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Veedels-CheckZollstock – eine Insel der Ruhe mitten in Köln

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Der Kalscheurer Weiher in Zollstock

Zollstock – „Na, dann schauen wir doch mal beim Jupp vorbei“, sagt Michael Siegenbruck und läuft in Richtung Herthastraße. Auf dem Weg bleibt er immer wieder stehen, grüßt Bekannte und Nachbarn oder erzählt stolz, dass Zollstock sogar einen eigenen Handarbeitsladen hat. Der 45-Jährige hat viele Freunde hier im Veedel.

Einer davon ist eben Joseph „Jupp“ Hilche. Die rührende Geschichte des Rentners und seiner Schäferhündin Laika ging im Mai dieses Jahres durch viele Medien: 19 Jahre lang stand eine braune Holzbank vor Hilches Haus. 19 Jahre lang war sie seine direkte Verbindung ins Veedel. Doch im Frühjahr erstattete jemand Anzeige. Anonym. Das Ordnungsamt taucht plötzlich vor Hilches Haus auf, misst Abstände, kontrolliert Richtlinien und stellt fest: Die Bank muss weg. Ein Schock für den 81-Jährigen.

Er erzählt seinem Freund Michael Siegenbruck von dem Drama. Der kann es kaum glauben und wendet sich an die Presse. Plötzlich ist Hilches Bank der Mittelpunkt des Veedels. Kamerateams und Fotografen tauchen auf, ganz Köln weiß Bescheid – das bedeutet Druck für das Ordnungsamt. Am Ende darf die Bank bleiben. „Nur durch Michaels Hilfe“, sagt Hilche, für den Zollstock „das schönste Veedel in ganz Köln“ ist.

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Häuser an der Kierberger Straße in Zollstock

Es ist nur eines von vielen Beispielen, die zeigen, wie sehr sich Michael Siegenbruck für sein Veedel einsetzt. Dabei kommt er ursprünglich aus Ostfriesland, zog erst vor 15 Jahren aus Liebe zu seiner Ehefrau nach Zollstock. Seit knapp fünf Jahren betreibt er neben einer Eventagentur nun ein Spielwarengeschäft. In Zeiten von Amazon und Ebay ein mutiger Schritt. Doch für Siegenbruck ergab das damals Sinn. „Es gibt ja solche Läden kaum mehr in Köln. Und ich wünsche mir, dass wieder mehr in richtigen Geschäften gekauft wird und nicht im Internet.“ Seit diesem Schritt ist sein Kontakt zum Rest des Veedels noch viel intensiver geworden. „Wenn die Leute Probleme haben, kommen sie zu mir. Dann heißt es oft ,Michael, schau mal, was können wir da machen?“ Ich versuche das dann zu regeln oder gebe die Anliegen an die Politik weiter.“ Siegenbruck ist nicht der einzige, der sich in Zollstock, womöglich Kölns hilfsbereitestem Veedel, engagiert. Bodo Schmitt und Ulrich Bauer sind im Vorstand des Allgemeinen Bürgervereins Zollstock. Sie haben es sich zur Aufgabe gemacht, die Interessen aller Zollstocker Bürgerinnen und Bürger zu vertreten – egal welcher Herkunft oder Religion. Ein wichtiges und leidiges Thema für den Bürgerverein zur Zeit: Der Fahrplan der Linie 12. Die KVB-Linie fährt momentan zwischen 23 und 24 Uhr nur halbstündlich.

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Jupp Hilche (l.) und Michael Siegenbruck auf der berühmten Bank Zollstocks

Das reicht nicht, „gerade, weil hier viele junge Leute wohnen“, weiß Bauer. Für eine Fahrplanänderung der Linie 12 hatte der Bürgerverein bereits Unterschriften gesammelt. Doch im August dann die Ernüchterung: Seitens der KVB hieß es, das gesamte Streckennetz werde überprüft, um alle Stadtteile gleich zu behandeln. Eine höhere Taktung der Linie 12 würde außerdem – wenn überhaupt – erst 2019 passieren.

Bauer wohnt seit 15 Jahren in Zollstock, kam 1995 nach Köln und ist mittlerweile Vorsitzender des Bürgervereins. Sein Kollege Schmitt wohnt noch mal rund 20 Jahre länger hier. Ein Sprachrohr für Zollstock wollen beide mit dem Bürgerverein sein. Der 57-jährige Schmitt hat es sich zur Aufgabe gemacht, dafür zu sorgen, dass die Vereine und Kirchen in Zollstock gut vernetzt sind. Bauers Themen sind unter anderem Stadtentwicklung und Verkehr – die Linie 12 ist da ganz oben auf seiner Liste: „Es gibt in Köln kein Bewusstsein dafür, wie groß unser Veedel eigentlich ist. Das sind nicht nur ein paar Menschen, die abends fahren wollen.“Dass Zollstock groß ist und immer größer wird, ist eine spannende Entwicklung, mit der sich der Bürgerverein auseinandersetzen muss.

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Knotenpunkt im Veedel Zollstock: Höninger /Gottesweg

„Wir hatten deutliche Zuwächse in den vergangenen Jahren. Viele Familien, aber auch Studenten. Dazu kommt, dass nur 51 Prozent in Zollstock Christen sind“, erklärt Bauer. Für ihn sei es wichtig, dass in seinem Verein ein Querschnitt der Bürgerinnen und Bürger im Veedel abgebildet sei. Schmitt setzt sich deswegen vor allem dafür ein, auch Menschen anderer Kulturen und Religionen für den Bürgerverein zu gewinnen.

