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Neues ProgrammKölner Kabarettist Jürgen Becker tritt mit „Deine Disco“ in Kerpen auf

Lesezeit 5 Minuten
Der Kabarettist Jürgen Becker schmunzelt.

Kabarettist Jürgen Becker ist in der Kerpener Jahnhalle zu Gast.

Mit seinem neuen Programm möchte der Kölner den Menschen ein bisschen Mut machen. Pessimismus sei Zeitverschwendung, findet er.

Mit „Deine Disco“ nimmt Kabarettist Jürgen Becker sein Publikum mit auf eine satirisch- musikalische Zeitreise durch 60 Jahre deutscher Gesellschaftsgeschichte. Dabei reicht die Bandbreite von Heintje bis Hardrock. Am 5. April tritt er mit dem Programm um 20 Uhr in der Kerpener Jahnhalle auf. Mit ihm sprach Markus Peters.

Das aktuelle Programm ist ein für Sie neues Format. Was darf das Publikum erwarten?

Ich wollte bewusst etwas anderes machen, als immer nur die Finger in die Wunden zu legen und aufzeigen, was alles schiefläuft. Ich habe den Eindruck, dass viele Menschen inzwischen diese ganzen aktuellen Probleme einfach nicht mehr ertragen. Deshalb will ich ein bisschen Mut machen, damit wir etwas hoffnungsvoller in die Zukunft schauen können. Pessimismus ist Zeitverschwendung, das bringt nichts.

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Kerpen/Köln: Beckers erst Platte

Und das gelingt mit Musik?

Ich habe für diesen Abend Stücke zusammengestellt, die das heutige Kabarett-Publikum, also vorwiegend Menschen zwischen 40 und 80 Jahren, geprägt haben. Dazu kommen noch Lieder wie die „Internationale“ oder die „Marseillaise“, die für politische Bewegungen stehen. Kurzum ein guter Soundtrack für das, was die Leute verändert haben.

Der Abend steht unter dem Motto Disco. Waren Sie ein Disco-Gänger?

Auf jeden Fall. Ich war in der Jugendzentralinitiative aktiv, wir haben damals die ganzen Jugendclubs aus dem Boden gestampft.

Erinnern Sie sich noch an die erste Platte, die Sie sich gekauft haben?

Klar, das war „Sgt. Pepper's Lonely Hearts Club Band“ von den Beatles. Mein erstes Konzert war Santana in der Kölner Sporthalle. So was vergisst man nicht. In meiner Jugend war der musikalische Bogen weit gespannt, was ich ja auch auf der Bühne zeige. Das reichte von Pink Floyd bis zu Rex Gildo.

Im Kölner Umland sind die Leute noch kölscher als in Köln
Jürgen Becker, Kabarettist

Wie politisch kann Musik sein?

Nehmen Sie nur ver.di. Heute nennt sich eine Gewerkschaft nach einem Musiker, früher war es umgekehrt, wie die Band Ton, Steine, Scherben, die sich an der Gewerkschaft IG Bau-Steine-Erde orientiert hatte. Natürlich war es ein bisschen Zufall, dass damals die E-Gitarre mit ihrem revolutionären Sound herauskam. Die 68er hatten Jimi Hendrix, die Flowerpower-Leute Janis Joplin, und die Hausbesetzer-Szene Ton Steine Scherben. Das ist heute anders: Fridays for Future hat keinen eigenen Sound. Es gibt keine Musik zur Bewegung, die alle mitreißt. Ich finde, das ist ein Problem.

Auf Ihren Tourneen kommen Sie viel herum. Lacht man in Kerpen über andere Themen als in der Kölner Innenstadt?

Im Kölner Umland sind die Leute noch kölscher als in Köln. Mir ist aufgefallen, dass die Zuschauer in Kerpen die Kölner Lieder offenbar besser beherrschen und auch mehr Kölsch sprechen.

Kerpen: Auf der Kartbahn gerast

Schauen wir mal auf den Rhein-Erft-Kreis. Sind Sie eher Team Max-Ernst-Museum oder eher Team Schumi-Kartbahn?

Ich war früher öfter auf der damaligen Kartbahn in Horrem. Als Kind bin ich in Köln-Widdersdorf aufgewachsen; von da sind wir nach Horrem gefahren, was ganz schön weit war. Dort konnten wir dann für ein paar Mark mit einem Go-Kart herumrasen. So hat ja auch Michael Schumacher angefangen.

Der Rhein-Erft-Kreis wird in diesem Jahr 50 Jahre jung. Was wünschen Sie ihm zum Geburtstag?

Ich würde sagen, jetzt geht es erst richtig los. Die ersten 50 Jahre braucht man, um sich zu sammeln und zu finden; jetzt kann man voll durchstarten. Dank der Veränderungen im Braunkohle-Revier wird das die Region der Zukunft sein. Das Ende des Braunkohletagebaus ist ein Riesengeschenk, jetzt beginnt eine neue Ära für alle, die dabei sein dürfen.

Becker sieht Demokratie in Gefahr

Während wir hier sitzen, laufen in Berlin Koalitionsgespräche. Stellen wir uns vor, Sie würden mit der SPD-Chefin Esken und CDU-Vorsitzendem Merz in einem Fahrstuhl feststecken. Was würden Sie Ihnen sagen?

Ich würde sagen, jetzt müsst ihr loslegen. Ihr müsst es schaffen, das wünsche ich denen wirklich. Früher hätte man als Kabarettist auf der Lauer gelegen, falls Friedrich Merz Fehler macht. Jetzt habe ich eine gewisse Beißhemmung, weil ich weiß, wenn der das jetzt nicht packt, dann haben wir bald ein richtiges Problem.

Also hat sich Ihr Blick auf die Politik und die Gesellschaft gewandelt?

Als wir damals die Stunksitzung gegründet hatten, war es Haltung der Alternativszene, auch ein bisschen gegen diese Gesellschaft zu sein. Das geht heute nicht mehr, wir müssen unsere Demokratie verteidigen. Natürlich muss man der Politik weiter auf die Finger gucken, aber jetzt ist es einfach wichtig, dass wir eine stabile Regierung haben.

Und das wird mit nur zwei Parteien etwas einfacher als bei der Ampel. Die Demokratie ist schon jetzt in Gefahr. Wenn die Entwicklung so weitergeht, dann haben wir in vier, fünf Jahren Faschismus. Wir haben es ja schon mal erlebt, wie schnell sowas gehen kann. Und deswegen müssen jetzt alle wachsam sein und sich einbringen.

Früher war die Karnevalsmütze mit Geweih Ihr Markenzeichen. Gibt es die noch?

Ja, die habe ich noch. Wenn sie wieder gebraucht wird, kann ich sie wieder rausholen. Auch die Hornbrille habe ich noch. Wenn ich mal grauer Star habe, dann brauche ich die wirklich.

Zur Person

Jürgen Becker wurde 1959 in Köln geboren. Er gehörte 1983 zu den Gründern der alternativen Kölner „Stunksitzung“, deren Präsident er von 1984 bis 1995 war. Überregional bekannt wurde er als langjähriger Moderator der WDR-Kabarettsendung „Mitternachtsspitzen“.