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Trump, Kriege, VerkehrswendeKölner Rosenmontagszug begegnet den vielen Krisen mit Liebe

Lesezeit 4 Minuten
Der neue Zugleiter Marc Michelske mit zwei Zeichnungen der Persiflagewagen.

Der neue Zugleiter Marc Michelske mit zwei Zeichnungen der Persiflagewagen.

Die Liebe ist der rote Faden, an dem sich die Persiflagewagen des Festkomitees orientieren. Den neuen Zugleiter erwarten direkt zum Einstand spezielle Umstände.

Liebe wird in der Luft liegen, wenn der Rosenmontagszug in knapp zwei Wochen durch die Kölner Straßen zieht - in all ihren Ausprägungen. Angelehnt an das Sessionsmotto „FasteLOVEnd – Wenn Dräum widder blöhe“ ist die Liebe der rote Faden, an dem sich die Persiflagewagen des Festkomitees orientieren. Für Zugleiter Marc Michelske ist es der erste Zug in seiner neuen Position. Und es ist direkt einer, der unter ganz besonderen Umständen stattfindet. Eine Woche vor dem „Zoch“ steht die Bundestagswahl an. Sobald der Ausgang klar ist, wird unter Hochdruck ein weiterer Wagen entstehen.

Die EU findet bei Asyl und Migration keine gemeinsame Linie und würde das Thema nach Meinung der Jecken am liebsten auf eine einsame Insel verbannen.

Die EU findet bei Asyl und Migration keine gemeinsame Linie und würde das Thema nach Meinung der Jecken am liebsten auf eine einsame Insel verbannen.

Aber auch abseits der Wahl mangelt es den Kritzelköpp, dem Kreativteam des Festkomitees nicht an Themen, bei denen es sich lohnt, den Finger in die Wunde zu legen und den Mächtigen den Spiegel vorzuhalten. „Es wird immer wieder von Krisen gesprochen. Aber wenn Krisen ein Dauerzustand werden, dann handelt es sich nicht mehr um Krisen, sondern einfach um die Normalität“, sagt Michelske.

Pressekonferenz zum Koelner Rosenmontagszug

Pressekonferenz zum Koelner Rosenmontagszug

Der Blick auf die regionalen Themen beginnt bei einem Wagen, der die im Herbst scheidende Oberbürgermeisterin Henriette Reker zeigt. Mit „Bye bye, my Love“ ist der Wagen betitelt. Das sei tatsächlich ernst gemeint, der Austausch mit ihr sei schließlich oft sehr gut gewesen, betont der Zugleiter. Auf der anderen Seite ist da der lange Hermelinmantel mit Hinterlassenschaften, die sie an ihre Nachfolgerin oder ihren Nachfolger übergeben wird.

Kölner Rosenmontagszug: Verkehrswende „für den Arsch“

Sehr eindrücklich beschreibt das Festkomitee den aktuellen Stand der Verkehrswende in Köln. In der Diskussion um die Ost-West-Achse scheinen die Kritzelköpp auf der Seite der Tunnel-Befürworter zu sein. Nur, dass der Tunnel, in den die Busse und Bahnen der KVB fahren, kein Tunnel ist, sondern ein blankes Hinterteil. Fazit: „Alles für den Arsch.“

„Willkommen in der schönsten Stadt Deutschlands“ heißt in Anlehnung an FC-Stadionsprecher Michael Trippel auf dem Wagen, der die vermüllte Innenstadt thematisiert.

Pressekonferenz zum Koelner Rosenmontagszug

Trückende Last: Dieser Rosenmontagswagen befasst sich mit Kölner Großprojekten.

Weil Unsummen in die Baustellen der Oper und diverser städtischer Museen fließen, fehlt das Geld an anderer Stelle, beispielsweise in der Kultur, auf deren Schultern die vielen unfertigen Großprojekte auch weiterhin Millionen verschlingen werden.

