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Bianka Bödecker und Lydia Tittes im Gespräch„Die Quote ist furchtbar, aber notwendig“

Lesezeit 5 Minuten
Kommen und Gehen in Räten

Nicht in allen Fragen einig sind sich Bianka Bödecker und Lydia Tittes, aber in einer: Als Frau muss man in der Politik ein besonderes Durchsetzungsvermögen beweisen.

  1. Bianka Bödecker ist nicht mehr zur Wahl angetreten, um Jüngeren das Feld zu überlassen.
  2. Jüngstes Mitglied der neuen Fraktion ist Lydia Tittes. Reiner Thies sprach mit den beiden CDU-Politikerinnen über Konservativismus und Feminismus.
  3. Im Interview sprechen sie außerdem über ihre Meinung zu den Kandidaten für den CDU-Vorsitz, die Frauenquote und Fehler in der Vergangenheit.

Wer soll neuer CDU-Vorsitzender werden? Die Junge Union hat sich festgelegt. Aber was meinen Sie persönlich: Laschet, Merz oder doch Röttgen?

Tittes: Ich gehöre zum Unterstützerteam Merz. Ich habe sogar schon in den Tagesthemen darüber gesprochen, dass ich ihn für den besten Kandidaten halte.

Bödecker: Da bin ich ganz anderer Meinung. Ich war überrascht, dass die Junge Union ausgerechnet den ältesten Bewerber gewählt hat. Mit Armin Laschet würden wir einen guten Ministerpräsidenten verlieren, Jens Spahn ist zu jung. Ich halte Norbert Röttgen für intelligent, integer und – anders als Merz – auch für teamfähig.

Hätte der Auswahl eine weibliche Kandidatin gut getan?

Bödecker: Wir hatten ja mit Angela Merkel für viele Jahre eine Kanzlerin, darum kann jetzt auch ruhig mal wieder ein Mann übernehmen.

Tittes: Und mit der bisherigen Parteivorsitzenden Annegret Kramp-Karrenbauer und EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen stehen noch zwei weitere CDU-Frauen ganz vorn.

Braucht die CDU eine Frauenquote?

Bödecker: Ich bin dafür, obwohl das Problem nicht gelöst ist, dass wir auch genügend bereitwillige Kandidatinnen brauchen. Frauen sind noch immer viel stärker der Mehrfachbelastung durch Beruf und Familie ausgesetzt.

Tittes: Ich war früher dagegen, habe meine Meinung aber in den fünf Jahren, die ich im Landtag arbeite, geändert. Es gibt derzeit auch viele mittelmäßige Männer in gehobenen Positionen. Daher halte ich es mit der Quote für verkraftbar, wenn das auch auf die ein oder andere Frau zutrifft. Selbstbewusste Männer haben meiner Erfahrung nach nichts gegen eine Quote einzuwenden.

Bödecker: Ich finde die Quote furchtbar, aber wir brauchen sie. Die Frauen trauen sich sonst nicht. Manchmal muss man taktieren. Als damals die Entscheidung über die Anstellung einer Frauenbeauftragten in der Stadtverwaltung anstand, hat die Frauen-Union sich in einer Presseerklärung dafür ausgesprochen und die unwilligen Männer unter Druck gesetzt. Einige CDU-Ratsmitglieder haben dann bei der Abstimmung den Saal verlassen.

Zwei Frauen

Bianka Bödecker (66) ist gelernte Bankkauffrau und Mutter von zwei Töchtern. 1989 kam sie zunächst als Sachkundige Bürgerin in die Kommunalpolitik, 1999 wurde sie Mitglied der CDU-Stadtratsfraktion. Bald übernahm sie den Vorsitz des Jugendhilfeausschusses. 16 Jahre lang repräsentierte sie die Stadt als stellvertretende Bürgermeisterin. 2016 wurde sie dafür mit dem Silbernen Wiehltaler ausgezeichnet. Sie amtiert als kommissarische Vorsitzende des CDU-Ortsvereins.Lydia Tittes (25) hat Politikwissenschaften und Journalistik studiert und ist in Düsseldorf als Wissenschaftliche Mitarbeiterin für den Remscheider CDU-Landtagsabgeordneten Jens Nettekoven tätig. Sie ist als Pressesprecherin Mitglied des Kreisvorstandes der CDU Oberberg und Vorsitzende der Jungen Union in Wiehl. (red)

Im neuen Wiehler Stadtrat ist der Frauenanteil mit 16 zu 28, also 36,36 Prozent, relativ hoch. Ist das Zufall?

