Rhein-Erft-Kreis – Nach den von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn geäußerten Bedenken zum Thema Karneval und Corona, haben bereits erste Karnevalsvereine in Deutschland Veranstaltungen abgesagt. Die Redaktion hat sich bei den Verantwortlichen der Gesellschaften im Kreis umgehört.
Bedburg
„Es täte mir als leidenschaftlichem Karnevalisten tierisch in der Seele weh, wenn uns Corona auch noch in die Session hineinhagelt“, sagt der Bedburger Georg Kippels, zugleich CDU-Bundestagsabgeordneter und Vorsitzender der Karnevalsgesellschaft Bedburger Narrenzunft. Er habe allerdings auch noch keine Lösung, wie etwa der kleine Karneval mit 50 oder 100 Besuchern wirtschaftlich zu retten sei. Klar sei aber: „Die derzeitigen Vorschriften passen nicht auf den Karneval, denn der lebt von Geselligkeit, Singen, Schunkeln und Austausch.“
„Dass der Karneval nicht so wird stattfinden können wie bisher, dürfte jedem klar sein“, sagt Marcel Schumacher, Präsident der Bedburger KG Ritter Em Ulk. Bei den „Blauen“ laufen die Vorbereitungen derzeit jedoch noch ganz normal. „Wir haben die Hoffnung auf den Karneval noch nicht aufgegeben, vor allem mit Blick auf unsere Sitzungen im Januar und Februar.“
Bergheim
Christian Karaschinski, Präsident des Festkomitees Bergheimer Karneval, hofft auf Vorgaben der Politik. „Wir feiern sehr gerne, aber nicht um jeden Preis“, sagt er. Die Gesundheit sei das wichtigste Gut. Der Festkomiteevorstand und die Verantwortlichen der angeschlossenen Vereine nähmen sich bis Ende September Zeit, um die Situation zu beobachten. Dann wolle man eine Empfehlung herausgeben, sofern von oben nichts komme. Wie die aber aussehen könnte, könne er jetzt noch nicht sagen. Eine offizielle Absage der Session hätte den Vorteil, dass die Gesellschaften wahrscheinlich aus bereits geschlossenen Verträgen herauskämen, sagt Karaschinski. Müssten man nämlich ohne Veranstaltungen trotzdem zahlen, brächte das viele in große finanzielle Schwierigkeiten.
Brühl
Rainer Nieschalk, der Präsident des Festausschusses Brühler Karneval, beschäftigt sich mit einer möglichen Absage: „Wir sind alle jeck, aber derzeit hat der Gesundheitsschutz Vorrang.“ Er könne sich unter den gegebenen Umständen die Durchführung der gewohnten Veranstaltungen nicht vorstellen. Eine Absage wäre zwar alles andere als schön, sei aber derzeit die sinnvollste Lösung. Zumal die Politik ja auch die Möglichkeit habe, bei einem positiven Verlauf der Pandemie, wieder grünes Licht zu geben. „Dann wären wir in der Lage, kurzfristig zu handeln. Jeder überzeugte Karnevalist wäre glücklich, wenn er in diese Situation käme“, sagt Nieschalk. In Brühl hat die unsichere Lage aber auch ohne politische Entscheidungen schon Auswirkungen. Man geht ohne Tollitäten in die Session. „Sowohl Erwachsene als auch Kinder haben ihre Meldung zurückgezogen, weil sie keine Chance sahen, sich zu präsentieren“, berichtet der Präsident. Da die Tollitäten für das Jahr danach bereits benannt seien, werde das Dreigestirn um den designierten Prinzen Fabian Brück nun 2024 antreten.
Elsdorf
„Ich bin Karnevalist durch und durch“, sagt Fidelio-Chef Frank Klöser, „aber was die Kölner vorhaben, können wir nicht.“ Sitzungen mit nur 30 bis 40 Prozent Auslastung rechneten sich für die ländlichen Karnevalsgesellschaften nicht. Noch schwerer als die Fidelio in der Festhalle und die Karnevalsfreunde im Bürgerhaus hätten es Vereine wie Oberembt, Berrendorf und Heppendorf, wo Zelte aufgestellt werden müssten. Zudem könne man nicht einschätzen, wie viel Angst die Narren haben würden und ob überhaupt die 30 Prozent an Besuchern erreicht werden könnten. Realistisch betrachtet dürfe nichts stattfinden, aber man wolle doch irgendwie sichtbar bleiben. Zur Not gehe es mit entgegenkommenden Künstlergagen. So oder so müsse bald „eine Entscheidung von oben“ gefällt werden. Zurzeit habe keine KG eine Lösung parat. Klöser sieht die Gefahr, dass, wenn alle Veranstaltungen ausfallen, die privaten Feiern zunehmen. Da wäre dann die Überwachung der Abstands- und Hygieneregeln noch schwerer.
