Kreis Euskirchen/Nettersheim – Marktstände, Kisten voller Gemüse und ein Holzfeuer, das mehr Qualm als Wärme auf dem Hof des Josefsheimes verbreitete: Es herrschte eine besondere Stimmung, als die Eifeler Solawi „Kollektiv Wolkenborn“ die erste Ernte verteilte. Ein wenig Premierenfieber war schon dabei, denn so genau wusste niemand, ob alles so ablaufen würde, wie es sollte. Doch die Verteilung der Waren ging reibungslos über die Bühne.
Frisches Gemüse genießen und dabei dem Erzeuger einen fairen Preis bezahlen, das ist die Idee der solidarischen Landwirtschaft, von den Fans liebevoll Solawi abgekürzt. Seit rund zwei Jahren bemühen sich Romy Linden und mehrere Mitstreiter darum, dieses Konzept, das in anderen Teilen der Welt erfolgreich praktiziert wird, in der Eifel zu realisieren.
Das Eifeler Kollektiv zählt bereits 75 Mitglieder
Anfang März wurde die Gründungsversammlung des genossenschaftlich organisierten Kollektivs erfolgreich abgehalten. „Nun müssen die Unterlagen geprüft werden, bevor wir in das Genossenschaftsregister eingetragen werden“, sagte Claudia Träger, Mitglied des Vorstands. Sie hoffe, dass dies bis Ende des Monats realisiert werden können.
Um Waren von der Solawi „Kollektiv Wolkenborn“ beziehen zu können, ist es notwendig, Mitglied zu werden und Genossenschaftsanteile zu erwerben. Zusätzlich müssen Mitglieder Ernteanteile kaufen und die Waren, die regelmäßig zur Verteilung kommen, bestellen. Die Preise und das Sortiment werden von den Kooperationspartnern vorgegeben. (sev)
Wenn die Solawi selbst in die Produktion geht, wird vor der Saison eine Bieterrunde veranstaltet. Alle Kosten des Anbaus werden transparent offengelegt, danach geben die Mitglieder anonym Gebote ab, welchen Anteil der Kosten sie übernehmen. Die dahinterstehende Idee ist, dass Haushalte mit größerem Budget auch einen größeren Anteil der Kosten tragen. Der Vorteil für die Landwirte ist, dass das mit einer Missernte verbundene Risiko kollektiv getragen wird und sie unabhängig von ökonomischen Zwängen wirtschaften können.
Informationen zum Kollektiv Wolkenborn gibt's auf der Internetseite. (sev)
Mit 42 Leuten gegründet, zählt das Kollektiv Wolkenborn bereits jetzt 75 Mitglieder. Doch strahlt der Solawi-Himmel für die Organisatoren noch nicht in voller Pracht. Denn ein wesentliches Element des ursprünglichen Konzepts fehlt bislang: ein Stück Land, auf dem das Gemüse für die Mitglieder angebaut werden kann.
Landwirte unterstützen das Projekt mit Produkten
Bis es so weit ist, hilft eine Notlösung. Der aus Gemünd stammende Demeter-Landwirt Jochen Groß hat sich bereit erklärt, die Kooperative ein Jahr lang mit frischem Gemüse von seinem Hof in Pulheim zu beliefern. „Das ist aber noch nicht das, was wir uns vorstellen“, erklärte Träger.
Groß ist der Idee der solidarischen Landwirtschaft zugetan. Normalerweise vermarktet er seine Waren in seinem Laden in Ehrenfeld. „Die Leute dort sind auch so etwas wie eine Solawi“, sagte er. 100 Kilogramm Grünkohl erntete er für die erste Gemüseausgabe des Kollektivs Wolkenborn. „Das ist mehr, als ich normalerweise für meinen Laden ernte“, erzählte er.
Anteilseigner erhielten mehr als nur Gemüse
Die Vereinbarung mit der Eifeler Solawi gebe ihm eine Sicherheit für 48 Wochen. „Das ist die Möglichkeit, der Eifel gutes Gemüse zu liefern“, fügte der 40-jährige Landwirt hinzu. 2018 habe er seinen 34 Hektar großen Hof gegründet, 2020 sei der Betrieb zertifiziert worden.
Doch nicht nur Gemüse gab es für die Anteilseigner. Ziegenkäse lieferte der Kolvenbacher Hof, Christopher Kannach steuerte Eier bei. Honig stellte die Imkerin Evi Windisch bereit, während Obst und Saft von Ulli Meisen aus Dottel kamen. Schaffleisch gab es von Markus Körfer, Kartoffeln von Patrick Thomas.
„Wir fühlen uns gut damit, da müssen wir nicht alles selber anpflanzen“, sagte Maren Visser aus Hecken, die mit ihrer Tochter Lilli-Marie nach Nettersheim gekommen war. Zu Hause haben sie viele Tiere, so dass ihnen die Zeit für den Anbau fehlt. Den Aufbau der Solawi in der Eifel unterstützen sie gerne. „Wir fiebern mit, ob es bald einen Acker gibt“, sagte Maren Visser.