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Prozess am Landgericht BonnAnklage fordert zwölf Jahre Haft für Hilfspfleger

Lesezeit 4 Minuten
Im Bonner Landgericht sitzt der mutmaßliche Täter, der im August 2024 in Hennef eine 81-Jahre alte Frau beraubt und vergewaltigt haben soll, zwischen seinen Verteidigern auf der Anklagebank.

Der angeklagte Hilfspfleger beim Prozessauftakt: Der 30-Jährige soll im August 2024 in Hennef eine 81-Jahre alte Frau beraubt und vergewaltigt haben.

Im März soll das Urteil gegen einen 30-Jährigen fallen, der eine Hennefer Seniorin vergewaltigt haben soll. Die Anklage fordert zwölf Jahre Haft.

Die von der Staatsanwältin beantragten zwölf Jahre Haft kratzen deutlich am oberen Ende des Strafrahmens, der für erpresserischen Menschenraub von fünf bis 15 Jahren Freiheitsstrafe reicht. Und auch der Antrag auf anschließende Sicherungsverwahrung ist alles andere als Standard im Justizalltag und Verbrechern mit einem Hang zu erheblichen Straftaten vorbehalten.

Die Tat, die gerade Gegenstand eines aufsehenerregenden Verfahrens vor der 3. Großen Strafkammer am Bonner Landgericht ist, ist außergewöhnlich: Einem 30-jährigen Hilfspfleger aus Polen wird von der Staatsanwaltschaft vorgeworfen, am 2. August vergangenen Jahres die 81-jährige Frau eines Hennefer Pflegebedürftigen ausgeraubt und vergewaltigt zu haben.

Gericht schenkt Aussagen des Angeklagten keinen Glauben

Während in der Anklage noch von schwerem Raub und räuberischer Erpressung die Rede ist, könnte der Angeklagte nun auch wegen des eingangs erwähnten Straftatbestands des erpresserischen Menschenraubes verurteilt werden. Das jedenfalls beantragte die Staatsanwältin schließlich in ihrem Plädoyer: „Bei dem, was wir hier abzuurteilen haben, handelt es sich um das Geschäftsmodell des Angeklagten“, führte sie in ihrem Plädoyer aus. Und dieses Geschäftsmodell soll dergestalt ausgesehen haben, dass sich der junge Mann immer wieder für sehr kurze Zeit als Hilfspfleger verdingte, um seine betagten Opfer auszunehmen. Oft soll er nach einem Tag wieder weitergezogen sein.

So hatte er es auch einem Mitgefangenen in der Untersuchungshaft geschildert, der zu Beginn des langen Verhandlungstages als letzter Zeuge in dem Verfahren angehört worden war. Ob die Schilderung aber den Tatsachen entspricht, blieb unklar; schon bei seinem Lebenslauf wurde der Angeklagte zahlreicher Widersprüche überführt, und letztlich schenkte das Gericht vielen seiner Aussagen sichtbar keinen Glauben mehr. Weshalb genau und für welchen Zeitraum er in Polen in Haft saß, ließ sich genauso wenig aufklären wie die Frage, wann er sich erstmalig als Pflegekraft in Deutschland verdingt hat.

In den vom Gericht angeforderten Akten ist nur die Rede von einem Körperverletzungsdelikt, das aber nicht näher ausgeführt wird. Acht Jahre Haft sind dort vermerkt, von elf Jahren hatte er hingegen seinem Gefängniskumpel berichtet. Und während der Angeklagte angab, im Jahr 2023 erstmals in Deutschland als Pfleger tätig geworden zu sein, sprechen zahlreiche Ermittlungsverfahren hierzulande eine andere Sprache: Vielfach könnte er andere Pflegepersonen bestohlen oder betrogen haben.

Als Pfleger einen Kunden im Rollstuhl bestohlen

Seinem Mitgefangenen soll er jedenfalls von einer Vielzahl gefälschter Ausweisdokumente erzählt haben, und auch in dem aktuellen Verfahren spielen von ihm verwendete Aliasnamen oder abweichende Geburtsdaten und gefälschte Passnummern eine Rolle. Das könnte der Grund sein, aus dem viele Verfahren im Sande verliefen, als vorbestraft gilt der 30-Jährige hierzulande jedenfalls nicht. Einzig im Rahmen eines Strafbefehls war er vom Amtsgericht Görlitz vor einigen Jahren zu einer Geldstrafe verurteilt worden. Er hatte als Pfleger einem Kunden im Rollstuhl 805 Euro gestohlen.

Wie viel Wahrheit in den Geschichten steckt, die er seinem Mitgefangenen erzählt hat, lässt sich wohl nicht mehr aufklären: So wurden aus dem Schmuck, den er der Hennefer Seniorin stahl, in seiner dem Kumpel geschilderten Erzählung zwei Kilo Gold, die von einem gar nicht existenten Juwelier stammen sollten. Durchaus möglich also, dass er auch ein wenig aufschneiden wollte. Dennoch: Die Berichte des Zeugen, denen zufolge der Angeklagte einem anderen Senior 20.000 Euro aus einem Bilderrahmen gestohlen haben soll, ließen das Gericht deutlich aufhorchen.

Vor Gericht hatte der Angeklagte nur das Nötigste zugegeben, damit aber immerhin dem Opfer eine erneute Aussage als Zeugin erspart. Was sie den Ermittlern gegenüber geäußert hatte, erfuhr das Gericht, indem es einen Videomitschnitt in Augenschein nahm. Schuldfähig soll der Angeklagte ebenfalls sein: Ein Gutachter hatte vor Abschluss der Beweisaufnahme das Ergebnis seiner Untersuchung vorgetragen und kam zu dem Schluss, dass auch Alkohol oder Schmerzmittel keine herausragende Rolle bei der Tat gespielt hätten. Das Plädoyer der Verteidigung wurde aus Zeitgründen schließlich auf den nächsten Verhandlungstag verschoben; ein Urteil will das Gericht nun Anfang März verkünden.