Veedels-CheckDeutz – das Dorf zwischen Rhein und Lanxess-Arena
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Deutz – Für Besucher, die von der Altstadt aus den Rhein überqueren, ist der erste Anlaufpunkt auf der „Schäl Sick“ der Stadtteil Deutz. Die Hohenzollernbrücke ist für Touristen ein beliebter Foto-Treffpunkt, inklusive Rheinpanorama und Liebesschlösser an den Geländern der eleganten Stahlbogenkonstruktion. Auch für viele Kölner ist die im Jahr 1948 wiedererrichtete Eisenbahnbrücke der Übergang zum im Jahr 2015 neu gestalteten Rheinboulevard mit dem wohl schönsten Blick auf Köln.
Auto- und Fahrradfahrer kommen über die Deutzer Brücke ins Veedel. In römischer Zeit war es der Standort eines Kastells auf rechtsrheinischer Seite, das als Schutzwall gegen die damaligen fränkischen Horden und andere Feinde diente. Dies begründete vor rund 1600 Jahren auch die Anfänge der heutigen Deutzer Siedlung. Die Überreste der militärischen Festungsanlage wurden vor ein paar Jahren freigelegt und können heute in Teilen, dank der Initiative des „Fördervereins historischer Park Deutz“ (FHPD), besichtigt werden. Thomas-Georg Tremblau ist Vorsitzender und Mitbegründer des Vereins. „Der Wille zur Bewahrung der historischen Andenken von Deutz kamen damals aus der Bevölkerung. Wir haben mit der Stadt teils heftige und nervenaufreibende Kämpfe ausgetragen, um unsere Ziele zu erreichen“, erinnert er sich bei einer kleinen Führung zu den Überresten aus römischer und mittelalterlicher Zeit.
Anders gestaltete Pflasterungen und ausgegrabene Festungssockel lassen erahnen, wie die Ausmaße des Kastells einmal waren. „Man könnte noch viel mehr zeigen“, erklärt Tremblau, „denn wir befinden uns rund drei Meter über dem Niveau zu römischer Zeit.“ Aber das hätte man bei der Stadt nicht durchsetzen können. Dennoch sei man stolz auf das Erreichte, wie er sagt. Historische Einblicke und Treffpunkt für Verabredungen in der Mittagspause und nach Feierabend – das Deutzer Rheinufer hat sich zum Positiven verändert und ist mit seiner Panoramatreppe zu einer Touristenattraktion geworden. „Hier kann man die untergehende Sonne bestaunen, wenn sie der Postkartensilhouette der Kölner Altstadt zusätzlichen Glanz verleiht“, äußert sich ein Besucher fast poetisch über den beliebten Deutzer Aussichtspunkt. Es stimmt: Eine bessere Aussicht bei einem Glas Wein oder einer Zigarette gibt es in der Stadt wohl nicht. Wer es lieber grün mag, der muss nicht weit am Rheinufer Richtung Norden entlanglaufen, den Beachclub „Km 689“ und den Tanzbrunnen rechts liegen lassen, um dann in den Rheinpark einzutreten. Eröffnet 1913, nach den Entwürfen des damaligen Kölner Gartendirektors Fritz Encke gestaltet, ist er die grüne Oase für die Deutzer und alle anderen Kölner, die in der Nähe des Parks arbeiten oder ihre Freizeit verbringen.
Im Sommer tummeln sich am Wochenende zahllose Familien auf den weitläufigen Wiesen des Parks. Der große Spielplatz wird zum wahren Tollhaus für die Kleinen, und am Ende des Rheinparks, unter der Zoobrücke, tauschen die Skater und Skateboarder ihre neuesten Tricks aus.
Über den Auenweg, der traurige Bekanntheit durch einen Raserunfall mit tödlicher Folge für eine 19-jährige Fahrradfahrerin erlangte, geht es Richtung Deutzer Bahnhof vorbei an den Fernsehanstalten von RTL und Vox sowie den großen Hallen der Messe Deutz auf der gegenüberliegenden Seite. Der neu gestalte Bahnhofsvorplatz (Ottoplatz) wird leidlich angenommen von Deutzern wie Reisenden.
Wenig einladend dominieren Stein und Beton den Platz. Die spärlich angepflanzten Bäume brauchen noch Jahre, bis sie den Besuchern Schatten spenden können. Für Tobias Wolf von der Interessengemeinschaft (IG) Deutz wäre die Errichtung eines Casinos am Ende des Platzes ein Gewinn. „Schätzungsweise 400 000 Besucher würden so nach Deutz kommen“, behauptet er. Mit der Zürich Versicherung auf dem Areal „MesseCity Köln“ sowie der geplanten Ansiedlung zweier neuer Hotels werden zusätzlich viele neue Arbeitsplätze und damit auch Kunden nach Deutz kommen, zählt Wolf weitere positive Entwicklungen im Stadtteil auf. Er schaut positiv in die Zukunft. „Deutz funktioniert zwischenmenschlich noch gut.
Die Vereine helfen einander – bei den Festen oder wenn es um Kontakte in der Verwaltung oder Politik geht.“ Dennoch müssten sich die Einzelhändler in den Deutzer Einkaufsmeilen auf modernes Einkaufsverhalten einstellen, um ihre Läden zu erhalten. Die IG unterstütze sie auch dabei, so Wolf weiter.
