Kreis Euskirchen – Sitzungen bis in die Abendstunden. Sich in komplexe Themen einarbeiten. Diskutieren und um Kompromisse ringen. Das machen die Ratsmitglieder im Kreis in ihrer Freizeit – neben Beruf, Haushalt und Familie. Viel Aufwand für ein Ehrenamt, das für die Demokratie wichtig ist. Deshalb gibt es gesetzlich eine Aufwandsentschädigung für die ehrenamtlichen Politiker. Nun haben Mechernich und Zülpich beschlossen, jenen Ratsmitgliedern noch eine zusätzliche Entschädigung zu zahlen, die einem Ausschuss vorsitzen. Doch das gefällt längst nicht allen.
Rund 75 000 Euro wird der Zülpicher Rat in den kommenden fünf Jahren den Vorsitzenden des Rechnungsprüfungs-, des Schul-, des Struktur- und des Stadtentwicklungsausschusses als Aufwandsentschädigung zur Verfügung stellen. Vor der entscheidenden Abstimmung entbrannte eine Diskussion.
Entschädigung von vier Personen
CDU-Ratsherr Sascha Scharmach ergriff als erstes das Wort. In seinem Redebeitrag, der genau drei Minuten und 45 Sekunden dauerte, machte er deutlich, dass er die zusätzliche Aufwandsentschädigung für überzogen hält. „Ich kann es mit meinem Verständnis von politischer Ehrenamtsarbeit nicht ansatzweise in Einklang bringen, wenn wir hochgerechnet auf die kommenden fünf Jahre etwa 75 000 Euro in die Hand nehmen und damit vier Einzelpersonen entschädigen.“ Das entspreche einer jährlichen Pro-Kopf-Entschädigung von mehr als 3700 Euro, so Scharmach.
Selbst bei wohlwollender Betrachtung der Vorbereitung der jeweiligen Ausschüsse sei das ein Stundenlohn von 90 bis 100 Euro. Es sei zwar rechtlich in Ordnung, die Entschädigung zu zahlen, dennoch sei auch klar, dass nicht alles, was rechtlich legitim sei, auch moralisch zu vertreten sei.
Rechtlich möglich nach Gemeindeordnung
Tatsächlich ist es nach Paragraf 46 der Gemeindeverordnung NRW möglich, den Ausschussvorsitzenden eine zusätzliche Aufwandsentschädigung zu zahlen. Diese richtet sich nach der Einwohnerzahl der Kommune. In Mechernich und Zülpich erhalten Ratsmitglieder 206,20 Euro Aufwandsentschädigung pro Monat und 21,20 Euro Sitzungsgeld. Ausschussvorsitzende erhalten in beiden Städten nun zusätzlich 313 Euro pro Monat. Ein Fraktionsvorsitzender einer Partei, die mehr als acht Ratsmitglieder hat, erhält in Zülpich demnach 618,60 Euro im Monat. Nach dem Gesetz zur Stärkung des kommunalen Ehrenamtes sowie dem Gesetz zur Stärkung der kommunalen Selbstverwaltung ist das seit dem 1. Januar 2017 so gewollt.
Für Nathalie Konias, Fraktionsvorsitzende der Grünen im Mechernicher Rat, ist das kein Grund. „Wenn wir mehr Leute binden und begeistern wollen, dann sicher nicht mit solchen Mitteln“, berichtete sie. In der jüngsten Ratssitzung rechnete sie vor, dass dadurch manch ein Ausschussvorsitzender in Mechernich einen Stundenlohn von mehr als 2000 Euro erhalte. Selbst beim Stadtentwicklungsausschuss, der ja noch am häufigsten und oft auch am längsten tage, seien es ungefähr 380 Euro pro Stunde.
Alle müssen Unterlagen durchlesen
Stadtkämmerer Ralf Claßen warf ihr daraufhin vor, nicht richtig zu rechnen. Der Ausschussvorsitzende müsse die Sitzung auch vor- und nachbereiten. „Lesen musst du die Unterlagen so oder so“, sagte Konias dazu auf Nachfrage – egal, ob Mitglied oder Vorsitzender. Letzterer müsse lediglich noch mit der Verwaltung eine Tagesordnung abstimmen.
Dem widersprechen Olaf Hutzler und Michael Averbeck (beide CDU). Hutzler ist der Vorsitzende des Betriebsausschuss, der in den vergangen Jahren zweimal im Jahr für etwa eine Stunde tagte. Als Vorsitzender habe er schon den Anspruch, die Themen, wirklich zu verstehen. Deshalb müsse er sich mehr einarbeiten als ein einfaches Mitglied, sagt Hutzler: „In der Vorbereitung ist man eine Woche unterwegs, in der Nachbereitung zwei Tage.“ Averbeck, Vorsitzender des Ausschusses für Planung, Verkehr, Umwelt und Klimaschutz, rechnet sogar 40 Arbeitsstunden Vorbereitung je nach Tagesordnung.
