Morsbach – Der neue Bürgermeister in Oberbergs kleinster Gemeinde wird nach dem Wahlsonntag am 13. September sehr wahrscheinlich der alte sein: In Morsbach steuert der parteilose Bewerber Jörg Bukowski (46) auf seine dritte Amtszeit seit seiner ersten Wahl 2009 zu.
Jedoch, und das ist sicher, wird er im Fall seiner erneuten Wahl einen politisch veränderten Gemeinderat lenken. Haben die drei unabhängigen Gemeinschaften BFM, UBV und UWG im Juni vergangenen Jahres zunächst ihre Kooperation bekanntgeben, so treten sie nun als BFM-UBV gemeinsam zur Wahl an. Derzeit hat dieses Bündnis sieben Mandate im Rat – also ebenso viele wie die Sozialdemokraten.
Und erstmals im Rennen ist die AfD, sie geht in den drei Morsbacher Wahlbezirken Holpe, Alzen und Ellingen auf Stimmenfang. In Morsbach sind 8565 Menschen zur Wahl aufgerufen. Sie stimmen ab über 66 Bewerber, die einen Platz im neuen Gemeinderat haben wollen. Neben BFM-UBV und AfD treten an: CDU, SPD, Grüne und FDP sowie eben Bukowski als parteiloser Einzelbewerber für das Bürgermeisteramt.
Für die Gemeinde ist die Besetzung des Spitzenpostens im Rathaus vor allem eine Frage der Kontinuität: In Bukowskis zurückliegende Amtszeiten fallen alle Entscheidungen zu Projekten des Integrierten Handlungskonzepts, von denen bisher die Sanierung des Kurparks und der Bau des Pumptracks dort sowie die Umgestaltung des Milly-la-Forêt-Platzes am Rathaus ausgeführt worden sind.
Der Umbau des Bahnhofs in eine Kultur- und Versammlungsstätte mit neuem Wohnraum ringsherum und vor allem das Werden des Schulzentrums zu einem Bürgercampus mit inklusivem Hallenbad sind Projekte, die angelaufen sind und weiterhin einen langen Atem verlangen.
Gesichert ist dagegen die Zukunft der Leonardo-da-Vinci-Gemeinschaftsschule, die seit diesem Schuljahr als Sekundarschule fortgeführt wird. „Allerdings spürt man das Fehlen einer Oberstufe bis heute in den Anmeldezahlen“, bedauert Bukowski mit Blick auf „diesen Dauerbrenner seit 2009“.
Ebenfalls ein Dauerbrenner und ein Reizthema ist der Ausbau des Breitbandinternets, den die Gemeinde jetzt mit einem Betreibermodell selbst in die Hand nehmen will. „Auch wenn das eigentlich nicht Aufgabe einer Verwaltung ist“, betont der Rathauschef. Doch sei Morsbach damit auf einem guten und richtigen Weg, zumal der bisherige Ausbau durch Aggerenergie und Net-Cologne eigenwirtschaftlich und ohne Zugriff auf Fördermittel und damit auf Steuertöpfe erfolgt sei. „Das ist in anderen Kommunen anders gelaufen“, führt Bukowski aus. Sorge bereitet ihm die jährliche Abwanderung von rund 100 Einwohnern.
Amtierender Oberbürgermeister Jörg Bukowski
Eine Sommerrodelbahn, eine Mountainbike-Strecke, eine Seilrutsche und nicht zuletzt ein Sessellift, der den Festplatz an der Wisseraue mit dem Aussichtsturm auf der Hohen Hardt verbindet. „Warum nicht mal etwas größer denken?“, fragt sich Jörg Bukowski mit Blick auf die touristische Zukunft der Gemeinde Morsbach. Seit 2009 ist der heute 46-Jährige deren Bürgermeister. Und jetzt tritt er nicht nur als Amtsinhaber zur Wahl an, sondern auch als echter Einzelbewerber: Der Diplom-Verwaltungswirt ist parteilos. Aber die meisten im Rat vertretenen Parteien haben ihm Unterstützung zugesagt.
Natürlich wäre es im Sinne der Demokratie, gäbe es weitere Bewerber, betont der Vater von vier Kindern. Jedoch versteht er seine alleinige Kandidatur auch als Bestätigung „für elf Jahre guter Arbeit“: „Nachdem 2015 meine Kandidatur um den Posten des Landrats keinen Erfolg hatte, war klar, dass ich unbedingt in Morsbach weitermachen möchte“, erklärt der leidenschaftliche Schachspieler. Seit 2001 steht er in Diensten des Rathauses, war unter anderem im Bereich der Finanzen tätig. Und Arbeit gibt es in Oberbergs kleinster Kommune reichlich.
