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ForschungBodenbearbeitung beeinflusst, wie viel Nitrat ins Zülpicher Grundwasser kommt

Lesezeit 6 Minuten
Lea Garmer (trägt einen Gehörschutz) und Uwe Kalthoff von der Landwirtschaftskammer füllen eine Bodenprobe in einen Probenbeutel um. Kalthoff trägt einen Strohhut auf dem Kopf.

Die Bodenproben aus verschiedenen Tiefen werden von Lea Garmer und Uwe Kalthoff zur weiteren Analyse im Labor eingetütet.

Es geht um Nitrat im Grundwasser: Forscher der Landwirtschaftskammer Rheinland untersuchen Bodenproben von Acker bei Oberelvenich.

Rund drei Millionen Hektar Acker- und Grünland liegen in Deutschland nach der 2022 erfolgten Ausweisung in nitratbelasteten Gebieten, auch „rote Gebiete“ genannt. Für die Düngung gelten dort für die Landwirtschaft besondere Auflagen. Auch im Kreis Euskirchen gibt es solche Flächen: Weite Teile der Zülpicher Börde mit ihren fruchtbaren Böden gehören dazu, ebenso große Bereiche rund um Euskirchen, Mechernich und in der Gemeinde Weilerswist.

Projektkoordinator Uwe Kalthoff und Betriebsbetreuerin Lea Garmer von der Landwirtschaftskammer Rheinland stehen auf einem Acker bei Oberelvenich, der vom Bio-Betrieb Haus Bollheim bewirtschaftet wird. Im Rahmen eines Modellprojekts führt die Landwirtschaftskammer bereits seit mehreren Jahren Nitratmessungen durch.

Dafür wurden 2016 sogenannte Saugplatten eingerichtet. „Dort wird das Sickerwasser auf dem Weg ins Grundwasser gesammelt und auf seine Inhaltsstoffe analysiert“, erklärt Kalthoff, während seine Kollegin in den Brunnenschacht hinunterklettert, um die Proben zu sichten. „Ziel des Projekts ist die Ableitung von Maßnahmen für ein Wirtschaften, das das Grundwasser noch mehr schont“, so Kalthoff weiter.

Warum Nitrat im Grundwasser ein Problem für den Menschen ist

Denn zu hohe Nitratwerte im Grundwasser sind ein Problem für die Trinkwasserversorgung, da Nitrat im Körper zu gesundheitsschädlichem Nitrit umgebaut werden kann. Das ist speziell für Säuglinge gefährlich. „Wir haben hier in der Zülpicher Börde, die im Regenschatten der Eifel liegt, traditionell sehr geringe Niederschläge“, erläutert Kalthoff. „Und im Vergleich zu anderen Gunstgebieten ist dadurch auch die Grundwasserbildung sehr gering“, so der Agrar-Fachmann weiter: „Mehr als 100 Liter pro Jahr werden das hier am Standort nicht sein – im Vergleich zur doppelten bis dreifachen Menge am Niederrhein oder im Münsterland.“

Lea Garmer zeigt eine der Sickerwasserproben in einer Glasflasche.

Da die Zülpicher Börde im Regenschatten der Eifel liegt, ist die Menge des Sickerwassers, das über die Saugplatte aufgefangen wird, in der Regel gering.

Verstärkt werden könnte die Wasserknappheit in der Zülpicher Börde auch noch durch den Klimawandel. „Höhere Temperaturen führen zu mehr Verdunstung. Und ob es hier neue Genehmigungen zur Bewässerung geben wird, halte ich persönlich für ausgeschlossen“, so Kalthoff weiter.

Die Bohrungen geben uns auch eine Antwort auf die Frage, welche Stoffe in welcher Menge noch über die Düngung auf der betreffenden Fläche hinzugefügt werden müssen.
Uwe Kalthoff, Projektkoordinator der Landwirtschaftskammer Rheinland

Saugplatten wie in Oberelvenich wurden im Rahmen des Projekts an elf Standorten in NRW im Boden eingerichtet. Die Bewirtschaftung dieser Saugplattenflächen will die Landwirtschaftskammer nun weiter untersuchen. Dafür ist das Team um Uwe Kalthoff allerdings auf Hilfe des Geologischen Dienstes NRW aus Krefeld angewiesen, der mit zwei Mitarbeitern und einem Erdbohrer angerückt ist. Denn um weitere Rückschlüsse auf die Nährstoffgehalte im Boden ziehen zu können, müssen die Forscher im wahrsten Sinne des Wortes in die Tiefe gehen.

Forscher nehmen bei Zülpich Bodenproben aus bis zu neun Metern Tiefe

Mittels sogenannter Rammkernbohrungen, die im Abstand von zwei Jahren wiederholt werden sollen, werden Bodenproben aus einer Tiefe zwischen 7 und 15 Metern gewonnen, die ergänzende Hinweise auf die Saugplattenergebnisse liefern sollen. „Bei den speziellen Bohrungen werden Bodenproben aus verschiedenen Bodenschichten entnommen und anschließend analysiert“, erklärt der Diplom-Agraringenieur Kalthoff: „Je nach Standort variiert die Beprobungstiefe zwischen 7 und 15 Metern.“

Zwei Mitarbeiter des Geologischen Dienstes führen eine Erdbohrung auf einem Acker durch.

Mitarbeiter des Geologischen Dienstes NRW unterstützen die Forscher der Landwirtschaftskammer bei der Probenentnahme per Erdbohrung.