Bödecker: Ich bin stolz, dass wir auch in der zweiten Reihe viele Frauen haben. Wir haben einige gezielt angesprochen. Man muss sie pflegen und schubsen.

Tittes: Männer haben immer einen Mentor, ich hatte das nie. Dabei ist es sicher hilfreich, von politischen Vorbildern taktisches Denken zu lernen.

Bödecker: Als Frau muss man sich in Sitzungen gegen die lauten Stimmen der Männer durchsetzen können. Ich habe dafür auch schon mal auf den Tisch gehauen.

Was würden Sie heute anders machen, Frau Bödecker?

Bödecker: Mit meiner direkten Art habe ich vielleicht manchen verprellt. Offenheit ist in der Politik nicht immer die beste Strategie.

Haben Sie auch einmal erwogen, als erste Oberbergerin sich um ein Landtagsmandat der CDU zu bewerben?

Bödecker: Solch einen Posten muss man nicht nur wollen, sondern auch ausfüllen können. Der Aufwand hat mich abgeschreckt. Ich konnte auf kommunaler Ebene immer unabhängig Politik machen, ohne auf berufliche Interessen zu schielen.

Tittes: Denken Sie nicht doch manchmal: Hätte ich doch . . . ?

Bödecker: Nicht in der Politik, sondern im Beruf. Ich wollte Bauingenieurin werden. Mein Vater hat einen solchen „Männerberuf“ nicht akzeptiert. Dann habe ich die Banklehre gemacht, und dabei ist es geblieben.

Frau Tittes, Sie sind es gewohnt, in Düsseldorf am großen Rad zu drehen. Warum wollen Sie nun in den Niederungen der Kommunalpolitik mitarbeiten? Opfern Sie ihre Freizeit als treue Parteisoldatin? Oder ist ein bisschen Stallgeruch von der Basis ein politischer Karrierebeschleuniger?

Tittes: Ich will etwas bewegen, und das kann man auf der untersten Ebene am besten. Ein Stadtverordneter hat ganz andere Erfolgserlebnisse als ein Landtagsabgeordneter. Dennoch traue ich mir auch den nächsten Schritt zu. Auf einen Sitz in Bundes- oder Landtag sollte man aber nicht hinarbeiten. Dafür braucht man auch viel Glück.

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Politik ist als Ehrenamt so systemrelevant wie die Freiwillige Feuerwehr, hat aber ein großes Imageproblem. Woran liegt es und was kann man dagegen tun?

Tittes: Tatsächlich habe ich es beim Haustür-Wahlkampf mehrmals erlebt, dass man für eine verfehlte Bundespolitik verantwortlich gemacht wird. Über die Sozialen Medien bekomme ich aber auch viel Zuspruch. Durch das Selfmarketing erreiche ich zahlreiche Abonnenten und kann Kommunalpolitik erklären.

Bödecker: Der Bürger kann die politischen Ebenen schon ganz gut unterscheiden. Ich erinnere mich noch an die Zeit von Helmut Kohl und den schwarzen Geldkoffern. Damals habe ich oft gehört: „Die da oben machen, was sie wollen, und Ihr müsst Euch abrackern.“ Natürlich hat man manchmal mit Wutbürgern zu tun, die nur meckern wollen. Im Gespräch lassen die sich aber auch wieder herunterholen.

Sollte es im Stadtrat nicht ein interfraktionelles Frauennetzwerk geben?

Bödecker: Das hängt sehr stark von den handelnden Personen ab. Ich hatte einen guten Draht zu Angelika Banek von der SPD und Roswitha Köhlert von den Grünen. Damals haben wir uns regelmäßig in einer Frauenrunde getroffen.

Tittes: Das fände ich gut. Mal sehen, was möglich ist.