Die Finanzierung durch das Land sei nicht auskömmlich, beklagen die Kommunen in Rhein-Sieg. Unsicherheit herrscht mit Blick auf den Winter.
FluchtKommunen in Rhein-Sieg suchen händeringend Unterkünfte für Geflüchtete – Kritik am Land
Mit großem Engagement haben Hauptamtliche in den Rathäusern und Ehrenamtler Geflüchtete in den Gemeinden an Rhein und Sieg aufgenommen. Am kommenden Montag soll in einer Videokonferenz mit Rathauschefinnen und -chefs sowie der Kölner Bezirksregierung erläutert werden, wie es im November weitergeht. „Dann werden die Karten neu gemischt und die Zahlen neu berechnet“, hieß es bei einem Rundruf der Redaktion aus einem Rathaus, bei dem die aktuelle Situation abgefragt wurde.
In Siegburg sind die Kapazitäten für Geflüchtete bald erschöpft
„Aktuell sind 398 Flüchtlinge in neun städtischen Unterkünften sowie 76 Personen in Wohnungen untergebracht“, teilt auf Anfrage Kira Haasbach von der Pressestelle der Kreisstadt Siegburg mit, unter Bezug auf das Amt für Asylangelegenheiten.
Weitere Flüchtlinge, insbesondere rund 500 Menschen aus der Ukraine, seien in Wohnungen auf dem ersten Wohnungsmarkt untergekommen. Eine exakte Zahl könne allerdings nicht ermittelt werden, da Ukrainerinnen und Ukrainer meist Leistungen nach dem SGB II bezögen.
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Bei derzeitigen Zuwanderungszahlen würden die Kapazitäten bald erschöpft sein. Mögliche neue Standorte für Unterbringungen würden geprüft, die Belegung von Turnhallen sei jedoch nicht geplant.
Eine seriöse Bezifferung des Bedarfs an weiteren Unterkunftsplätzen sei nur schwer möglich. Die Stadt sei hier „auf hoher See“ unterwegs, der Zustrom derzeit unverändert hoch. „Wie hoch die Zuweisungszahlen in den kommenden Wochen sein werden, bleibt abzuwarten.“
900 Geflüchtete leben in städtischen Unterkünften in Troisdorf
„Auch bei uns sind die Zuweisungen seit September deutlich gestiegen“, berichtet die Erste Beigeordnete in Troisdorf, Tanja Gaspers. Von den etwa 200 Personen, die seit Anfang des Jahres aus Landesunterkünften kamen, seien allein 150 seit August nach Troisdorf gekommen.
Insgesamt leben etwa 900 Geflüchtete in städtischen Unterkünften von sehr unterschiedlicher Größe: Etwa 120 Menschen leben noch in der angemieteten alten Bahnschule Oberlar, die aber möglicherweise nur noch bis Mitte 2024 zur Verfügung steht. Zu den großen Unterkünften zählt auch die frühere Förderschule Im Laach.
Unter den insgesamt 47 Standorten sind aber auch einzelne Wohnungen und Häuser, die sich auf das ganze Stadtgebiet verteilen. „Definitiv“ habe Troisdorf Bedarf an weiteren Unterkünften, sagte die Beigeordnete. „Wir versuchen auch zu vermeiden, dass wir Turnhallen belegen müssen.“ Deshalb sollen Bestandsunterkünfte deutlich erweitert werden, in einem Fall statt etwa 75 zukünftig 150 Plätze zur Verfügung stehen.
Dreifachturnhalle am Kuckuck dient als Notunterkunft in Hennef
Aktuell hat die Stadt Hennef insgesamt 679 Geflüchtete untergebracht, zum Teil dezentral in Wohnungen, zum Teil in Gemeinschaftsunterkünften, von denen sich eine im Gewerbegebiet Hennef-West (ehemalige Brinkmann-Halle) und eine am Gut Zissendorf befindet.
