Bielefeld/Köln – Bevor die Spiele wieder losgehen, sind Spekulationen, Befürchtungen und Expertentipps ständige Begleiter eines Fußball-Bundesligisten. Arminia Bielefeld etwa bekam zu hören, dass es in der Saison 2020/2021 als „erster Abstiegskandidat“, gilt. Liegt ja auch auf der Hand: Aufsteiger, kleiner Etat und ein Trainer, der im Alter von 60 Jahren noch keine Erfahrung im Erstliga-Geschäft vorweisen kann.
Nach zwei Spieltagen und dem 1:0 (0:0)-Heimsieg gegen den 1. FC Köln haben die Ostwestfalen die ersten vier Punkte gegen diese Einschätzung gesammelt. Das sind dann auch gleich schon mal vier mehr als der FC, der am Samstag auf ganzer Linie enttäuschte und als unglücklicher, aber irgendwie auch verdienter Verlierer vom Platz schlich. Und mit der Erkenntnis, dass sich die vor der Saison in seine Richtung geäußerten Orakel bislang erfüllen.
Es kommt kaum überraschend, dass sich um Timo Horn schon nach zwei Spielen eine Torwartdiskussion entfacht hat. Es war mehr eine Hoffnung, denn eine Überzeugung, dass das FC-Eigengewächs mit der loyalen neuen Nummer zwei Ron-Robert Zieler im Rücken zu alter Stärke zurückfindet.
Kritik ist nicht abwendbar
Nach dem 2:3 gegen Hoffenheim und dem Worst Case in Bielefeld hat sich die gute Vorbereitung des 27-Jährigen als trügerisches Bild entpuppt. Zum Vorschein ist eine immense Verunsicherung Horns gekommen, der vor noch nicht allzu langer Zeit als eine der größten deutschen Torwarthoffnungen galt.
Nachdem ihm seine Kritiker schon das 0:1 und 2:3 gegen Hoffenheim ankreiden wollten, blieb diesmal kein Raum für Diskussionen. „Der Ball kommt aufs kurze Eck. Da darf er ihn nicht bekommen. Es ist erst ein Fehler der Abwehrreihe und dann ein Fehler des Torwarts. Da brauchen wir nicht drumrumreden, das ist klar“, sagte Markus Gisdol.
Deutlicher Torwarfehler
Als der FC-Trainer und sein Bielefelder Kollege Uwe Neuhaus im Presseraum der SchücoArena die Szene aus der 78. Minute noch einmal in Ruhe sehen konnten, war beiden schnell klar, dass das entscheidende 1:0 von Joan Simun Edmundsson kurios und historisch war. Es handelte sich um das erste Bundesligator eines Fußballers von den Färoer-Inseln und hätte niemals fallen dürfen. Arminias Torwart Stefan Ortega hatte mit einem langen Ball auf Joker Edmundsson die bis dahin sehr stabile FC-Abwehrkette ausgehebelt.
Der Stürmer, ein gelernter Linksfuß, wollte das Spielgerät mit seinem schwächeren Rechten irgendwie in Richtung Mitte flanken, versah es aber mit so viel Drall, dass es dem verdutzten und zu früh reagierendem Horn an der Brust vorbei ins kurze Eck flog. Viel deutlicher kann ein Torwartfehler nicht identifiziert werden.
Hygienekonzept
Es war mehr als nur ein Hauch der so besonderen Fußball-Atmosphäre, die die Bielefelder Alm zu einer Kultstätte unter den deutschen Fußball-Stadien hat werden lassen. Es waren zwar nur 5460 Arminia-Fans erlaubt, die machten aber Lärm für 20.000 und peitschten ihr Team im ersten Bundesliga-Heimspiel nach elf Jahren nach vorne. Mit der Einschränkung, dass sie im Jubel über den Sieg die Hygiene- und Abstandsregeln nicht einhielten. „Ich habe mich auch gefreut, dass Zuschauer da waren und viel Positives wahrgenommen.
Über andere Hygienekonzepte möchte ich aber nichts sagen, ich fokussiere mich auf unseres und wir haben ein sehr gutes“, erklärte FC-Sportchef Horst Heldt. Trösten konnte den 50-Jährigen die tolle Alm-Stimmung aber nicht: „Der Ärger über die Niederlage lässt nicht nach, nur weil Zuschauer da waren.“ Zumal sich nur zwei FC-Fans in der Arena ausmachen ließen. „Wunschvorstellung bleibt die Normalität und zur Normalität gehören Auswärtsfans.“ Die Kölner hoffen aber jetzt erst einmal, dass am Samstag im Derby gegen Gladbach die erlaubten 9200 Zuschauer ins Rheinenergiestadion kommen dürfen. „Das kann im Derby grundsätzlich nicht schaden, reicht aber nicht, um auch zu punkten“, sagte Heldt. (sam)
„Er hat heute einen Fehler gemacht und das ist beim Torwart natürlich gleich brutal. Aber wir hätten das Tor auch besser verteidigen können. Timo ist und bleibt unsere Nummer eins“, nahm Gisdol Horn in Schutz. Auch FC-Sportchef Horst Heldt gab volle Rückendeckung: „Das ist eine Diskussion, da kann jeder machen, was er für richtig hält. Mir steht das bis hier oben. Natürlich hat der Timo einen Fehler gemacht. Aber in der Analyse habe ich noch ein paar andere gesehen. Und wir weigern uns, in einem Mannschaftssport einen einzelnen zur Schlachtbank zu begleiten.“
Die befürchtete Torwart-Diskussion hat trotzdem rasant an Fahrt aufgenommen, auch weil mit Zieler nun eine echte Alternative bereit steht. „Dass daraus schnell was gemacht wird, aufgrund der Torhüterkonstellation, die wir haben, ist klar. Timo hat eine besondere Geschichte, er wird immer besonders bemäkelt“, erklärte Markus Gisdol.
Dem FC-Trainer ist in Bielefeld zudem vor Augen geführt worden, dass sich die Eigenheiten und Schwierigkeiten des Corona-Transfermarktes zu Beginn der Saison negativ auswirken. Der FC hat seine bislang vier Feldspieler-Neuzugänge alle kurz vor beziehungsweise nach dem Saisonstart verpflichten können. „Da fehlen natürlich die nötigen Automatismen.
Das braucht Zeit und das müssen wir akzeptieren“, räumte Horst Heldt am Sonntag zerknirscht ein. Die hohe Fehlpass-Quote der Kölner am Samstag war ein klares Indiz für mangelndes Spielverständnis, das sich leicht durch die fehlende gemeinsame Vorbereitung erklären lässt.
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Die von Heldt angesprochene Zeit hat Markus Gisdol bis zum Derby am kommenden Samstag gegen Mönchengladbach nicht. Möglicherweise aber in der darauffolgenden Länderspielpause. Aber auch nur, wenn nicht alle von ihren Nationalmannschaften eingeladenen FC-Profis auf Reisen gehen müssen: „Es gibt ja nur noch Corona-Risiko-Gebiete.
Das ist aktuell alles nicht wirklich gut durchdacht“, wies Horst Heldt schon mal auf mögliche Reiseschwierigkeiten hin. Als gebranntes Kind mit dem Fall des corona-infizierten griechischen Neuzugangs Dimitrios Limnios im Rücken hat er dazu auch allen Grund.