Erftstadt
Auch bei den Organisatoren des Erftstädter Karnevals wird die Forderung an Politik und Behörden laut, zeitnah eine Entscheidung zur kommenden Session zu treffen. „Wir brauchen Klarheit“, sagt Erhard Soltau, der Geschäftsführer des Dachverbands Erftstädter Karnevalsvereine. Seine Empfehlung ist dabei klar: Man solle die Session absagen, betont er. „Dann gäbe es bei vielen ein Aufatmen, weil eine Hängepartie beendet wäre.“ Die meisten Vereine hätten schließlich längst die Künstler für ihre Sitzungen verpflichtet. Die Verträge könne man aber nur schadlos kündigen, wenn die behördlichen Vorgaben die Auftritte untersagten. Ansonsten stünde man in der Pflicht, die Gage zu zahlen. Angesichts kleiner Veranstaltungssäle könne man nicht so leicht stimmige Hygienekonzepte umsetzen, weniger Besucher hereinlassen und dennoch auf seine Kosten kommen. „Das ist hier etwas anderes als in den großen Kölner Häusern“, sagt Soltau. Skeptisch sieht er auch die Umzüge. „Dort stehen die Leute eng beieinander. Wer soll das verhindern?“ Am Ende bliebe auf der Strecke, worum es gehe: der Spaß am Brauchtum.
Frechen
In Frechen gibt es noch keine Entscheidung darüber, ob und in welchem Rahmen Sitzungen und andere Veranstaltungen in der kommenden Session stattfinden. Es steht auch noch nicht fest, ob ein Prinz proklamiert wird. „Wir warten die weitere Entwicklung ab“, teilt das Festkomitee Frechener Karneval mit. Entscheidend seien die Vorgaben von Land und Stadt zur möglichen Belegung von Festsälen und Hallen. Es herrsche jedoch Skepsis vor: Wenn es bei den derzeitigen Vorgaben bleibe und nur wenige Gäste in den Hallen erlaubt seien, rechneten sich die Sitzungen für die Karnevalisten nicht.
Hürth
Zwar haben die Karnevalsgesellschaften sich zuletzt optimistisch geäußert und den Kartenvorverkauf für die Karnevalssitzungen 2021 gestartet. Karl Zylajew, Geschäftsführer der Prinzengarde Rot-Weiß aus Alt-Hürth, ist aber inzwischen zurückhaltender. „Wer die Infektionszahlen beobachtet, kann sich die Sache selbst ausrechnen“, sagt Zylajew zum Vorstoß von Minister Spahn. Er habe das Gefühl, dass „die Leute Angst davor haben, unter diesen Bedingungen Karneval zu feiern“. „Ich bin nicht dafür, den Karneval komplett abzusagen, denn einige Gesellschaften haben alternative Pläne in der Schublade.“ Allerdings sei es wichtig, dass jetzt schnell Planungssicherheit geschaffen werde. Zylajew: „Wir brauchen eine Entscheidung bis Anfang September, denn dann werden schon die Künstler für die Session 2022 gebucht.“
Kerpen
Rigoros äußert sich Eddy Wildenburg, Präsident der Karnevalsgesellschaft Rut-Wies Balkhausen-Türnich: Für die kleinen Gesellschaften wäre es am besten, wenn Karneval abgesagt und die Hallen für Karnevalsveranstaltungen von der Stadt gesperrt würden: „Denn das gilt dann rechtlich als höhere Gewalt und wir kommen als kleine Vereine aus unseren Verträgen mit den Künstlern heraus, die wir für Veranstaltungen in der nächsten Session schon gebucht haben“, sagt er. Es nutze seiner Karnevalsgesellschaft nichts, wenn sie etwa die Erfthalle in Türnich unter Corona-Auflagen nutzen dürfe. „Denn dann gehen da nur 300 statt 600 Besucher herein.“ Mit nur der Hälfte der Besucherzahl könnten Veranstaltungen nicht refinanziert werden. Viele Vereine würden pleite gehen.
Pulheim
Das Festkomitee Pulheimer Karneval habe sich im Juni getroffen, sagt Festkomitee-Präsident Jürgen Klein. „Wir haben über die Situation diskutiert, wir haben Gedankenspiele gemacht nach dem Motto »was wäre wenn«. Letztendlich haben wir vereinbart, dass wir den 31. August abwarten.“ An dem Tag ende die Rahmengesetzgebung des Bundes. „Wir erwarten dann neue Corona-Richtlinien, die ab September sowohl im Bund als auch im Land gelten sollen.“ Außerdem habe das Festkomitee die großen Veranstalter angeschrieben. „Alle fünf haben übereinstimmend geantwortet, dass es jetzt noch zu früh sei für eine Entscheidung und man den 31. August abwarten solle.“ Dann werde jede Karnevalsgesellschaft für sich entscheiden, wie sie mit Veranstaltungen umgehe. Vorab hat der geschäftsführende Vorstand der KG Ahl Häre Folgendes entschieden: Die Karnevalsgesellschaft sagt das für den 19. September geplante Bayerische Oktoberfest und die für den 21. November geplante Sitzung zur Sessionseröffnung ab. An der Sessionseröffnung am 8. November möchte der Verein festhalten. „Sie wird derzeit als Freiluftveranstaltung auf dem Marktplatz mit einem genehmigten Hygienekonzept geplant“, erläutert Sprecher Markus Leroy. Fest steht bereits das Motto für die Session 2020/2021: „Corona mäht dat Fiere schwer, em Hätze bliev dä Fasteleer.“