Kiel – Der 1. FC Köln ist sich bis zum Schluss treu geblieben. Zum Glück und ohne das befürchtete Drama. Denn nur so war der ersehnte Klassenerhalt möglich, den die Geißböcke am Samstag mit einem fulminanten 5:1 (4:1)-Triumph im Relegations-Rückspiel bei Zweitligist Holstein Kiel feierten.
Der FC stand nach dem 0:1 im Hinspiel am Mittwoch zum x-ten und endgültigsten Mal in dieser Saison mit dem Rücken zur Wand und zeigte im Moment höchster Not und brutalstem Druck seine stärkste Leistung. Wieder einmal. Ausgerechnet ein früher Doppelpack von Torjäger Sebastian Andersson ebnete den Weg zum Märchen an der Förde, das die Kölner vor dem Abstieg und einer schweren Zukunft bewahrte. Die acht Spiele lange Rettungsmission von Trainer Friedhelm Funkel fand im allerletzten Moment also das erhoffte Happy End.
Ein glücklicher Klassenerhalt
„Der Klassenerhalt war am Ende glücklich, aber hochverdient. Ich freue mich für diese tolle Mannschaft und den ganzen Club. Für mich ist dieser Klassenerhalt ein wunderbares Abschiedsgeschenk. Morgen gehe ich in den Urlaub und zurück in den Ruhestand, aber jetzt erst mal in die Dusche. Denn ich stinke“, feixte der 67-Jährige nach der obligatorischen Bierdusche. Marius Wolf und Jannes Horn hatten ihren Trainer mit dem Schlusspfiff nicht entkommen lassen.
Friedhelm Funkel tauschte im ultimativen Endspiel seine beiden Außenverteidiger, um mehr Tempo auf den Platz zu bringen. Kingsley Ehizibue auf rechts für Benno Schmitz und Jannes Horn für Noah Katterbach links sollten die Offensive ankurbeln und Mittelstürmer Sebastian Andersson mit Flanken füttern. Der Schwede kehrte wie erwartet in die Startelf zurück. Der FC-Coach setzte zudem auf Florian Kainz, der für Ismail Jakobs den linken Flügel besetzte. Bei den Kielern standen Hinspiel-Torschütze Simon Lorenz, Jonas Meffert, Alexander Mühling und Fabian Reese neu in der Startelf. Holstein-Coach Ole Werner musste aber überraschend auf Torjäger Janni Serra (Zerrung) verzichten. Zudem stand FC-Leihgabe Niklas Hauptmann (Fußverletzung) nicht im Kader.
Eine atemberaubende Anfangsviertelstunde
Funkels Plan, die Bälle über seine schnelle Außen in den Strafraum ging in einer atemberaubenden Anfangsviertelstunde voll auf. Der Spielfilm im Schnelldurchlauf: Die erste Flanke von Ondrej Duda von links köpfte Kapitän Jonas Hector in der 3. Minute wunderbar ins lange Eck. Kiel schüttelte sich, konterte über Fabian Reese, der Finn Porath mitnahm. Timo Horn musste Kopf und Kragen riskieren, wehrte stark, aber so ab, dass der Ball auf dem Kopf von Jae Sung Lee landete und von dort zum 1:1 ins Netz flog (4.).
Keine zwei Minuten später erledigte Florian Kainz seinen Job und fand Andersson im Zentrum. Der Torjäger holte seine ganze Kopfballstärke aus dem tiefen Tal seiner verkorksten Saison und schickte das Spielgerät gegen die Laufrichtung von Holstein-Keeper Ioannis Gelios zum 1:2 ins Tor (5.). Wahnsinn. Weil es so schön war, wiederholten Kainz und Andersson das Spielchen nach der ersten FC-Ecke. Mit der Hilfe von Gelios, der den Kopfball des Schweden gegen Reese und von da aus ins eigene Tor lenkte, stand es nach 13 Minuten 1:3.
Überraschende Momente der Saison
Ausgerechnet der so lange und so schmerzlich vermisste Kainz, der nach seiner Nichtaufstellung im Hinspiel am Mittwoch angefressen war, seinen Ärger aber in positive Energie umwandelte. Und ausgerechnet Andersson, dem wegen seines lädierten Knies schon das Karriereende prophezeit wird, der aber im wichtigsten Moment der Saison mit all seiner Klasse zur Stelle war. „Er hat gezeigt, was er für ein Torjäger ist. Wenn er öfter in dieser Saison hätte spielen können, wäre der FC nicht in diese Situation gekommen“, adelte Funkel seine Nummer Neun.