Keiner macht Job wegen des Geldes
Das komme allerdings auf die Themen an. Als Vorsitzender nehme er ja auch Termine war, zum Beispiel bei neuen Baugebieten. Beide betonen, dass sie den Job aber nicht wegen des Geldes machen. Beantragt hatten die zusätzliche Entschädigung in Mechernich SPD sowie CDU und UWV, also alle Parteien, die einen Ausschussvorsitzenden stellen. Die SPD argumentierte mit der Förderung des Ehrenamtes.
Der Ausschussvorsitz sei eine anspruchsvolle und zeitintensive Aufgabe. Um diese Arbeit zu würdigen, habe der Gesetzgeber die Möglichkeit zusätzlicher Entschädigungen gegeben. Das gelte es nun zu nutzen. CDU und UWV brachten ähnliche Argumente vor. Sie seien der Meinung, „dass die Entschädigungsmöglichkeiten, die die Entschädigungsverordnung vorsieht, auch auszuschöpfen sind.“
Andere Lösung gewünscht
Der Zülpicher CDU-Mann Scharmach hätte sich eine andere Lösung als die monatliche Pauschale gewünscht. Das Zauberwort heiße Sitzungsgeld. Dann werde die Entschädigung pro stattgefundener Sitzung gezahlt. So wird es beispielsweise in Blankenheim gehandhabt (Siehe Kasten). „Das wäre Augenmaß gewesen“, so Scharmach: „Bei durchschnittlich drei bis fünf Sitzungen im Jahr drängt es sich geradezu auf, ein Stück weit Selbstverzicht zu üben und die Möglichkeit des Sitzungsgeldes zu ergreifen.“
Auch Konias sagte, sie hätte mit einem zusätzlichen Sitzungsgeld für Ausschussvorsitzende leben können. Doch in Mechernich wurde darüber erst gar nicht gesprochen. Zwar äußerten auch die FDP-Fraktion und Daniel Decker (Linke) Kritik, doch am Ende wurde die Änderung mit acht Gegenstimmen mehrheitlich angenommen.
Reduzierung beim Amtsblatt
In Zülpich erhielt das Thema zusätzliche Brisanz, weil parallel über die Kostenreduzierung beim Amtsblatt debattiert wurde. Für die Politiker sollen jährlich 15 000 Euro im Haushalt verankert, mit der Seitenreduzierung beim städtischen Amtsblatt 20 000 Euro eingespart werden. In der geplanten dünneren Ausgabe hätten Parteien, Vereine und Schulen nicht mehr die Gelegenheit, Berichte und Meinungen zu verfassen.
„Das mit dem Amtsblatt in ein Unding“, sagte Detlef Krings, Fraktionsvorsitzender des FDP. Die Partei lehne auch die Ausschussvorsitzenden-Vergütung ab. „Soviel Geld in der heutigen Zeit rauszuhauen, passt einfach nicht“, so Krings, der dem Rechnungsprüfungsausschuss vorsitzt und sich bei der Abstimmung deshalb enthielt. Der Rat stimmte allerdings mehrheitlich dafür.
Gerechtfertigte Vergütung
Timm Fischer, Fraktionsvorsitzender der CDU, findet, die neue Lösung sei „im Sinne des Gesetzgebers“. Die Vergütung sei durchaus gerechtfertigt, zumal es in Zülpich aktuell keine finanzielle Schieflage des Haushalts gebe. „Amtsblatt und Aufwandsentschädigung sind nicht im Zusammenhang zu sehen“, so Fischer. Detlef Schierbaum, Chef der Zülpicher Grünen hält den Vergleich der Reduzierung des Amtsblatts mit der Vergütung für Ausschussvorsitzende für falsch. „Das ist wie der Vergleich von Äpfeln und Birnen,“ so Schierbaum: „Aber wenn jemand meint, mit 20 000 Euro den Haushalt zu retten – der macht sich lächerlich.“ Dass man nun das Gesetz zur Ausschussvergütung anwende, sei aber richtig.
Gerd Müller, Chef der Zülpicher UWV, scheut ebenfalls den Vergleich zwischen Amtsblatt und Vergütung, hält die Monatspauschale für die Vorsitzenden, je nach Ausschuss, aber für „zu üppig“.