Bergneustädter StadtratZwei ganz besondere Neuzugänge
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Diese zwei jungen Frauen sind die Neuen und gleichzeitig die Jüngsten im Stadtrat: Tugyan Ardic (19) und Michaela Trilling (22).
Harald Knoop hat mit den beiden über ihre Vorhaben und politischen Vorbilder gesprochen.
Das Gespräch ist der Auftakt unserer neuen Serie „Kommen und Gehen“, die sich nach der Kommunalwahl mit besonderen Abschieden und besonderen Neuzugängen in Räten und Kreistag beschäftigt.
Bergneustadt – Überaltert, wenig bürgernah und von Männern dominiert – so erscheint vielen Bürgern die Zusammensetzung der Räte. In Bergneustadt gelang im September zwei jungen Frauen der Einzug. Zum Auftakt unserer neuen Serie „Kommen und Gehen“, die sich nach der Kommunalwahl mit besonderen Abschieden und besonderen Neuzugängen in Räten und Kreistag beschäftigt, hat Harald Knoop mit Tugyan Ardic und Michaela Trilling gesprochen.
Wie kam es zu Ihrer Kandidatur für den Stadtrat?
Michaela Trilling: Als es auf die Wahl zuging, wurde ich angesprochen, ob ich in Wiedenest kandidieren wolle. Ich war schon in der Jungen Union im Kreisvorstand aktiv. Ich bin jung, eine Frau, wollte meine Sichtweisen einbringen und ein bisschen Opposition gegen alte Gepflogenheiten sein.Tuygan Ardic: Mehmet Pektas, das andere Stadtratsmitglied der FWGB, hat mich angesprochen, ob ich kandidieren würde. Es gab niemanden sonst in meinem Alter. Ich habe ein paar Tage überlegt und dann zugesagt.
Was gefällt Ihnen an der Politik?
Ardic: Wenn man etwas will, muss man etwas dafür tun. Du lebst hier und tust nichts – das ist nicht richtig. Viele Jugendliche in der Stadt wünschen sich Veränderungen, wünschen sich, dass etwas für sie getan wird, tun aber selber nichts dafür. Im Stadtrat kann ich das jetzt versuchen. Ich habe in der Innenstadt an den Treffpunkten der Jugendlichen Interviews geführt und sie nach ihren Wünschen und Vorstellungen gefragt – und diejenigen kritisiert, die nicht zur Wahl gegangen sind.
Anfang November konstituiert sich der neue Stadtrat. Wie bereiten Sie sich auf die kommenden fünf Jahre vor? Was wissen Sie von der Arbeit im Stadtrat?
Ardic: Noch nicht sehr viel. Die FWGB ist ja ganz neu im Rat. Zusammen mit Mehmet Pektas werde ich mich aber rasch einarbeiten. Es gab bereits die ersten Treffen der Fraktionsvorsitzenden. Wir bereiten uns vor.
Trilling: Ich habe vor der Wahl schon Ratssitzungen besucht, um zu sehen, wie es dort abläuft. In die Arbeit der Ausschüsse muss man sich reinfuchsen, damit man mitreden kann. Ich würde gerne im Schul- und im Umweltausschuss mitarbeiten. Die Verwaltungsvorlagen sind nicht leicht zu lesen, aber ich habe eine Zeit lang Wirtschaftsrecht studiert, da kenne ich solche Texte. Das kriege ich hin. Und es gibt Treffen mit den erfahrenen Ratsmitgliedern.
Sie sind beide berufstätig, Ratsarbeit ist zeitaufwendig. Bekommen Sie das hin?
Trilling: Ich arbeite in Siegen und habe meinen Arbeitgeber frühinformiert, das wird kein Problem.
Ardic: Ich arbeite im Krankenhaus Gummersbach. Wenn Sitzungen sind, kann ich meine Dienste tauschen.
Wie haben Familie und Freunde auf Ihre Kandidatur und ihre Wahl reagiert?
