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Rundschau-Debatte des TagesWie helfen die EU-Milliarden dem Nahen Osten?

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Palästinensische Gebiete, Gaza-Stadt: Palästinenser versammeln sich um einen großen Krater nach einem israelischen Angriff auf eine Metallwerkstatt im Stadtteil Zaytun in Gaza-Stadt.

Palästinensische Gebiete, Gaza-Stadt: Palästinenser versammeln sich um einen großen Krater nach einem israelischen Angriff auf eine Metallwerkstatt im Stadtteil Zaytun in Gaza-Stadt.

Die Brüsseler Kommission hat neue Finanzhilfen für die Palästinenser im Gazastreifen und im Westjordanland angekündigt – in Höhe von bis zu 1,6 Milliarden Euro. Das Geld soll zur Stabilisierung der Gebiete beitragen. Doch die Kämpfe gehen weiter.

Geld gilt in der Europäischen Union traditionell entweder als Zauber- oder als letztes Mittel, um Veränderung anzustoßen oder sich Einfluss zu verschaffen. Vor diesem Hintergrund dürfte denn auch die Ankündigung verstanden werden, dass Brüssel die finanzielle Unterstützung für die Palästinensische Autonomiebehörde erhöht. So plant die EU, ein neues Hilfspaket von bis zu 1,6 Milliarden Euro für die Nahost-Region zu schnüren, um ihre „unerschütterliche Unterstützung für das palästinensische Volk und ihr Engagement für einen dauerhaften und nachhaltigen Frieden auf der Grundlage der Zwei-Staaten-Lösung“ zu bekräftigen.

Geld für „Meilensteinen und Reformen“

Das Programm erstreckt sich über den Zeitraum 2025 bis 2027. 1,2 Milliarden Euro der Mittel sollen Zuschüsse sein, bis zu 400 Millionen Euro wären Darlehen der Europäischen Investitionsbank und des Europäischen Fonds für nachhaltige Entwicklung. Das gab die EU-Kommissarin für das Mittelmeer, Dubravka Šuica, beim Außenministertreffen in Luxemburg bekannt. Das Geld sei an Bedingungen geknüpft, versicherte sie. In typischer EU-Sprache war die Rede von „Meilensteinen und Reformen“.

Baerbock fordert „Aufbau ohne Hamas“

An den Gesprächen nahm auch der palästinensische Ministerpräsident Mohammed Mustafa teil. Die Forderungen an ihn dürften insbesondere in Bezug auf die radikalislamische Hamas klar gewesen sein, die seit 2007 allein im Gazastreifen herrscht. Es sei wichtig, so formulierte es Bundesaußenministerin Annalena Baerbock, dass die Palästinensische Autonomiebehörde deutlich mache, dass sie an einem „Aufbau ohne Hamas interessiert“ sei. Sicherheit im Nahen Osten müsse für beide Seiten, also Israelis und Palästinenser, garantiert sein, was bedeute: „ein Gaza ohne Hamas-Strukturen“, so die Grüne.

Israels Politik verschärft Finanzkrise

Die Gemeinschaft setzt Hoffnungen in Mustafa, den ehemaligen Weltbank-Ökonom, der bei seinem Amtsantritt im vergangenen Jahr Veränderungen versprochen hatte. Die Finanzkrise verschärft sich in Ramallah zunehmend seit der Entscheidung Israels, einen beträchtlichen Teil der Steuereinnahmen einzubehalten, die Jerusalem nach den Angriffen am 7. Oktober 2023 im Namen der Autonomiebehörde kassiert. 620 Millionen Euro sieht Brüssel nun für die finanzielle Unterstützung und eine Reform der Palästinensischen Autonomiebehörde vor. Knapp 580 Millionen Euro würden für „Resilienz und Wiederaufbau“ des Westjordanlands und des Gazastreifens bereitgestellt, hieß es.

Wieviel Hilfe kommt in Gaza an?

Unklar bleibt jedoch, wie viel von diesem Geld die notleidenden Menschen angesichts des anhaltenden Kriegs im Gazastreifen wirklich erreichen wird. Seit Anfang März blockiert Israel die Einfuhr von Hilfsgütern in das abgeriegelte Gebiet, nachdem ein Waffenstillstandsabkommen mit der Hamas gescheitert war. Darüber hinaus startete Israel eine neue Bodenoffensive und übernahm die Kontrolle über weitere Teile des Gazastreifens. Hunderttausende Palästinenser sind auf der Flucht. Baerbock beschrieb die Situation als „wieder einmal katastrophal“. Man müsse „dringend zu einem Waffenstillstand zurückkommen“, forderte sie.

EU ist größter Geldgeber der Palästinenser

Laut Šuica wolle man „die Regierungsführung und den wirtschaftlichen Aufschwung fördern und das Wachstum der lokalen Privatwirtschaft ankurbeln“. Eine gut funktionierende und reformierte Palästinensische Autonomiebehörde müsse „eine zentrale Rolle bei der Verwaltung des Gazastreifens in der Nachkriegszeit spielen“. Die EU ist nach eigenen Angaben weltweit deren größter Geldgeber. Ohne die Hilfen aus Brüssel könnte der von der Fatah dominierte Apparat in Ramallah kaum funktionieren. Dabei fließt der größte Teil der Fördermittel in die Bezahlung von Gehältern und Pensionen, auch wenn die Regierung seit Jahren wegen Korruption und mangelhafter Verwaltung in der Kritik steht. Gleichwohl hat sie aber nur eine begrenzte Selbstkontrolle über einige Gebiete im Westjordanland. Es steht seit Ende des Sechstagekriegs 1967 unter israelischer Militärbesatzung. Und radikale Siedler übernehmen – mit der Förderung der israelischen Regierung – immer größere Teile der besetzten Gebiete.

Brüssel muss auf Ausgewogenheit achten

Dementsprechend bleiben die Aktivitäten der EU eine Balanceakt. Zwar hoffen die Europäer auf eine aktivere Rolle im Friedensprozess im Nahen Osten, aber der Kreis der 27 Mitgliedstaaten ist gespalten bei der Frage nach dem richtigen Umgang. Deshalb versucht die Gemeinschaft, ihr diplomatisches Engagement ausgewogen zu halten. Hinzu kommt, dass sich Kommission nicht vorwerfen lassen will, dass ihre Millionen in einem korrupten System versickerten oder, schlimmer noch, dass sie versehentlich Terroristen durch ihre Entwicklungshilfe mitfinanziert. Der Vorwurf wurde nach dem Angriff der Hamas auf Israel vor eineinhalb Jahren laut – und hatte die Behörde überraschend unvorbereitet getroffen. In der Folge sah sich die Kommission gezwungen, eine Prüfung in Auftrag zu geben. Das Ergebnis lautete: Es gebe keine Hinweise auf „direkte oder indirekte“ Verbindungen zwischen der finanziellen Unterstützung von Seiten der EU und Terrorgruppen.