Rhein-Berg – Wer was auf sich hält als bergisches Wahrzeichen war hier schon auf dem Titel. Der Bergische Löwe hat in der Ausgabe von 2009 seine Krallen ausgefahren, natürlich. Aber auch Jan Wellem, der vom Volk verehrte Kurfürst, grüßt huldvoll vom Deckblatt der Kalender-Ausgabe, der von 1990. 100 Jahre Bergischer, Rheinisch-Bergischer Kalender sind 90 Motive (zehn Ausgaben sind ausgefallen), und alle haben ihren Bezug zum Bergischen.
Bauer in bergischer Tracht war erstes Titelbild
Der Bauer in seiner bergischen Tracht war der erste, der es auf den Titel schaffte. 1920 wandert er in der Premieren-Ausgabe durch den Weiler Büchel bei Hoffnungsthal, nach einer Zeichnung von Johanna Köttgen, verheiratete Sommer. Bis zur Ausgabe 1925 ist er das Erkennungszeichen der von Lehrer und Heimatdichter August Kierspel herausgegebenen Hefte, die schnell als Lesebuch den Einzug in den Unterricht der Volksschulen schaffen.
Der Heider-Verlag, in dem der Kalender ab der Ausgabe 1926 (bis 1933, ab 1950) erscheint, gibt dem Projekt im folgenden Jahrzehnt einen Ruck ins Experimentelle, Expressionistische. Die Hefte schmücken Holz- und Linolschnitte, die bergisches Fachwerk andeuten (1926), Schmiede (1927) und Ackerer (1929) bei der Arbeit zeigen und den Bergischen Kräher (1928) ins Bild setzen. Damals wie heute sollen die Leser mit einem attraktiven Titel gewonnen werden.
Im Herbst 1919 erschien die erste Ausgabe des Jahrbuchs als „Bergischer Volkskalender für das Jahr 1920“. August Kierspel, Hermann Ritter und Bertram Steinbach waren die Herausgeber. Mundartliches, Anekdoten und Heimatkunde prägten die Ausgabe. In späteren Jahrzehnten war der Gladbacher Volksschulrektor Anton Jux Schriftleiter, von 1924 bis 1939 und von 1957 bis 1959. Dessen in historisches Gewand verpackte judenfeindliche Erzählung „Dat verjäde Jüddepack“ von 1939 gilt als Tiefpunkt der Kalender-Geschichte. Im „Dritten Reich“ erschien der Kalender nicht im Heider-Verlag, sondern im Verlag Pilgram in Hoffnungsthal. (cbt)
Auch das Neue Schloss zu Bensberg kommt in den 1930ern auf den Titel (1936), Schloss Burg (1930) und Schloss Gimborn (1931), selbst die Altstadt von Remscheid (1932). Programmatisch wählen die Kalendergestalter für die Ausgabe 1950, die erste Ausgabe nach dem Zweiten Weltkrieg , den Altenberger Dom aus. Drei Jahre später, 1953, ist es Schloss Burg an der Wupper, das die Wahrzeichen-Reihe fortsetzt. In jüngerer Zeit sind Schloss Homburg (2007 und 2016), Schloss Ehreshoven (2001), Burg Zweiffel (1989), Strauweiler (2005) und Lerbach (2013) gefolgt.
Bodenständiges setzt sich in den Jahrzehnten neben das Herrschaftliche, in Fotomotiven, die heute historisch sind. Die Bonnschlade in Bergisch Gladbach kommt 1962 auf den Titel, 1965 Asselborn, 1958 Hohkeppel Immekeppel 1966, der Kirchplatz in Kürten 1999. Als in Bensberg 1967 das Neue Rathaus ans Alte Schloss gebaut wird, ist dies das Motiv für den Jahrgang 1968.
Bis 2003 Motiv in einem farbigen Rahmen
Prägende Neubauten folgen: Mit der Schule am Mohnweg in Refrath (1969), dem Empfangsgebäude des Flughafens (1971) und dem Kreishaus (1972) geht der Kalender weiter in die Moderne. Bis zur Ausgabe 2003 sitzt das Motiv in einem farbigen Rahmen, darunter gesetzt ist die Bezeichnung des jeweiligen Kalenderjahrgangs.
2004, verantwortet von Dr. Norbert Orthen und erstmals auch in Herausgeberschaft des Heider-Verlags, wird das Titelfoto übers gesamte Deckblatt gezogen, der Immekeppeler Dom macht dafür den Auftakt. Die Ausgabe 2009, mit dem besagten Bergischen Löwen auf dem Titel, hat die bis dato letzte Veränderung gebracht. Das Fotomotiv läuft von der Vorder- weiter zur Rückseite und umfasst den Kalender programmatisch. „Herbstkunst am Fenster“, eine von Helga Niekammer fotografierte Szene aus Bensberg, hat Redakteurin Karin Grunewald (seit der Ausgabe 2016 verantwortlich) für die Jubiläumsausgabe ausgewählt.
Die 1950-er Bände am begehrtesten
Sammler der Kalender gibt es viele. Aber alle Ausgaben komplett haben nur die wenigsten im Regal. Die Bände der 1950er-Jahre sind die begehrtesten, für sie werden schon mal 100 Euro und mehr bezahlt. Vollzählig gibt es die Bergischen Kalender unter anderem in der Gladbacher Stadtbücherei, immer ein Vorort-Exemplar bleibt als nicht ausleihbarer Bestand im Regal. Der Bergische Geschichtsverein Rhein-Berg bietet in seinem „GeschichteLokal“ in Bensberg auch eine vollständige Sammlung, einsehbar für alle interessierten Leser. Auch das Gladbacher Stadtarchiv und das Kulturhaus Zanders gehören zu den wenigen, die die Kalendarien lückenlos gesammelt haben.