Ardic: Prima. Meine Mama war überrascht, als sie mein Bild auf unserer Wahlkampfbroschüre gesehen hat, jetzt ist sie sehr stolz auf mich. Auch von meinen Freunden habe ich sehr viel Zustimmung bekommen.
Trilling: Bei mir war es auch so. Und als überall in Wiedenest die Plakate mit meinem Bild hingen, war das Echo ebenfalls gut.
Haben Sie ein politisches Vorbild?
Trilling: Keine bestimmte Person. Mein Vorbild sind alle starken Frauen in der Politik, die es schaffen, ein Bundestagsmandat, Kinder und Familie unter einen Hut zu kriegen.
Ardic: Das sehe ich genauso.
Politik ist als Ehrenamt so systemrelevant wie die Freiwillige Feuerwehr, hat aber ein großes Imageproblem. Woran liegt es und was kann man dagegen tun?
Ardic: Zurzeit ist das Gemeinschaftsgefühl nicht sehr groß. Steuern oder eine neue Straße gefallen dem einzelnen Bürger vielleicht nicht, dienen aber dem Wohl der ganzen Stadt. Die Muslime in Bergneustadt zum Beispiel fühlen sich nicht genug vertreten, sie haben bislang keine Stimme in der Politik. Das Problem mit einer neuen Moschee ist nicht gelöst. Und es wird nicht genug für die Jugend in der Stadt getan. Die hängen rum, ein richtiges Angebot gibt es nicht.
Trilling: Die Politik ist aus dem Mittelpunkt der Gesellschaft gerückt. So sind Diskussionen und die daraus folgenden Kompromisse oft nicht verständlich. Deshalb haben wir nun die Aufgabe, und es ist mein dringlichster Wunsch, Politik wieder bürgernah und informativ zu gestaltet. Nur so können Bürger einenwirklichen Eindruck Ihrer Kandidaten gewinnen und können, dann vielleicht vermehrt, eine gewissenhafte Wahl treffen.
Was würde Ihnen den Spaß an der Ratsarbeit denn verderben?
Trilling: Wenn Vorschläge nur deshalb abgelehnt würden, weil einem die Partei, von der sie kommen, nicht passt. Mein Ziel ist, dass der Stadtrat gemeinsam und gut entscheidet.
Ardic: Das ist schwer zu sagen. Ich weiß, dass es im Rat auch mal persönlich wird und es Anfeindungen geben kann. Aber da muss man stark sein.
Wenn wir uns in fünf Jahren erneut zusammensetzen, was wollen Sie dann erreicht haben?
Ardic: Dass wir die Jugend von der Straße geholt und ihr ein Dach über dem Kopf geschaffen haben. Und natürlich dass es für die Muslime in der Stadt eine neue Moschee gibt, das ist unser großes Ziel.
Trilling: Dass die Politik transparenter und den Menschen die Gemeinschaft wichtiger geworden ist.
Freuen Sie sich, dass es bald losgeht?
Trilling/Ardic: Ja!
Zur Person
Name: Tugyan Nur ArdicAlter: 19Geboren in: Gummersbach, lebt seit ihrer Rückkehr aus der Türkei 2016 in BergneustadtBeruf: Auszubildende zur KrankenpflegeassistentinHobby: spielte je vier Jahre Fußball in der Türkei und in Deutschland.Politik: Bei der Wahl kam Ardic auf Listenplatz 2 der Freien Wählergemeinschaft Bergneustadt (FWGB) in den Rat.
Michaela Trilling
Name: Michaela TrillingAlter: 22Geboren in: Frankfurt, lebt seit 2016 in BergneustadtBeruf: Ausbildung zur Groß- und AußenhandelskauffrauHobby: Reiten, Snowboarden, Mitarbeit auf dem Biohof Rosenthal, wo sie mit ihrem Freund Jonathan Gauer lebt, der ebenfalls in den Stadtrat gewählt wurde.Politik: Für die CDU gewann Trilling den Wahlbezirk Wiedenest II klar mit 43,6 Prozent.