Rhein-Erft-Kreis – Es sind wieder diese Tage, an denen Dr. Frank Eifinger erst sorgenvoll auf das Thermometer blickt. Sein zweiter Blick geht ans Rheinufer zu den Plätzen, an denen sich Menschen zum Sonnenbaden treffen – und sich trotz aller Warnungen im Wasser abkühlen wollen.
Der Mediziner an der Universitätsklinik Köln warnt: „Der Rhein ist ein furchtbares Gewässer!“ Ein ähnliches Bild zeigt sich ihm bei seinen Spaziergängen an der ehemaligen Grube Berggeist in Brühl. Der See lockt immer wieder Erholungsuchende – doch dort wie auch an offiziellen Badeseen werden die Gefahren eines scheinbar harmlosen Sommervergnügens unterschätzt, weiß der Mediziner aus Bornheim.
Jugendlicher am Otto-Maigler-See in Hürth gestorben
Leichtsinn war möglicherweise auch die Ursache des Badeunfalls im Otto-Maigler-See in Hürth am vorigen Samstag. Ein 18-jähriger Dortmunder bezahlte den Ausflug ins Rheinland mit seinem Leben. Badegäste hatten am Nachmittag gesehen, wie er untergegangen und nicht mehr aufgetaucht war. Nach einer Stunde Suche hatten Rettungstaucher ihn in einer Tiefe von sechs Metern leblos gefunden. Alle Bemühungen, den 18-Jährigen zu reanimieren, blieben erfolglos.
Die Todesfälle wie im Rhein mögen noch einigermaßen erklärbar erscheinen. Die Flüsse haben eine starke Strömung, die Schwimmer mit sich zieht – nicht selten in Richtung der Fahrrinne der Berufsschifffahrt, wo die Strömung meist noch schneller fließt, als nahe dem Ufer. An Wasserbauwerken wie Buhnen – aufgeschüttete Steinwälle, die in den Fluss hinein ragen – oder Brückenpfeilern entstehen Strudel und Sogwirkungen, die auch einen guten Schwimmer leicht unter Wasser ziehen können.
Gefahren in Badeseen werden oft unterschätzt
Dass auch in Badeseen Gefahren lauern können, ist dagegen den wenigsten bewusst. Da ihnen die Strömung eines Flusses fehlt, wird das Wasser nicht durchmischt. Daher gibt es in Seen sehr oft ab ein bis zwei Metern Tiefe eine deutlich kältere Wasserschicht. Die Unterschiede können bis zu zehn Grad betragen.
Springt ein Mensch, der lange in der prallen Sonne lag, tief genug hinein, ohne sich vorher abzukühlen, kann der Kälteschock den Kreislauf geradezu lähmen. Er wird ohnmächtig oder kann durch kältebedingte Muskelkrämpfe nicht mehr schwimmen und sich damit auch nicht mehr an der Wasseroberfläche halten. Die Opfer gehen plötzlich unter.
Viele Badeunfälle in diesem Frühjahr
„Wir haben doch schon als Kinder gelernt, dass wir erst einmal mit den Füßen ins Wasser gehen sollen, die Arme und dann den Oberkörper nass machen sollen“, sagt Dr. Frank Eichinger. Er ist Oberarzt für Pädiatrische Notfallmedizin an der Klinik und Poliklinik für Kinder- und Jugendmedizin der Uniklinik Köln. Er führt mehrere Faktoren dafür an, dass es bereits zu einem vergleichsweise frühen Zeitpunkt im Jahr zu tragischen Badeunfällen gekommen ist. Zum einen beobachtet er einen coronabedingten Nachholbedarf in Bezug auf Freizeitaktivitäten, vor allem bei Jugendlichen. Zum anderen ist Eifinger besorgt darüber, dass während der Lockdowns Schwimmkurse ausgefallen sind „und wir uns eine Generation an Nichtschwimmern heranziehen“.
Darüber hinaus spielen kulturelle Gründe eine Rolle. Zum Teil lernen Zugewanderte in ihren Heimatländern nicht zu schwimmen – oder aber tun dies unter erschwerten Bedingungen. Eifinger: „Ich kann mich an einen Fall im vorigen Jahr in Köln erinnern, wo ein Mädchen mit einem Ganzkörper-Badeanzug baden gegangen ist und unter Wasser gezogen worden ist, weil der sich vollgesogen hatte. Ein anderer Faktor seien Alkohol und harte Drogen. Das erhöhe die Bereitschaft zu leichtsinnigen Handlungen und vermindere die das Reaktionsvermögen.
Wunder in Kerpen
Grundsätzlich sei es aber möglich, auch solche Menschen zu retten, die längere Zeit unter Wasser gelegen haben. In solchen Fällen wirke sich die niedrige Wassertemperatur am Boden eines Gewässers positiv aus. Dadurch werde auch die Körpertemperatur gesenkt, was wiederum die Organe schütze.