Dazu gehört etwa der Umbau des Bahnhofs zu einem Begegnungszentrum, einer Kulturstätte und einem Haus für Morsbachs Vereine, auch soll dort das Jugendzentrum Highlight heimisch werden. Auf den Gleisen davor sollen Draisinen rollen, wie Bukowski sie auf dem Wuppertrail zwischen Radevormwald-Dahlhausen und Wuppertal-Beyenburg selbst in Bewegung gebracht hat. Das Draisinen-Projekt ist auf die Spur gebracht, Morsbach hofft auf eine Förderung von rund 150 000 Euro aus der Kasse des europäischen Leader-Programms.
„Und wenn die Draisinen kommen, müssen wir weiterdenken“, fordert Bukowski. „Denn warum sollen Ausflügler aus Köln, die etwas erleben wollen, zum Beispiel ins Sauerland weiterfahren und nicht bei uns bleiben?“ Und auch den Bau einer rund 24 Kilometer langen Fahrradstrecke von der Stadt Wissen zum Wildenburger Bahnhof in der Ortsgemeinde Friesenhagen versteht Bukowski zum einen als touristisches Vorhaben, zum anderen aber auch als einen Beitrag Morsbachs zum Klimaschutz.
Dass die Politik im Mai vergangenen Jahres mit dem für Lichtenberg geplanten Medizinischen Versorgungszentrum ein Leuchtturmprojekt und noch dazu eine Idee Bukowskis erst mal aufs Abstellgleis geschoben hat, das habe geschmerzt, blickt der Rathauschef zurück. „Aber gestorben ist das nicht: Wir arbeiten an einem Plan B für das frühere Brocke-Gelände.“
So gehen die Parteien in die Kommunalwahl
CDU: Mit Heike Lehmann, Fraktionsvorsitzende im Gemeinderat, an der Spitze der Reserveliste sowie Lothar Schuh und Mario Klein gehen die Christdemokraten ins Rennen um Ratsmandate. In diesem Gremium wollen sie nach Auskunft von Thomas Jüngst, Vorsitzender des Gemeindeverbandes, die stärkste Kraft bleiben. „Dafür haben wir ein Programm ausgearbeitet, für das sich auch Morsbacherinnen und Morsbacher mit Ideen und Wünschen eingebracht haben.“ Mit der neuen Ratsmannschaft und im Zusammenspiel mit den anderen Fraktionen, sollen die Ziele aus „Dein Morsbach 2025“ umgesetzt werden. Ein Kernpunkt darin ist der „Masterplan für Sicherheit in Morsbach“ („Masimo“). Zudem will die CDU den „Breitbandturbo“ anwerfen, um das „schnelle Internet flächendeckend zu zünden“. Der Tourismus, der Handel und das Handwerk gehören zu den Bereichen, deren Attraktivität durch eine Offensive gesteigert werden soll.
SPD: Fraktionschef Wolfgang Kreft steht auf dem ersten Platz der Wahlliste, ihm folgen Karl-Ludwig Reifenrath und Tobias Schneider. Eine Ergebnisprognose will Kreft nicht wagen. Denn das hieße, über magische Kräfte zu verfügen, die SPD verstehe sich aber als rationale Partei. Kreft: „Unser kardinales Ziel ist es natürlich, von der derzeit zweitstärksten zur stärksten Fraktion zu werden.“ Und diese werde „wie in der Vergangenheit verantwortlich die Leitlinien der Morsbacher Politik maßgeblich bestimmen“. Nach der Wahl wollen die Sozialdemokraten Projekte der Gemeinde- und Dorfentwicklung weiterführen sowie die Infrastruktur verbessern, etwa mit bezahlbarem Wohnraum und der Sanierung von Straßen. Kreft: „Oberste Priorität hat die Stabilität der Schullandschaft.“ Die Fortsetzung der Eigenheimzulage für junge Familien sowie kostenfreie Ganztagsplätze für Morsbachs Kinder sind weitere Vorhaben der Partei.
