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NRW investierte 20 Millionen EuroCum-Ex-Prozessgebäude in Siegburg in Rekordzeit fertig

Lesezeit 4 Minuten
Sechs Männer halten einen symbolischen Schlüssel

Doppeltes Gruppenbild mit Schlüssel: (v.r.) Architekt Josef Rotthoff, Oberlandesgerichtspräsident Dr. Bernd Scheiff, Volker Müller (GWG), Justizminister Dr. Benjamin Limbach, Landgerichtspräsident Dr. Stefan Weismann und Siegburgs Bürgermeister Stefan Rosemann.

Der erste Cum-Ex-Prozess beginnt in Siegburg voraussichtlich im März. Die Filiale des Landgerichts Bonn wurde in Rekordzeit hochgezogen.

Nur 18 Monate dauerte es vom ersten Spatenstich bis zur Eröffnung, und schon im März wird in Siegburg voraussichtlich der erste Cum-Ex-Prozess beginnen. Etwa 20 Millionen Euro investierte das Land Nordrhein-Westfalen in den eigens für die Wirtschaftsstrafsachen errichteten Neubau auf dem alten Amtsgerichtsparkplatz. Gut angelegtes Geld, meinte NRW-Justizminister Benjamin Limbach.

Es sei ein „auch optisch herausragendes Gebäude geworden, transparent, modern, offen für die Menschen: So sollte die Justiz sein“. Die Ermittlungen hätten im Laufe der Jahre einen solchen Umfang angenommen, dass für die Akten eine Halle habe angemietet werden müssen, so Limbach.

Siegburg als „Musterbeispiel für die öffentliche Hand“ gelobt

Anfangs habe man die komplexen Steuergeschäfte noch gar nicht so richtig einordnen können, sagte der Präsident des Landgerichts Bonn, Stefan Weismann: „Cum Ex-Geschäfte kannte ich nur aus dem Wirtschaftsteil der Zeitung.“ Dass die Strafverfolgung der richtige Weg ist, das habe zweifelsfrei erst ein BGH-Urteil aus 2020 gezeigt, das die Bonner Rechtssprechung bestätigte.

Schnell waren es 400 Angeklagte, derzeit sind es mehr als 1500, und zehn Wirtschaftsstrafkammern beschäftigten sich das ganze Jahr ausschließlich mit den Betrugsfällen im großen Stil. Die verursachten einen geschätzten Schaden von 155 Milliarden Euro; Hauptgeschädigter: der deutsche Staat und mit ihm jeder Steuerzahler. Das Prozessgebäude sei ein weithin sichtbares gutes Zeichen dafür, „dass der Rechtsstaat auch vor komplexen Straftaten nicht kapituliert“, betonte Weismann.

Vor fünfeinhalb Jahren gab es laut dem Landgerichtspräsidenten erste Überlegungen, zusätzliche Räume für die künftige Menge an Hauptverhandlungen anzumieten oder neu zu bauen. Dann fiel die Wahl auf Siegburg. Eine gute Entscheidung, so Weismann, nicht nur wegen des nahen ICE-Bahnhofs, der für kurze Wege nach Köln und - wichtig für Wirtschaftsstraftaten - in die Bankenstadt Frankfurt stehe.

Ein neues Prozess-Gebäude mit der Aufschrift Landgericht Bonn

Die Aufschrift sorgte schon während der Bauphase für Irritationen, Lkw-Fahrer landeten nicht in Siegburg, sondern in der Bundesstadt.

Er lobte die Abwicklung des Bebauungsplanverfahrens in der Siegburger Stadtverwaltung als ein „Musterbeispiel für die öffentliche Hand“. Es sei der Stadt gelungen, auch die Nachbarschaft einzubinden, die nicht begeistert gewesen sei, dass schöne, große Bäume auf dem Parkplatz für den Neubau weichen mussten. „Man hätte sich vorstellen können, wie schnell ein Frosch, ein Lurch oder ein Vogel hier nistet - und das Bauprojekt wäre zu Ende gewesen.“

Siegburger Bürgermeister Stefan Rosemann sieht die Stadt durch den Neubau in ihrer Zentrenfunktion gestärkt, Siegburg werde nun auch überregional wahrgenommen. Er begrüße die Cum-Ex-Prozesse: „Es wäre auch mehr Geld für die klammen Kommunen da, wenn nicht Superreiche den Fiskus betrogen hätten.“

Nicht jeder Lkw einer Baufirma ist in Siegburg angekommen

Gewöhnungsbedürftig sei nur die Schrift „Landgericht Bonn“ über dem Eingang. Dass das Prozessgebäude zum Landgericht gehört, habe auch zu Irritationen bei den Baufirmen geführt, schilderte Volker Müller von der Gummersbacher Wohnungsbaugesellschaft (GWG): „Nicht jeder Lkw ist in Siegburg angekommen.“

Noch vor einer Woche habe es hier noch ganz anders ausgesehen, bis zum Schluss sei gewerkelt worden, und bis zum ersten Prozess müssten noch Restarbeiten erledigt werden, sagte Stefan Weismann. So hallte die Mikrofonanlage vernehmlich, und auf dem Parkett lagen Feinstaubreste. „Das wird noch geputzt und geölt.“

Er sprach auch die nötige Sanierung des benachbarten Amtsgerichts und Arbeitsgerichts an, für die es allerdings noch keinen Zeitplan gibt. „Ein modernes und ein marodes Gebäude nebeneinander, das ist nicht gut.“

Der Massivbau an der Bahnhofstraße, geplant von Architekt Josef Rotthoff und in einer Öffentlich-Rechtlichen Partnerschaft realisiert von der GWG, bietet im ersten Stock einen Sitzungssaal mit 300 Quadratmetern Fläche. In ihm befinden sich auf der rechten Seite drei Sitzreihen mit 24 Plätzen für Angeklagte und Verteidiger, gegenüber sechs Plätze für die Anklagebehörde, außerdem eine schalldichte Kabine für Dolmetscher mit zwei Plätzen - und reichlich Raum für Zuschauer. Bei der Eröffnungsfeier standen im hinteren Bereich rund 120 Stühle.

Auf zwei große Leinwände im Saal, eine hinter der Richterbank, eine rechts, kann das Geschehen mittels einer an der Decke installierten Kamera übertragen werden. Bei sehr großem Interesse können Zuschauer die Verhandlung auch in einem der beiden 220 Quadratmeter großen Säle in der zweiten Etage verfolgen. Wird die Trennwand entfernt, entsteht ein doppelt so großer Saal.

Es gibt außerdem Arbeitsräume für die Richter, Gewahrsamszellen und Vorführräume. Die Säle könnten auch andere Gerichte im Bezirk Köln nutzen, stellte der Präsident des Oberlandesgerichts, Bernd Scheiff, in Aussicht.