Siegburg – Nur ein paar Tage älter als zwei Jahre wurde die Ampelkoalition im Siegburger Rat: Jetzt teilte die Fraktion der Grünen mit, dass sie das Regierungsbündnis mit SPD und FDP verlassen werden.
Zwar habe man „nach außen geräuschlos und im ersten Jahr durchaus erfolgreich gearbeitet“, bilanziert Fraktionschefin Astrid Thiel. Aber: „Hinter den Kulissen ging es oft nicht so harmonisch zu. Erbitterte Auseinandersetzungen, Drohungen und Anfeindungen gegenüber den Grünen waren im Koalitionsausschuss an der Tagesordnung.“
Auseinandersetzungen auf dem Höhepunkt
Die Auseinandersetzungen hätten ihren Höhepunkt erreicht, als die FDP im wöchentlich tagenden Koalitionsausschuss angedroht habe, „für die Sanierung des Schulzentrums Neuenhof nicht mehr den Arm heben zu wollen“ – aus Sicht der Grünen sei das aber ein elementar „wichtiges Projekt“.
Thiel wirft der FDP eine „arrogante Blockadehaltung“ vor. In Fragen der Personalpolitik, Finanzen und im Umgang mit den Stadtbetrieben habe man sich unversöhnlich gegenübergestanden, beim Wohnungsbau und dem Umgang mit dem wohnungspolitischen Handlungskonzept habe es ebenfalls große Differenzen gegeben.
Die Entscheidung für eine Ampel sei nach der Kommunalwahl 2020 zwar richtig gewesen, betonte Thiel. „Doch nach zwei Jahren permanenter Auseinandersetzungen ist das Betriebsklima durch die Fraktionsspitzen von SPD und FDP dermaßen vergiftet, dass uns eine Zusammenarbeit innerhalb der Koalition nicht mehr möglich ist.“
Überraschung und Enttäuschung
SPD Fraktionschef Frank Sauerzweig zeigte sich in einer ersten Reaktion „überrascht und enttäuscht“. Er habe die Situation so nicht wahrgenommen, auch wenn es in der Sache harte Diskussionen gegeben habe. „Am Ende wurde aber immer eine Verständigung erzielt.“ Er bedauere, dass die vertrauensvolle Zusammenarbeit nicht genutzt worden sei, um strittige Dinge anzusprechen.
Bürgermeister Stefan Rosemann (SPD) stellt sich auf neue Konstellationen im Stadtrat ein, sehe das in seiner Funktion als neutraler Bürgermeister aber „relativ leidenschaftslos“. Enttäuscht sei er durchaus, da er sich als einer der Architekten der Ampel gesehen habe. Dass die Debatte um die Sanierung des Schulzentrums Neuenhof zu einem Bruch der Koalition führen könnte, damit habe er nicht gerechnet.
Verwunderung bei der FDP
Auch Frank Michael Müller, Parteichef der Siegburger FDP, wundert sich über die Begründung. Beim wohnungspolitischen Handlungskonzept habe es „keinerlei Dissens“ mit den Grünen gegeben. Und die Sanierung des Schulzentrums habe die FDP keineswegs verhindern wollen. „Wir müssen bei Kosten von 120 Millionen Euro aber genauer hinsehen“ – dazu habe man auch das Gespräch mit dem Leiter der Studiobühne René Böttcher gesucht, der mit einem „Theaterschatz“ aus Studiobühne, Schauspielschule und dem Kinder- und Jugendtheater Tollhaus am Schulzentrum heimisch werden soll.
Müller nennt einen anderen Streitpunkt: So solle eine „enge Verwandte“ von André Kuchheuser, Vorstand der Stadtbetriebe, mit Unterstützung der Grünen stellvertretende Vorständin werden, wogegen sich die FDP wehre. „Die Stadtwerke sind kein Familienbetrieb, in dem man Verwandte einstellt oder in eine solche Position bringt“, sagte der Fraktionsvorsitzende Matthias Horn. „Dabei geht es uns nicht darum, ob ein Verwandter kompetent ist, sondern darum, dass unserer Meinung nach enge Verwandte in Unternehmen, insbesondere öffentlichen, nicht direkt zusammenarbeiten dürfen.“
Müller: „Wir hoffen, dass wir – und der gesunde Menschenverstand! – sich hier durchsetzen.“ André Kuchheusers Schwester Claudia arbeitet bei den Stadtbetrieben derzeit als Referatsleiterin.