Als Notunterkunft dient die Dreifachturnhalle am Kuckuck. Nur dort hat die Stadt noch freie Kapazitäten. Diese seien ausreichend für die rund 160 zusätzlichen Personen, die Hennef nach Verteilungsschlüssel im Bedarfsfall noch aufnehmen muss. „Weitere Optionen zur Unterbringung stehen der Stadt Hennef derzeit nicht zur Verfügung“, heißt es auf Anfrage aus dem Rathaus.
Land hat weitere 129 Menschen für Windeck angekündigt
In 25 zusätzlichen Appartements in der ehemaligen Gaststätte Alt Werfen kann die Gemeinde Windeck demnächst Geflüchtete unterbringen. Der Haupt- und Finanzausschuss gab in dieser Woche einstimmig grünes Licht für die Anmietung des Gebäudes. Ins Eigentum der Gemeinde soll das Haus Europa in Herchen übergehen, das der Evangelischen Kirche im Rheinland gehört.
Das ehemalige Internatsgebäude ist bereits länger von der Gemeinde angemietet. Das Grundstück übernimmt die Gemeinde in Erbpacht, das Gebäude werde zum Zeitwert den Besitzer wechseln, erklärte der Beigeordnete Thomas Becher auf Anfrage. Auch für den Kauf gab es ein einstimmiges Votum.
In Windeck leben aktuell 215 Geflüchtete. Derzeit hat das Land weitere 129 Menschen angekündigt. Eine Turnhalle umzubauen, sei derzeit nicht geplant, versichert der Beigeordnete. Die Menschen würden nach einem dezentralen Konzept über das Gemeindegebiet untergebracht, „auch in kleinerem Maßstab“.
So würden für Familien Wohnungen angemietet, erklärte Becher. Als größere Einrichtung sei die Turnhalle in Wiedenhof „vorgedacht und vorbereitet“ Dort finde kein Schulsport statt. Im Ernstfall müsse über die Verlagerung des Vereinssport nachgedacht werden. „Das wollen wir auf jeden Fall verhindern“, sagte Becher.
Neunkirchen-Seelscheid nicht zufrieden mit finanzieller Ausstattung
Aktuell sind in Neunkirchen-Seelscheid 513 Geflüchtete untergebracht – 255 in kommunalen Unterkünften, 258 dezentral in Privatwohnungen. Das teilte Sprecherin Anna Peters auf Anfrage mit. Derzeit gebe es kaum noch freie Plätze. Aber mit der Eröffnung einer neuen Wohncontaineranlage in der kommenden Woche würden neue Kapazitäten frei. Damit könnten 75 weitere Belegungsplätze bedient werden, sagte Peters.
Dennoch ist man in Neunkirchen-Seelscheid speziell mit der finanziellen Ausstattung nicht zufrieden. Die Finanzierung sei „unverändert nicht auskömmlich“. Die Anzahl geduldeter Menschen nehme stetig zu, was den Haushalt extrem belaste. „Dieser Zustand stößt zunehmend in der Gesellschaft auf Unverständnis und kann langfristig den sozialen Zusammenhalt in einer Kommune gefährden“, sagte Peters.
Much erwartet bis zum Jahresende noch zahlreiche Geflüchtete
Die Gemeinde Much hat derzeit 445 Menschen untergebracht. 68 von ihnen leben auf dem ehemaligen Thurn-Gelände, wo die Unterkunft zusammen mit der Nachbargemeinde Neunkirchen-Seelscheid betrieben wird. Das berichtete der Chef des Amtes für Bürger und Familie, Stefan Mauermann. Eine weitere größere Unterkunft gibt es im Gewerbegebiet Bövingen.
Die übrigen Geflüchteten sind dezentral in Mucher Dörfern untergebracht. Bis zum 8. November seien bereits elf weitere Menschen angekündigt. Zurzeit hat Mauermann noch Platz für 30, geht aber davon aus, dass bis zum Jahresende noch weit mehr Geflüchtete in der Berggemeinde untergebracht werden müssen.
Laut Kreisverwaltung leben zum Stichtag 17. Oktober 5775 Geflüchtete aus der Ukraine im Zuständigkeitsgebiet der Ausländerbehörde des Kreises. 1654 Asylbewerber befänden sich derzeit im laufenden Verfahren.