Prinz oder PartyWem gehört der Leverkusener Karneval?
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Leverkusen – Wem gehört der Karneval? Was darf man in seinem Namen veranstalten? Die Frage stellt sich, etwa, wenn 12 000 Menschen bei „Jeck im Sunnesching“ Anfang September Karneval feiern. Einfach nur, weil man da mal in luftigen Kostümen draußen feiern kann. Geht zwischen dem 11. November und bestenfalls Anfang März eher nicht. Wie weit Veranstaltungen im Namen des Fastelovend auseinander gehen, ließ sich am Samstag in Leverkusen beobachten, an zwei Orten, Luftlinie nur etwas mehr als einen Kilometer voneinander getrennt. Im Forum die Prinzenproklamation des Festausschusses Leverkusener Karneval (FLK).
Hier wird der Prinz mit seinem Gefolge offiziell in das Amt eingeführt, es gibt traditionelle Rituale und ein Publikum, das an fein aufgereihten Tischen mit Weinkühlern darauf sitzt. Und eine hohe Promidichte: NRW-Innenminister Herbert Reul, Neu-Senator Henry Maske, Karl Lauterbach mit gepunkteter Fliege. Wer Rang und Namen hat, ist hier.
Keine Absprachen bei der Buchung
Die Stühle in der mit 3500 Plätzen ausverkauften Ostermann-Arena, in der zeitgleich die Partyveranstaltung „Arena Alaaf“ stattfindet, dienen vor allem als Ablage für 10-Liter-Kölsch-Fässer und selbst mitgebrachtes Picknick. Das Publikum steht, tanzt, singt und trinkt. Das Programm überschneidet sich an einigen Stellen: Die Bands Klüngelköpp und Paveier spielen an beiden Orten. Praktisch für die Bands – und auch für die Organisatoren? Man könnte meinen, dass es für Veranstalter einfacher ist, die Großen des Karnevals aus Köln nach Leverkusen zu holen, wenn es sich für sie gleich doppelt lohnt. „Nein“, sagt Rolf Schuhmacher bestimmt, als Literat des Festausschusses Leverkusener Karneval seit über 30 Jahren verantwortlich für das Programm der Proklamation. „Ich habe erst im Nachhinein davon erfahren, dass die beiden Gruppen in der Arena auch auftreten, es gab da keinerlei Absprachen.“
Vielmehr machte er sich vor der Veranstaltung Sorgen, ob die Acts denn auch pünktlich eintreffen würden. Zu Unrecht, wie sich rausstellte. Die Paveier hatten nur 15 Minuten Zeit, um von einer Bühne auf die andere zu kommen. Doch es ist gelungen.
Unglücklich über Termingleichheit
Überhaupt war das FLK sehr unglücklich über die direkte Konkurrenz an ihrem wichtigsten Tag der noch jungen Session. Der Kartenverkauf lief schleppend. „Aber wenn wir mal ehrlich sind: Die Leute, die heute in die Arena gehen, sind früher auch nicht zu uns gekommen“, sagt Schumacher dann. Vielleicht müsse man über Veränderungen nachdenken, er habe ein paar der jüngeren Besucher gefragt, ob man statt der Kapelle vielleicht lieber einen DJ engagieren soll. Die einhellige Antwort: Auf keinen Fall! Zu einer Sitzung gehört eine Kapelle.
„Wir kommen schon einige Jahre hierher und es ist gerade schön, weil so viel Tradition darin steckt“, sagt die 43-jährige Miriam Heiler, während sie den diversen Kindertanzkorps verzückt beim Einmarsch zuschaut. Auch für die ist der Auftritt im Forum besonders. Auch wenn die meisten nur marschieren und von der Bühne winken. Bevor es losgeht, versucht die fünfjährige Johanna von Grün-Weiß Schlebusch, auf die Hände ihrer achtjährigen Freundinnen Julia und Anna aufzusteigen. Hebefiguren, wie sie sie bei den großen gesehen haben. „Nein, das machen wir heute nicht“, lacht Johanna. „Wir laufen nur ein .“ Aufgeregt ist sie trotzdem. Ich will den Prinz sehen!“ Der kommt allerdings erst später.
Richrath ernennt Henry Maske zum Senator
Zunächst hat Oberbürgermeister und Senatspräsident Uwe Richrath seinen Auftritt. Er benennt fünf neue Senatoren. Alles namhafte Männer, darunter Box-Olympiasieger Henry Maske. „Im nächsten Jahr verspreche ich, dass hier fünf Frauen stehen“, sagt Richrath. Senatspräsident sei er dann ja voraussichtlich noch. „Das andere ist eine andere Sache.“ Auf den Oberbürgermeister folgt der mäßig lustige Guido Cantz, der feststellt: „Die Stimmung hier ist ja eine richtige Vorstufe für den Totensonntag.“ Im Forum kommt erst die Pflicht, die Party steigt später.
In der Ostermann-Arena steigt die Party direkt. Brings sei dank, erreicht die Stimmung schon zur Eröffnung einen ersten Höhepunkt. Später zeigen sich einige Längen im Programm. Zeit sich umzuhören: Warum hier feiern, und nicht im Forum? „Was ist im Forum?“ „Was passiert bei einer Prinzenproklamation?“ Die Vorstellung dazu sind bei den meisten Befragten, allesamt Leverkusener, bestenfalls vage. Hier ist man, um zu feiern. Und das geht dann auch wieder bestens, als nacheinander Querbeat und Kasalla auf die Bühne stürmen.
Ein glaubwürdiger Prinz
Im Forum nimmt die Feier Fahrt auf, als Prinz Kerbi I. (Sebastian Kehrbaum) auftritt, ein junger Prinz, 35 Jahre alt, schlagfertig und glaubwürdig begeisterter Karnevalist. Ein Glücksfall für die Veranstaltung, auf der dann bis zum Ende auch noch ordentlich geschunkelt und getanzt wurde. Beide Veranstaltungen endeten um kurz vor Mitternacht, kurz vor Totensonntag. Eine Herausforderung für die Taxifahrer der Stadt, die dieser mit teilweise wahnwitziger Fahrweise begegneten.
Arena nächstes Jahr vor Sessionsbeginn
Und wo war er nun, der echte Karneval? Traditionalisten werden natürlich immer auf das Forum verweisen. Aber gemeinsam tanzen, singen, trinken, sich in den Armen liegen – gehört das nicht auch dazu? „Der Karneval ist bunt und das ist wichtig“, betonen unabhängig voneinander die Sänger von Kasalla und Miljö in der Arena. Zusammen bunt sein gegen braunes Gedankengut, das in Deutschland um sich greift, die Botschaft rufen viele in die Halle, die an diesem Abend auf der Bühne stehen. Wenn das im Namen des Karnevals passiert, sollte sich niemand davor verschließen. Es ist genug Platz für beides. Wenn es auch nicht unbedingt am selben Abend sein muss. Das wird im nächsten Jahr nicht passieren. „Arena Alaaf“ findet dann schon am 7. November statt. Vor Sessionsbeginn.