Trotz gewisser Energiespar-Tendenzen: Lichtverschmutzung und ihre ökologischen Auswirkungen beschäftigen Forscher nach wie vor. Astronom Harald Bardenhagen aus Köln kämpft für den freien Blick auf den Sternenhimmel.
Lichtverschmutzung in der Kölner RegionDie Heiligen Drei Könige hätten es schwer mit dem Stern
Ob Kaspar, Melchior und Balthasar im Jahr 2023 noch einem Stern folgen könnten, sieht der Kölner Astronom Harald Bardenhagen mit Skepsis. Sein Kollege Andreas Vossinakis entwarf zu der Frage einmal einen Comic: Drei Leute reiten auf dem Kamel durch die nächtliche Wüste. Alle drei schauen in eine andere Richtung. Motto: „Heute hätten es die Heiligen Drei Könige schwer, sich zu orientieren.“
Lobbyist der Finsternis
Die Sicht auf den nächtlichen Himmel, weiß Bardenhagen, wird vor allem durch Lichtsmog verschmutzt. Also durch Kuppeln oder Glocken aus Licht, gegen die Sterne nicht anleuchten können. Der gelernte Pädagoge, der bis zu seiner Pensionierung in der IT-Branche arbeitete, liebt die Astronomie. Daher wird er nicht müde, bei seinen Sternwanderungen im Nationalpark Eifel bis tief in die Nacht Besuchergruppen mit dem Laserpointer die Sterne zu erklären.
Doch dafür muss es wirklich dunkel sein. Seit vielen Jahren kämpft Bardenhagen quasi als Lobbyist der Finsternis dafür, dass im Umland seiner mobilen Sternwarte auf dem Gelände der Ordensburg Vogelsang die Lichter gedimmt werden.
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Und einige Eifel-Städtchen, wie zum Beispiel Heimbach, das seine Burg nachts nicht mehr anstrahlt, machen bei der Lichtreduzierung sogar mit. Für die Besucher – darunter fanden sich schon Studentengruppen aus immer hellen Megacitys wie Peking – ist es ein Aha-Erlebnis, wieder Jungfrau oder großen Wagen am Himmel zu entdecken.
Nicht zuletzt die Energiekrise sorgte nun dafür, dass es vielerorts wieder dunkler ist. Ist das auch an einem klareren Nachthimmel zu registrieren? „Ja, das ist so“, sagt Bardenhagen, kann konkrete Zahlen jedoch noch nicht nennen. Auch bei der „Rheinenergie“ geht man davon aus, „dass es aufgrund zahlreicher Abschaltungen der Anstrahlung von Gebäuden und Denkmälern zu einer Verringerung des Lichtsmogs in den vergangenen Monaten kam.“
Kölner Dom in den Spitzen beleuchtet
Aber mancher Vorstoß wurde schon wieder zurückgenommen. Der Kölner Dom blieb nur vorübergehend ohne Beleuchtung. Zumindest die Domspitzen sollten im Stadtbild erkennbar bleiben – „als dezentes Zeichnen der Hoffnung und Zuversicht“, sagte Referent Markus Frädrich.
Immerhin will die „Rheinenergie“ bei Neubauten „auf unnötiges und unnötig starkes Licht verzichten. Zudem setzen wir auf LED-Technik, damit können wir das Licht deutlich genauer steuern“, so ein Sprecher des Unternehmens. Gemessen werde der Smog nicht. Im Auftrag der Stadt Köln erfolgte jedoch eine Zusammenarbeit mit dem Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung, verbunden mit nächtlichen Überflügen.
Vor allem in Ballungsgebieten sorgen Privathaushalte, Gewerbe und öffentliche Straßen und Plätze für Festbeleuchtung. Aber auch in der Eifel schreitet die Zersiedelung voran. „Es ist immer wieder ein Kampf. Gibt es ein neues Gewerbegebiet, ist das hell erleuchtet“, klagt Bardenhagen. Ganz auf nächtliche Beleuchtung zu verzichten – bei dem Versuch holte sich der Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer eine blutige Nase.
Er räumte Fehler nach Bürgerprotesten ein. Man sah sich in der Sicherheit eingeschränkt. Mit dem Konzept „Licht nach Bedarf“ startete Tübingen jetzt ein Pilotprojekt, bei dem für Fußgänger ein Lichtteppich erst bei Bewegung ausgebreitet wird.
Soweit die sparsamen Schwaben. Aber auch zahlreiche rheinische Kommunen wollten – nicht zuletzt um das Stadtsäckel zu schonen – noch im Herbst die Straßenbeleuchtung dimmen, fassten Ratsbeschlüsse wie in Niederkassel, zwischen 23 und 5 Uhr stadtweit 2000 Laternen auszuschalten. Als Bürger protestierten, sprachen sich die Parteien dafür aus, dass sie zumindest an Wochenenden länger eingeschaltet bleiben sollten.
Dass Straßen in gefährlichen Kreuzungsbereichen, an Unterführungen und vor allem bei Fußüberwegen nachts beleuchtet werden, hat der Gesetzgeber vorgegeben. „Die Verkehrsordnung ist die Bibel“, sagt Bardenhagen. „Doch wird durch das Licht nicht alles automatisch sicherer. Leuchtreklamen können durch den raschen Bildwechsel ablenken. Und manchmal blendet es einfach nur.“
Astronomisch steht die Nacht für maximale Dunkelheit. Der Mensch hat sich mit dem künstlichen Licht eine grelle Bühne geschaffen, die den Rhythmus der Natur gehörig durcheinanderbringt.
Johan Eklöf, schwedischer Zoologe und Autor des neuen Buchs „Das Verschwinden der Nacht“, zeigt an Beispielen aus der Tier- und Pflanzenwelt, wie die Lichtverschmutzung zum Insektensterben, zur ökologischen Krise beiträgt. Die Tragweite werde erst allmählich deutlich, die Forschungsliteratur boome.
Verliebte Kohleule
Der Kohleule zum Beispiel, einem gesprenkelten Nachtfalter, gelingt das Liebesspiel nur bei absoluter Dunkelheit. Andere Falter wiederum werden durch Straßenlaternen magisch angezogen, da sie sie für den Mond halten, an dem sie sich orientieren. Zahlreich sterben sie vor Erschöpfung oder werden von Jägern gefressen, die bei den Laternen leichte Beute haben.
Und die Heiligen Drei Könige? „Also, wenn da ein Stern gewesen ist, wird er wahrscheinlich nicht so direkt die Richtung angezeigt haben“, so Bardenhagen
Sternwanderungen
Rund 120 Termine für Sternwanderungen gibt es jährlich im Internationalen Platz Vogelsang zwischen Schleiden-Gemünd und Simmerath-Einruhr. Für 2023 gibt es bereits 1500 Anmeldungen. Bei schlechtem Wetter wird vorher abgesagt.