Rhein-Berg – Nikolaus und St. Martin, der Weihnachtsmann und das Christkind, sie alle haben am Jahresende Hochkonjunktur. Kaum eine Fußgängerzone, ein Einkaufszentrum oder ein Weihnachtsmarkt kommt ohne sie aus. Doch in ihrer einst ureigenen Domäne, den Kitas, sind Nikolaus und Co. nicht in jedem Fall anzutreffen. Denn je nach Trägerschaft der Einrichtung gibt es auch Alternativen: Lichterfest statt Martinsumzug, Frühlingsfest statt Ostern oder ein Winterfest, das das klassische Weihnachten ersetzt.
Das liegt zum einen an der unterschiedlichen Ausrichtung der Kita-Träger, die verschiedene Erziehungsziele verfolgen. Nur ein Drittel der Kitas im Land werden von den beiden großen christlichen Kirchen im Land geführt. (siehe Infokasten) Zum anderen steigt in den meisten Einrichtungen die Zahl der Kinder, die nicht getauft sind oder einer anderen Religion angehören.
Erziehung zu Offenheit und Toleranz
So stellt es etwa die Arbeiterwohlfahrt Rhein-Berg/Oberberg (Awo) ihren Kitas frei, wie sie mit den Jahresfesten, auch den religiösen, umgehen wollen. „Es gibt keine Vorgaben. Die Einrichtungen entscheiden selbst, wie es für sie und ihr jeweiliges Klientel passt“, sagt Jenny Göx, Pressereferentin der Awo. „Wir haben ein Leitbild, das unter anderem Gerechtigkeit und Solidarität als wichtige Werte nennt – und die harmonieren gut mit Weihnachten.“
Nach Angaben des nordrhein-westfälischen Familienministeriums befanden sich zu Jahresbeginn 3689 der landesweit 10065 Kitas in kirchlicher Trägerschaft. Weitere Einrichtungen werden von Kommunen, Verbänden, Elterninitiativen oder anderen freien Trägern geführt. In NRW waren im Januar dieses Jahres insgesamt 624647 Kinder in einer Kindertagesstätte angemeldet. Von ihnen besuchen rund 220000 Mädchen und Jungen (also mehr als ein Drittel) einen katholischen oder evangelischen Kindergarten. (spe)
Daran orientiert man sich auch in der Awo-Kita in Bergisch Gladbach-Schildgen. „Religiöse Erziehung findet hier nicht statt, aber wir verbannen religiöse Themen auch nicht“, sagt Einrichtungsleiterin Isabelle Schönfeld. Man wolle zu Offenheit und Toleranz erziehen. Es werde nicht gebetet und auch kein Krippenspiel aufgeführt wie in kirchlich-geführten Kindergärten, aber man greife die Fragen und Anregungen der Kinder auf. „Wenn ein Kind ein Buch über Weihnachten oder eines über das Zuckerfest mitbringt, dann lesen wir daraus vor und beschäftigen uns mit diesen Themen, feiern vielleicht auch einmal mit“, erzählt die Erzieherin.
Entspanntes Verhältnis zum Nikolaus
Man arbeite grundsätzlich „situationsorientiert“, erläutert sie das Konzept ihrer Einrichtung, in der rund 60 Kinder betreut werden. Nur etwa zehn Prozent von ihnen haben einen Migrationshintergrund, was ein vergleichsweise niedriger Prozentsatz ist. Gemeinsame Werte werden gepflegt. Auch wenn beim Martinsfest der Laternenumzug und nicht die Heiligenlegende im Vordergrund stehe, nehme man den Tag zum Anlass, über das Thema „Teilen“ zu sprechen.
Auch zum Nikolaus hat man ein entspanntes Verhältnis. Er besucht schon einmal den Kindergarten, aber gerade vor Weihnachten versuche man den Schwerpunkt auf ideelle statt auf materielle Geschenke zu legen. Da hat der Nikolaus schon mal die Großeltern der Kinder im Schlepp und man schenkt sich gemeinsame Zeit.
Caritas fordert mehr Religion im Kindergarten
In anderen Einrichtungen wird ganz auf den Nikolaus und andere christliche Gestalten verzichtet. „In unserer Kita werden zwölf verschiedene Sprachen gesprochen“, berichtet eine Erzieherin aus Bergisch Gladbach. Die Vielfalt der Kulturen sei in ihrer Einrichtung besonders groß, darauf nehme man Rücksicht. Daher würden gemeinsam „religionsneutrale Feste“ gefeiert, auch wenn man zusammen einen Weihnachtsbaum schmücke und sich die unterschiedlichen Rituale in den Familien schildern lasse.
„Kinder haben ein Recht auf religiöse Erfahrungen und Feste“, meint hingegen Jürgen Weinz vom Diözesan-Caritasverband für das Erzbistum Köln, Abteilung Tageseinrichtungen für Kinder. Dabei bezieht er sich auf die „Bildungsgrundsätze“ des Landes NRW für Kinder bis zum Alter von zehn Jahren. Darin heißt es unter anderem: „Ein ganzheitliches Bildungsverständnis schließt religiöse Bildung und ethische Orientierung mit ein.“
Grundsätze aus Landesverfassung von 1950
Altersangemessene religionspädagogische Angebote in Kindertageseinrichtungen und Grundschulen unterstützten die religiöse Aufgeschlossenheit der Kinder. Diese Bildungsgrundsätze fußen auf der Landesverfassung NRW aus dem Jahr 1950. Darin heißt es in Paragraf 7: „Ehrfurcht vor Gott, Achtung vor der Würde des Menschen und Bereitschaft zum sozialen Handeln zu wecken, ist vornehmstes Ziel der Erziehung.“
Das Recht auf religiöse Bildung gelte unabhängig vom Träger, meint Weinz, der katholische Einrichtungen vertritt. „Wir als konfessioneller Träger legen großen Wert darauf, dass Kinder ihre Religiosität entwickeln.“ Dabei orientiere man sich stark am Kirchenjahr: Ostern und Weihnachten sind dabei die Hochfeste: Martinzüge, Krippenspiele oder der Bischof von Myra sind feste Bestandteile der Erziehungsarbeit. Zur Teilnahme würden alle Kinder und ihre Familien eingeladen, egal ob getauft oder nicht.
Gleichzeitig fordere man Kinder anderen Glaubens auf, von ihrer Religion und ihren Bräuchen zu berichten. Es gehe um einen wertschätzenden Umgang miteinander, um Interesse aneinander und an den jeweiligen Glaubensinhalten, um die Vermittlung von Respekt anderen Religionen gegenüber. Gefeiert würde ein Ramadan-Fest in einem katholischen Kindergarten allerdings nicht, sagt Weinz. „Das wäre nicht authentisch.“