BFM-UBV: Mit Jan Schumacher steht der Fraktionsvorsitzende an der Spitze der Reserveliste, ihm folgen Marko Roth und Klaus Solbach. Bei der Wahl möchte die neue Gemeinschaft das alleinige Wahlergebnis der BFM von 2014, nämlich 24, 37 Prozent, übertreffen. Wichtigste Themen sind für die Fraktionsgemeinschaft nach Auskunft von Schumacher Nachhaltigkeit sowie der Umwelt- und Naturschutz. Zudem fordern BFM und UBV den flächendecken Ausbau des Breitbandinternets mit Glasfaseranbindungen in jedes Haus und eine Verbesserung der Netzabdeckung im Mobilfunk. Kontinuierliche Investitionen in die bestehende Infrastruktur, unter anderem in Straßen, Gebäude und Ausstattung, und weitere Investitionen in die weitere Entwicklung der Gemeinde und deren Attraktivität seien ebenfalls ein Muss. Die Anliegerbeiträge zum Straßenausbau sollen gestrichen werden.
Grüne: Mit Angelika Vogel an der Spitze ihrer Liste sowie Bernadette Reinery-Hausmann und Marc Hausmann auf den weiteren Plätzen treten Morsbachs Grüne an – mit dem Ziel, diesmal mehr als zehn Prozent zu holen. Auch in Morsbach sieht Fraktionschefin Angelika Vogel umgehend Maßnahmen zur Bekämpfung des Klimawandels und seiner Auswirkungen als oberstes Ziel. Zudem fordern die Grünen ein nachhaltiges Verkehrskonzept sowie eine nachhaltige Umgestaltung der Forst- und Landwirtschaft: „Keine Verseuchung der Böden durch Gülle, keine Monokulturen“, zählt Vogel auf. „Nachhaltig“ sein sollen auch Konsum und Produktion bei fairen Preisen, die Massentierhaltung müsse aufhören, während ökologisch arbeitende Betriebe eine Förderung erhalten sollen. Vogel: „Das Wichtigste ist aufzuwachen. Es gibt kein ,Weiter so’!“ Vorstellen kann sich Vogel auch die Einrichtung eines Jugendkunstpreises.
FDP: Auf den Spitzenplatz ihrer Liste haben die Liberalen Heiko Förtsch gesetzt, ihm folgen Klaus Peters und Annette Poppeck. Die FDP will Fraktionsstatus im Rat erreichen und peilt ein Ergebnis jenseits von acht Prozent an. Für die Entwicklung Morsbachs und die Mobilität fordert die Partei die Umsetzung beschlossener Entwicklungsschwerpunkte innerhalb des Kernortes sowie in Holpe und Lichtenberg. Der Erhalt leistungsfähiger Straßen soll erfolgen im Einklang mit der gewerblichen Entwicklung und den Mobilitätsbedürfnissen der Morsbacher. Die sollen zügig auf ein Breitbandinternet im Besitz der Kommune zugreifen können, und zwar über ein Glasfasernetz bis in jede Schule und jedes Haus. Auch wünscht die FDP Wertschätzung für das Ehrenamt. „Das heißt, Gemeinschaft eigenverantwortlich leben zu dürfen und zu erleben“, sagt Förtsch. „Das ist Mehrwert für unsere Gesellschaft mit einem Minimum behördlicher Einmischung.“
AfD: Erstmals tritt die AfD an, und zwar in Holpe, Alzen und Ellingen. Auf der Wahlliste stehen Friedhelm Müller, Karl-Josef Christ und Dieter Beckers. Ziel sei es, 2,5 Prozent zu holen, gibt Bernd Rummler, Sprecher des Kreisverbandes, das Ziel vor. In Morsbach verbessern will die AfD „den katastrophalen Zustand der Gemeindestraßen“. Manche seien so desolat, dass ein Befahren mit einem normalen Auto fast unmöglich sei. Bauen will die Partei eine Umgehungsstraße, damit der Lastverkehr fern von Morsbachs Mitte bleibt. Dabei sollen die Anforderungen von Industrie und auch die berechtigten Belange des Umweltschutzes berücksichtigt werden – ohne dass es Prioritäten gebe für den Umweltschutz, die Industrie oder den Verkehr. Morsbach habe die Digitalisierung verschlafen, kritisiert Rummler. Jetzt müsse das Internet auf den Stand, der in anderen Ländern längst Standard sei – zum Wohle von Handwerk, Handel und Industrie. (höh)