Zu fest und vor den Augen der Polizei langte ein Bergisch Gladbacher (20) als Türsteher im Kölner Karneval zu. Nun stand er vor Gericht.
ProzessBergischer Gladbacher langt an Karneval als Türsteher in der Zülpicher Straße zu
Mit einem blauen Auge davongekommen ist ein 20-jähriger Bergisch Gladbacher, der sich in der jüngsten Karnevalssession als Türsteher an der Zülpicher Straße etwas dazuverdient und dabei zu sehr zugelangt hatte. Die Bensberger Jugendrichterin, wegen des U21-Alters trotz des Tatorts Köln für den Angeklagten zuständig, verdonnerte ihn zu 600 Euro Auflage, die er an den „Weißen Ring“, eine Organisation zum Schutz von Verbrechensopfern, zahlen muss. Gegen einen unter Bewährung stehenden mutmaßlichen Mittäter (22) wurde das Verfahren eingestellt.
Im sechstägigen Kölner Straßenkarneval gleich zwei Mal im Dienst dumm aufzufallen, ist eine Leistung eigener Art. Dabei war Ali G. (Namen geändert) nach eigenem Bekunden als Türsteher nur für einen Verwandten eingesprungen.
Unter Bewährung stehender Kumpel hat mitgemischt
Das erste Mal soll er gegen 23.30 Uhr an Weiberfastnacht zugelangt, einen Gast und dessen (gar nicht anwesende) Mutter beleidigt und ihm mit einem Schlagstock gedroht haben. Sein unter Bewährung stehender Kumpel Ismail P., ebenfalls ein Gladbacher, soll bei einer zweiten Begegnung kurz darauf verbal mitgemischt und mit einem Regenschirm gedroht haben.
Alles zum Thema Zülpicher Straße (Köln)
- Kölner Hauptbahnhof Angreifer bedroht Polizisten mit gestohlenem Messer
- Feiern am Elften Elften Mehr Sex-Verbrechen in Köln als im Vorjahr
- Karneval im Kwartier Latäng Kölner Politik: „Uniwiese darf keine Dauerlösung werden“
- Karneval in Köln Junge Menschen erzählen, wie sie gerne feiern würden
- Zum Kölner Karneval Mehr Mut, neue Wege zu gehen – bevor jemand ernsthaft zu Schaden kommt
- Karneval in Köln Trüb, voll und bunt - So lief der Sessionsauftakt im Zülpicher Viertel
- Service-Liveticker Polizei meldet ruhige Lage zum Elften im Elften in Köln
Die zweite Aktion geschah unter den Augen der Polizei am Abend des Rosenmontags: Zivil gekleidete Polizeibeamte der 15. Einsatzhundertschaft beobachteten, wie der groß gewachsene Ali G. einen Gast aus der Bar herauswarf, und das im Wortsinn, und noch einiges mehr. Indes krankte die Anklage in beiden Fällen daran, dass die vermeintlich Geschädigten nicht den Weg in den Gerichtssaal fanden.
Angeklagter habe gedroht, es sei aber alles friedlich geblieben
Für den Weiberfastnachtsfall bestritt Ali G. jedes Fehlverhalten. Das vermeintliche Opfer habe sich in Begleitung zweier junger Frauen aufgespielt und Zugang zur Toilette begehrt, aber keinen Eintritt zahlen wolle. „Das war nichts Wildes, ich habe ihn nur weggedrückt.“ Der Mann sei dann später mit drei bis vier Kumpanen wiedergekommen und habe erneut gedroht, aber auch da sei alles friedlich geblieben.
Kumpel Ismail P., der zu diesem Zeitpunkt auch vor Ort war, um Ali abzuholen, räumte über seinen Bonner Verteidiger Martin Heising ein, er habe einen Regenschirm gezückt. Der sei als Waffe untauglich gewesen, aber eine „angemessene Art, Distanz zu schaffen und Wehrhaftigkeit herbeizuführen“.
Gericht stellt Verfahren ein
Am Ende einigten sich die Juristen darauf, das Verfahren gegen den vermeintlichen Mittäter Ismail P. einzustellen. Auf der Anklagebank verblieb Ali G. Der hatte als moralische Unterstützung zunächst nur seinen großen Bruder mit in den Gerichtssaal gebracht, bat dann aber darum, den frei gewordenen Anwalt Heising übernehmen zu dürfen.
„Ja, geht denn das?“, fragten sich übereinstimmend Richterin, Staatsanwältin und Verteidiger. Nach kurzen Lese- und Beratungspausen kamen sie zunächst zu unterschiedlichen Ergebnissen, einigten sich aber dann, dass es gehe.
Sinn des Verbots von Doppelverteidigungen, so Heising, sei es, Interessenskollisionen beim Verteidiger zu vermeiden. Die könne es nach der Einstellung aber nicht mehr geben. Heising: „Manchmal sehen wir Juristen den Wald vor lauter Bäumen nicht.“ Dann sei es sinnvoll, aus der „Vogelperspektive“ nach dem Sinn zu fragen.
Nach einer weiteren Lesepause räumte er dann namens seines neuen Mandanten drei Schläge ein, die dieser bedauere. Ali habe sich mittlerweile von der Türsteherei mit ihrer „ständigen Alarmbereitschaft“ verabschiedet. Den offenbaren Umbruch im Leben honorierte Richterin Pauline Willberg mit Einverständnis der Staatsanwältin mit 600 Euro Geldauflage und ermahnte den Angeklagten: „Ich will Sie hier im Gericht nicht noch einmal als Angeklagten sehen.“