer 2021? Feststeht, dass es bei der aktuellen Suche ein umfangreiches Auswahlverfahren gibt. Der Geschäftsführung mit Alexander Wehrle und Sportchef Horst Heldt liegt eine Liste vor, die im Rahmen eines erstellten Profils abgearbeitet wird. Wie könnte ein solches Profil aussehen?
Perspektiven und Ziele
Der Neue muss bereit sein, im Abstiegsfall einen Zweitligisten mit dem Ziel Wiederaufstieg zu übernehmen. Sollte der FC die Klasse halten, ist aufgrund der finanziellen Lage klar, dass es auch in der Saison 2021/22 wohl nur um den Klassenerhalt gehen wird. Der Trainer, der auch in puncto Gehalt Abstriche machen muss, wird in beiden Fällen großem Druck ausgesetzt sein.
Krisenmanagement
Neben der nötigen Fachkompetenz muss der neue FC-Trainer Krisen managen, moderieren und lösen können. Nicht nur Ergebniskrisen, sondern auch die Krisen, die innerhalb einer Mannschaft entstehen können. Zwischen Stamm- und Ersatzspielern, jungen und alten Spielern oder gut und weniger gut bezahlten Profis. „Das meiste im Fußball findet zwischen den Ohren statt“, hatte FC-Kapitän Jonas Hector erst kürzlich die enorme Bedeutung der mentalen Ebene hervorgehoben.
Trainerteam
Dem neuen Coach muss klar sein, dass er das vorhandene FC-Trainerteam übernimmt. André Pawlak (Vertrag bis 2023) ist als Co-Trainer gesetzt. Auch die Verträge von Torwarttrainer Andreas Menger, Athletiktrainer Max Weuthen und Rehatrainer Leif Frach laufen noch. Der Neue kann allenfalls einen zweiten Assistenten mitbringen. Markus Gisdol hat diese Option in Person von Frank Kaspari wahrgenommen.
Einer der wichtigsten Punkte für den künftigen Kölner Trainer dürfte die Fortsetzung der Nachwuchsschiene sein. „Ich sehe aktuell keinen Verein, der in Deutschland so viel auf den eigenen Nachwuchs setzt, wie der FC“, lobt Rutemöller. Auf Basis dieser Philosophie und den begrenzten finanziellen Möglichkeiten muss der Neue die Jugendspieler nicht nur in den Profikader einbauen sondern weiterentwickeln. Auch im Sinne einer Wertsteigerung des Kaders.
Nationalität und Sprache
Im besten Fall sollte der Funkel-Nachfolger deutschsprachig sein. „In Köln ist das meiner Ansicht ein wichtiges Kriterium . Der Trainer sollte die Sprache der Spieler sprechen“, findet Erich Rutemöller.
Medienkompetenz
In einer Großstadt wie Köln sollte ein FC-Trainer medienkompatibel sein. Das bedeutet nicht nur, dass er sich sachlich, gut und verständlich ausdrücken kann, sondern auch die richtige Balance zwischen Präsenz und Zurückhaltung finden muss. Peter Stöger mag dafür als Vorbild dienen. Auch Friedhelm Funkel erledigt aktuell seinen Job in der Öffentlichkeit und hält so vieles von der Mannschaft fern.