Über „Liebesgrüße aus Moskau“ freuen sich AfD-Spitzenkandidatin Alice Weidel und BSW-Vorsitzende Sahra Wagenknecht, die in einem von Putin befüllten Geldkoffer sitzen. Weidel bekommt noch einen weiteren Auftritt, nämlich auf dem zum Hitlergruß ausgestreckten Arm des reichsten Mannes der Welt, Elon Musk.

Das Missbrauchsthema in der Kirche wird in diesem Jahr nicht auf Köln heruntergebrochen, sondern als globales Problem aufgegriffen. „Wir denken dabei an Vorkommnisse in Irland, in Südamerika, Kanada und in den USA. Und das sind nur die Fälle, die uns allen direkt einfallen“, sagt Michelske. Auf der Persiflage ragt die Hand eines Priesters aus einem Beichtstuhl heraus, die versucht, einen Messdiener hinein zu locken. „Jesus liebt dich“ lautet die Überschrift. Für Michelske nimmt diese Persiflage eine besondere Rolle ein. Die Gemeinde als Halt gebender und positiv besetzter Ort sei für ihn sehr wichtig. Dazu gehörten auch die Menschen, die sich dort ehrenamtlich engagieren. „Die nicht aufgearbeiteten Missbrauchsfälle schaden im Endeffekt auch diesen Menschen, die sich dort einbringen.“

Diese Skizze zeigt den geplanten Motivwagen zum Thema Missbrauch in der Kirche für den Rosenmontagszug.

Diese Skizze zeigt den geplanten Motivwagen zum Thema Missbrauch in der Kirche für den Rosenmontagszug.

Trumps Freakshow und Liebe gegen Kriege

Die EU findet bei Asyl und Migration keine gemeinsame Linie und würde das Thema nach Meinung der Jecken am liebsten auf eine einsame Insel verbannen, um sich nicht mehr kümmern zu müssen. Eine „Amour fou“, also eine obsessive Liebe ist „Donalds Freakshow“ in den USA. „Wir haben dort einen Narzissten, der mit weiteren Narzissten die Verwaltung umkrempelt“, sagt Michelske. Trump nimmt die Freiheitsstatue und Justicia, die Göttin der Gerechtigkeit, an die Kette und zeigt der Welt den Mittelfinger.

Für Hoffnung mit Blick auf die diversen Kriegsschauplätze dieser Welt sorgt dagegen die Friedenstaube mit dem Slogan „Mehr Liebe Wagen“. Mit einem dicken roten Herz versucht sie, das Kugelstoßpendel aus Bomben zu stoppen.

Teil des „Zochs“ wird auch ein Wagen der AG Arsch Huh sein, unter anderem fahren Musiker von Brings, Miljö und den Höhnern mit. Teil des Wagens sind verschiedene Demokratie-Botschaften. Ein Beispiel: „Kölsche Mädcher, kölsche Junge, sin divers auch jot jelunge.“


Rosenmontags-Spange

19 neue Persiflagewagen sind Teil des Rosenmontagszugs, sechs weniger als im Vorjahr. Das abgespeckte Programm ist durch die in allen Bereichen gestiegenen Kosten zu erklären. Langfristig sei der Rosenmontagszug derzeit finanziell nicht gesichert, betont Michelske. Das Festkomitee plant mit jährlichen Kosten von über 3,5 Millionen Euro. Weil der Zug weiterhin werbefrei bleiben soll, müsse man andere Lösungen finden.

Die Rosenmontags-Spange in Bronze, Silber und Gold.

Die Rosenmontags-Spange in Bronze, Silber und Gold.

Eine Idee, die in diesem Jahr getestet wird, und deren Grundidee aus der Baseler Fasnacht stammt: eine Rosenmontagszug-Spange. Die gibt es in drei Ausführungen – in Bronze, Silber und Gold – und wird für 10, 25 oder 50 Euro am Zugweg verkauft. Alle Einnahmen fließen direkt in die Organisation des Rosenmontagszuges.