Es sei wichtig zu wissen, in welchen Bodentiefen wie viel Stickstoff vorhanden ist. „Die Bohrungen geben uns auch eine Antwort auf die Frage, welche Stoffe in welcher Menge noch über die Düngung auf der betreffenden Fläche hinzugefügt werden müssen“, erklärt Kalthoff. Denn auch, wenn eine Überdüngung der Flächen vermieden werden soll, sei ein Nährstoffmangel ebenso wenig beabsichtigt und führe zu Mindererträgen bei der Ernte von Getreide, Kartoffeln oder Gemüse.

Bei Oberelvenich wird bis in eine Tiefe von neun Metern gebohrt. Eine Besonderheit auf der Fläche unweit von Haus Bollheim ist, dass die Lössauflage dort nur etwa 60 bis 80 Zentimeter mächtig ist. „Darunter kommt dann schon der Kies, den der Rhein hier nach der Eiszeit abgelagert hat“, so Kalthoff weiter. Diese geringe Bodenmächtigkeit hat auch direkten Einfluss auf die Menge der Stoffe, die ausgewaschen werden und ins Grundwasser gelangen können. „Deswegen fängt die Saugplatte das Sickerwasser auch schon in einer Tiefe von 60 Zentimetern auf“, erklärt Lea Garmer.

Forschungsprojekt: Bio-Bauer von Haus Bollheim war skeptisch

Die Betriebsbetreuerin ist dafür zuständig, dass in den teilnehmenden Modellbetrieben die richtigen Rückschlüsse aus den Messergebnissen gezogen werden können. Christian Reiske, der im Betrieb von Haus Bollheim für den Ackerbau verantwortlich ist, war zu Beginn des Projekts durchaus skeptisch. „Ich habe gedacht: Was soll da schon groß bei rauskommen?“, erinnert sich Reiske: „Aber insgesamt ist das doch eine sehr sinnvolle Sache.“

Eine der ersten Maßnahmen, die Reiske und seine Mitarbeiter im Rahmen des Projekts umgesetzt haben, war der Verzicht auf den Kleegrasumbruch noch vor dem Winter. „Das machen wir nun seit geraumer Zeit nicht mehr, auch nicht bei Luzernen“, berichtet Reiske: „Über den Winter werden sonst zu viele Nährstoffe ausgewaschen und landen im Sickerwasser.“ Dies habe sich anhand der Messdaten unmittelbar nachweisen lassen.

Die Ernte der Frühkartoffeln „war für den Boden gar nicht gut“

Der Bearbeitungsschritt, also das Unterpflügen der Zwischenkulturen, erfolgt nun jeweils erst im Frühjahr: „Dann können die Pflanzen beim Wachstum etwas mit dem Stickstoff im Boden anfangen, dann ergibt das tatsächlich Sinn.“ Überhaupt: Jede zusätzliche Bodenbearbeitung sei zu überdenken. „Dadurch werden immer ganz viele Stoffe mobilisiert, die dann ins Grundwasser gelangen können“, so Reiske: „Die Frühkartoffeln, die auf der Fläche gestanden haben, wo jetzt die Rammkernbohrungen durchgeführt werden, sind aus dieser Sicht für den Boden gar nicht gut, weil die Bodenstruktur bei der Ernte ganz schön durcheinandergebracht wird.“

Positiv, so der Bio-Bauer weiter, sei auch der Austausch mit den anderen am Projekt beteiligten Betrieben: „Einmal im Jahr gibt es ein Treffen, bei dem die aktuellen Messwerte vorgestellt und diskutiert werden – das ist immer sehr interessant.“


Forschungsprojekte der Landwirtschaftskammer bei Zülpich

Eine Rammkernbohrung oder Rammkernsondierung ist ein Verfahren, das hauptsächlich in der Geotechnik eingesetzt wird, um Bodenproben aus verschiedenen Tiefen zu entnehmen. Dabei wird eine Sonde, ein runder Hohlkörper mit seitlicher Öffnung, in den Boden gerammt. Das Material, das sich dabei im Hohlkörper sammelt, kann nach dem Herausziehen untersucht werden.

Im Rahmen der Wasserrahmenrichtlinie berät die Landwirtschaftskammer Rheinland Modellbetriebe aus den Bereichen Landwirtschaft und Gartenbau zum grundwasserschonenderen Wirtschaften.

Messstation des Forschungszentrums Jülich werden auf einem Acker in der Nähe von Haus Bollheim.

In Zusammenarbeit mit dem Forschungszentrum Jülich werden auf dem Acker in der Nähe von Haus Bollheim auch Messungen der Bodenfeuchte durchgeführt.

Ziel ist es, die Einträge von Nährstoffen ins Grundwasser zu reduzieren. „In den Modellbetrieben werden zahlreiche Themenbereiche zum grundwasserschonenden Anbau bearbeitet und neue Verfahren getestet“, so die Landwirtschaftskammer. Diese Verfahren reichen vom Anbau von Zwischenfrüchten über Direktsaaten, Pflugverzicht, Fruchtfolgeumstellungen, Verringerung des Pflanzenschutzmitteleinsatzes bis hin zu Unterfußdüngungen im Mais und Gemüseanbau sowie der intensiveren Nutzung der Digitalisierung.

Der Geologische Dienst NRW ist im Rahmen des Projekts unter anderem für die Kartierung der Böden verantwortlich und ermittelt die Feldkapazitäten, die für die Bewirtschaftung der Flächen wichtige Kenngrößen sind.

Das Forschungszentrum Jülich ist am Standort im Feld bei Oberelvenich ebenfalls mit einer eigenen Messstation vertreten. Daten zur Bodenfeuchte, die auch über die Internetseite des „Adapter-Projekts“ von jedermann abgerufen werden können, sollen den Wissenschaftlern dabei wichtige Rückschlüsse für die Anpassung der heimischen Landwirtschaft an den weltweiten Klimawandel liefern.