Das 3:1 zeigte bei den Kielern Wirkung. Ole Werners Taktik, möglichst lange mit dem 1:0 aus dem Hinspiel zu arbeiten, war hinfällig. Die Hausherren mussten nun das Spiel machen und zwei Tore aufholen. Es dauerte bis zur 30. Minute, ehe sich Holstein mit Hilfe der fantastischen Unterstützung seiner 2350 Fans im Stadion erholt hatte. Der FC trug seinen Teil dazu bei. Sebastiaan Bornauw leistete sich einen Fehler in der Vorwärtsbewegung und konnte ihn nur auf Kosten einer Gelben Karte ausbügeln. Kingsley Ehizibue stand taktisch mehr neben sich als auf seiner Position und Ondrej Duda verdutzte bisweilen mit einer eigenartigen Körpersprache.
Ein kompromissloser Czichos
Zum Glück beendete Rafael Czichos den sich aufbauenden Spuk kompromisslos. Bei der ersten Rückkehr an seine alte Wirkungsstelle schweißte der Ex-Holstein-Kapitän eine Kopfballablage von Jonas Hector aus 15 Metern mit links unter die Latte (39.). Es war das erste Saisontor des Innenverteidigers – ausgerechnet in Kiel.
Obwohl es 4:1 stand, wollte sich beim Anblick des Kölner Spiels kein Gefühl von Sicherheit entwickeln. Der bis dahin starke Jannes Horn wandelte bei seiner Grätscheinlage gegen Fin Bartels auf einem schmalen Grat zwischen Dunkel-Gelb und Platzverweis (43.) und Lee verstoppte in der gleichen Minute in sehr aussichtsreicher Position. Auch die Tatsache, dass sich gleich mehrere Kölner für eine Auswechslung in der Pause beworben hatten, sprach nicht für einen durchweg souveränen Auftritt des Bundesligisten. Das sah auch Friedhelm Funkel so. Er nahm die mit Gelb verwarnten Bornauw und Horn raus und gab Ehizibue ein paar strenge taktische Anweisungen mit in die zweite Hälfte.
Kieler Fans schafften gute Atmosphäre
Wieder gute Maßnahmen des Trainerfuchses im 924. Und letzten Spiel seiner langen Karriere. Der FC konzentrierte sich nämlich und kam mit Wiederbeginn zu klaren Möglichkeiten für ein fünftes Auswärtstor. Kainz (52./56.), Duda (52.) und Andersson verpassten (53./61.62.) aber den endgültigen K.o.-Schlag.
Von Kiel war wenig zu sehen, obwohl die Zuschauer eine Atmosphäre wie in einem ausverkauften Haus schafften. Nach zwei vergebenen Matchbällen an den letzten beiden Spieltagen der Zweitliga-Saison vergaben die Holsteiner auch ihre dritte Chance, der 57. Bundesligist insgesamt und der erste aus dem nördlichsten Bundesland zu werden. Ole Werners Team war in den zweiten 45 Minuten deutlich anzumerken, dass ihnen nach zwei Quarantänen und dem daraus resultierenden Spiele-Marathon das Halbzeitergebnis endgültig den Stecker gezogen hatte.
Nur Chancen für den FC
Chancen hatten nur die Kölner. Der eingewechselte Max Meyer zielte knapp daneben (78.), und der zweite Ex-Kieler Dominick Drexler scheiterte frei vor Gelios am Kieler Torhüter (79.). Es war Ellyes Skhiri, der alle Kölner mit seinem 5:1 erlöste (84.). Die gesamte Kölner Mannschaft feierte das Tor des Tunesiers und den Klassenerhalt ausgelassen an der Eckfahne. Und auf der Tribüne lag sich der FC-Vorstand um Präsident Dr. Werner Wolf in den Armen.
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Daneben jubelte der hörbar erleichterte Geschäftsführer Alexander Wehrle so lange und laut, als gäbe es kein Morgen. „Alles, was in dieser Saison war, ist jetzt Schnee von gestern. Was zählt, ist, dass der 1. FC Köln nächstes Jahr wieder in der Bundesliga spielt“, fand Retter Friedhelm Funkel das passende Schlusswort, bevor die Feierlichkeiten begannen. Der FC wird es dem Trainer auf ewig danken.
Holstein Kiel: Gelios; Neumann, Wahl, Lorenz (46. Mees), Komenda (63. Kirkeskov); Meffert; Mühling, Porath (46. Girth), Lee; Bartels, Reese (80. Awuku). - 1. FC Köln: T. Horn; Ehizibue, Bornauw (46. Meré), Czichos, J. Horn (46. Jakobs); Skhiri; Wolf (73. Thielmann), Duda (63. Meyer), Hector, Kainz; Andersson (76. Drexler). – SR.: Aytekin (Oberasbach). – Zuschauer: 2350. - Tore: 0:1 Hector (3.), 1:1 Lee (4.), 1:2 Andersson (6.), 1:3 Andersson (13.), 1:4 Czichos (39.), 1:5 Skhiri (84.). – Gelbe Karten: Porath; Bornauw, J. Horn, T. Horn.