Dennoch haben auch die Zollstocker das Problem, das viele Vereine haben: Überalterung. Dabei schätzen Schmitt und Bauer sehr, dass junge Menschen nach Zollstock ziehen. „Das macht das Veedel lebendig“, sagt Schmitt. Trotzdem sei es hier immer noch etwas ruhiger als an anderen Studenten-Hotspots wie Ehrenfeld oder Sülz. „Hier brummt das Leben, aber es ist nicht ganz so hektisch“, erklärt Bauer. Das sieht auch Michael Siegenbruck so. Er verbringt gerne Zeit im Vorgebirgspark, um runter zu kommen. Oder er geht zum Rosenzweigspielplatz mit seinen Kindern. „Hier gibt es eben einige schöne, grüne Oasen“, sagt er. Der Rest von Köln nehme Zollstock oft als verschlafen war. Siegenbruck glaubt, dass das nicht ganz falsch ist.

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Bodo Schmitt und Ulrich Bauer (l.) vom Allgemeinen Bürgerverein wünschen sich eine engere Taktung der Linie 12.

„Wir sind verschlafen, aber auf eine schöne Art und Weise. Wir wollen uns das auch ein bisschen beibehalten. Eine Insel der Ruhe mitten in Köln.“

Eine Insel der Ruhe, die einmal im Jahr alles andere als ruhig ist. Obwohl Siegenbruck gebürtiger Ostfriese ist – im Karneval geht er mittlerweile richtig auf. Sogar seine Freunde aus der Heimat kämen jedes Jahr zur fünften Jahreszeit nach Köln. In den vergangenen Jahren ist der Dienstagszug im Veedel von 250 auf 1000 Leute gewachsen.

Das habe auch und vor allem am Zollstocker Sommerfest gelegen, das Siegenbruck mit Freunden vor rund acht Jahren ins Leben rief. Seine Idee: Die Menschen im Veedel zusammenbringen und für mehr Gemeinschaft sorgen. Die Einnahmen des Festes gehen an den Dienstagszug, auch Kindergärten und Schulen werden unterstützt.

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Der Vorgebirgspark in Zollstock

„Früher war Zollstock ein Veedel, wo viele mal so für zwei Jahre gewohnt haben. Jetzt bleiben die Menschen – gerade die Familien fühlen sich hier wohl.“ Im Vergleich zur ostfriesischen Dorfheimat, wo es mit Mitte 20 schon darum gehe, Häuser zu bauen und Besitz zu haben, interessiere es in Köln niemanden, wie viel oder wie viel man eben nicht hat. Diese Offenheit sei auch und gerade in Zollstock besonders stark ausgeprägt.

Die Geschichte des Veedels Zollstock

Warum heißt Zollstock eigentlich Zollstock? Zollstöcke wurden frühere kleine Zollhäuser genannt. Ein solches stand im 19. Jahrhundert an einer Kreuzung von einem Feldweg mit dem Bischofsweg, der zu der Zeit rund um Köln führte. So ein kleines Zollhäuschen ziert auch heute noch das Zollstocker Wappen – gemeinsam mit den drei Kronen des Kölner Stadtwappens. Entworfen wurde es in den 20er Jahren von Josef Rosenzweig, dem ursprünglichen Gründer des Zollstocker Bürgervereins. Damals gehörte das heutige Veedel schon zur Stadt Köln. Die Eingemeindung erfolgt im Jahr 1888, vorher gehörte es zur Gemeinde Rondorf. Doch zu dieser Zeit standen noch keine Wohnhäuser auf dem Gebiet. Die ersten wurden um 1900 gebaut. In den 20er Jahren wurden dann richtige Wohnsiedlungen gebaut, die man bis heute bestaunen kann, wenn man durch Zollstock läuft – beispielsweise an der Pohligstraße. (luh)

Die Baustellen des Veedels Zollstock

Im Vergleich zu vielen anderen Veedelsbewohnern wirken die Zollstocker zufriedener. Klar, hier und da könnte man auch hier etwas verbessern – die Baustelle am Höninger Weg nervt zum Beispiel die Geschäftsleute, die Mieten steigen so wie im Rest von Köln – mittlerweile liegt der Quadratmeterpreis für Kaltmieten bei 10,86 Euro im Durchschnitt.Die Aufregung war auch groß, als die Postbankfiliale geschlossen werden sollte. Aber alles in allem scheint hier noch vieles gut zu sein.

Die Postfiliale befindet sich mittlerweile in Michael Siegenbrucks Spielwarenladen. „Wenn ich mir etwas wünschen darf“, sagt Siegenbruck, „Dann wäre das mehr gute Gastronomie wie in Sülz oder Lindenthal. Wir haben ein paar gute Restaurants, aber Konkurrenz schadet nie.“ Auch sei es schade, dass selbst in Zollstock viele Einzelhändler schließen und größere Ketten auf wichtigen Straßen wie dem Höninger Weg öffnen. Siegenbruck appelliert deswegen an seine Nachbarinnen und Nachbarn im Veedel: „Kauft bei den Zollstocker Lädchen!“

In der nächsten Zeit sollen außerdem weitere Flüchtlinge nach Zollstock kommen und in neuen Unterkünften leben. Eigentlich kein Problem, doch: „Auf Facebook gibt es da so ein paar Leute, die sich dagegen wehren wollen“, erzählt Siegenbruck. „Aber das sind nur ein paar wenige, die sich im Internet trauen, laut zu sein – das ist nicht Zollstock!“ (luh)