Vis-á-vis vom Bahnhof aus blickt man auf Alt-Deutz, das „Dorf“ zwischen Rhein und der riesigen Lanxess-Arena. Nicht alles ist dort mehr so wie früher. Der Stadtteil wandelt sich und ist in den letzten Jahren aus seinem sympathischen „Dornröschenschlaf“ erwacht. Viele Neu-Deutzer sind nicht zuletzt durch die Ansiedlung der großen Fernsehanstalten zugezogen. Nicht allen Deutzern gefällt das. Die Einwohnerschaft verändert sich, die Mieten steigen. Kleine Läden, die früher einmal die Einkaufsmeile „Deutzer Freiheit“ geprägt haben, verschwinden langsam. Und durch die Online-Shops und das veränderte Kaufverhalten der Menschen wird sich das in den kommenden Jahren wohl noch verstärken. Diese Entwicklung sieht auch Detlev Lang durchaus mit Sorge.
Er ist der zweite Vorsitzende der Bürgervereinigung Deutz. „Gott sei Dank hat die Stadt die Neuansiedlung von Spielhallen verhindert.“ Dennoch sinke auf der Deutzer Freiheit die Motivation bei den Immobilieneigentümern, die Mieten auch für unsere Einzelhändler fair zu halten, bedauert Lang.
Dennoch hat sich der dörfliche Charakter an vielen Stellen in Deutz bewahrt – die alten Läden gibt es noch. Die Löwen-Apotheke feierte 2006 ihr 200-jähriges Bestehen. Das Eis schmeckt besonders gut im Eiscafé „Coltamai“, das seit Jahrzehnten am Gotenring angesiedelt ist. Wer sich lieber auf ein Kölsch treffen will, geht ins Lommerzheim („Lommi“) oder „Brauhaus ohne Namen“.
Viele Nachbarn treffen sich wieder auf den beschaulichen kleinen Plätzen wie dem Von-Sandt-Platz oder am „Düxer Bock“. Dort hat die Nachbarschaft vor einigen Jahren eine private Initiative gegründet, um den kleinen Platz am Gotenring wiederzubeleben. „Mittlerweile ist der Platz zu einem tollen Treffpunkt für die Anwohner geworden“, freut sich eine der Beetpatinnen. Das Deutzer Flair ist noch da. Und „su lang beim Lommi die Leechter noch brenne“, wie es die Band „Miljö“ besingen, „su lang stirbt der Deutzer auch nich us“.
Die Geschichte des Veedels Deutz
Konstantin der Große ließ ab 310 das römische Kastell Divitia zum Schutz gegen die Franken errichten. Im Jahre 1003 gründete Erzbischof Heribert die Benediktiner-Abtei Deutz. Als einer der bekanntesten Äbte leitete 1121 bis 1129 Rupert von Deutz das Kloster. Erzbischof Heinrich I. erklärte Deutz 1230 zur Stadt. Im Kölner Krieg 1583 wurde es dann völlig zerstört und 1678 – im Zuge des Friedens von Nimwegen – verschwand die Festung endgültig. Die Preußen belebten ab 1816 die Garnisonsstadt wieder. Sechs Jahre später verband der Vorgänger der 1915 eingeweihten Deutzer Brücke die Stadt zum ersten Mal seit vielen Jahrhunderten wieder mit Köln. 1857 teilte sich die Bürgermeisterei in die Stadt Deutz und Deutz-Land (später Kalk) auf.
Im Laufe des 19. Jahrhunderts regierten drei Bürgermeister in der selbstständigen Stadt. Während das Glücksspiel jenseits des Rheins verboten war, durften die Menschen hier das Schicksal herausfordern, was Deutz den Ruf eines Vergnügungsviertels einbrachte. 1888 konnte sich Deutz dann dem Einfluss des großen Nachbarn nicht mehr entziehen und wurde eingemeindet. Der 1907 eröffnete Rheinhafen sorgte für den industriellen Aufschwung. Heute leben rund 15 000 Menschen in dem seit 1975 zum Bezirk Innenstadt gehörenden Stadtteil.
Die Baustellen des Veedels Deutz
Aktuell wird einiges gebaut im Veedel: und das wird sich auch in den nächsten Jahren fortsetzen Im Herbst 2019 soll der Komplex der Zürich Versicherung auf dem Areal „MesseCity Köln“, zwischen Deutzer Bahnhof und der Koelnmesse bezugsfertig sein. Rund 2600 neue Arbeitsplätze entstehen mit dem Unternehmen. Zusätzlich werden sich zwei neue Hotels mit etwa 500 Zimmern und Appartements ansiedeln. Gegenüber vom Bahnhof soll Ende des Jahres mit den Bauarbeiten für den neuen Büroturm des Landschaftsverbands Rheinland mit mehr als 300 Arbeitsplätzen begonnen werden. Und das neue Gemeindezentrum in unmittelbarer Nachbarschaft zum „Deutzer Dom“ St. Heribert befindet sich bereits im Bau. Hier soll ein Zentrum für Gläubige sowie ein Veranstaltungsraum für Vereine und sonstige Events für ganz Deutz entstehen. Ein Großprojekt ist der geplante Umbau des Deutzer Hafens in ein attraktives neues Viertel am rechten Rheinufer. Nach ersten Planungen sollen rund 3000 Wohnungen gebaut werden, für etwa 7000 Menschen. Zudem sollen rund 6000 Arbeitsplätze im Einzelhandel, in Büros oder Bildungseinrichtungen entstehen. Aber das ist noch Zukunftsmusik.