Rhein-Erft-Kreis/Hürth – Vor dem Einkaufszentrum Hürth-Park an der Theresienhöhe in Hürth-Mitte stehen in diesen Tagen wieder Menschen Schlange, die sich gegen das Coronavirus impfen lassen wollen. Zwar hat der Rhein-Erft-Kreis das Impfzentrum Ende September nach Vorgaben von Bund und Land geschlossen, bietet in den Räumen des ehemaligen Real-Warenhauses aber in geringem Umfang Impfsprechstunden an. Doch die Kapazitäten halten dem neuerlichen Andrang kaum Stand.
Viele Menschen, die am Mittwochmittag vor dem früheren Impfzentrum anstanden, wollten sich bereits die dritte Impfdosis abholen, sich also „boostern“ lassen. Darunter auch Wolfgang Braun aus Kerpen-Brüggen. Doch der 71-jährige pensionierte Diplom-Übersetzer wurde trotz Vorerkrankung abgewiesen. Der Grund: Seine Zweitimpfung ist erst knapp fünf Monate her. Der frühere Mitarbeiter des Bundessprachenamts in Hürth wollte das nicht hinnehmen, biss aber auf Granit.
„Impfen ist für mich ein sensibles Thema“, sagt Braun. „Ich bin vor 68 Jahren an Kinderlähmung erkrankt. Ein Jahr später gab es die Impfung gegen Polio.“ Er hat Angst, dass er erneut eine Impfung verpasst und schwer erkrankt. Noch heute hat er mit den Spätfolgen der Polioinfektion zu kämpfen und ist gehbehindert. „Jetzt kommt es doch darauf an, dass geimpft wird“, schimpft Braun. „Da kann man doch nicht mit solchen bürokratischen Mätzchen kommen.“ Bei seiner Hausärztin hätte er erst im Februar einen Impftermin bekommen, sagt er.
„Ich kann die Verärgerung verstehen“, sagt dazu Thomas Schweinsburg, Sprecher der Kreisverwaltung. Er verteidigt aber die Entscheidung des Impfteams vor Ort: „Wir halten uns an die Empfehlung der Ständigen Impfkommission. Das sind die Experten.“ Und die Stiko empfehle die Booster-Impfung eben erst nach sechs Monaten. Angesichts des großen Andrangs müsse bei der Impfung priorisiert werden.
Die Kreisverwaltung werde aber auf die Entwicklung reagieren. Schweinsburg: „Wir werden weitere Kapazitäten aufbauen.“ Bis Ende der Woche werde es eine Lösung geben, die wohl darauf hinauslaufe, das Angebot im Impfzentrum wieder auszudehnen.
Christian Nettersheim kritisiert Jens Spahn
Der Gesundheitsdezernent des Kreises, Christian Nettersheim, kritisiert die Empfehlung von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn nach einer Booster-Impfung schon vor Ablauf der Sechs-Monats-Frist. „Hier werden bei den Bürgerinnen und Bürgern durch die wirre Kommunikation des Bundesgesundheitsministers Erwartungen geweckt, die kurzfristig nicht erfüllt werden können“, sagt Nettersheim. Selbst wenn das Impfzentrum voll ausgestattet wäre, sei eine gleichzeitige frühere Auffrischungsimpfung „weder organisatorisch-kapazitär noch personell leistbar“.
Der Kreis bietet derzeit im Hürther Impfzentrum noch Impfungen jeden Montag, Mittwoch und Donnerstag jeweils zwischen 13 und 19 Uhr an.