Immer nur schön ist auch nicht schön: Ralf Kramp führt seine Leser zu den Orten in der Eifel, die garantiert keinen Besuch wert sind.
NeuerscheinungFür seinen verrückten Eifel-Reiseführer geht Ralf Kramp dahin, wo es weh tut
„Seit ich denken kann, habe ich mir Geschichten einfallen lassen“, hat der Schriftsteller Ralf Kramp einmal über sich gesagt: „Seltsam ist nur, dass dabei immer wieder etwas Kriminelles herauskommt.“ Mit seinem neuen Buch hat der gebürtige Euskirchener und gelernte Eifeler (seit rund 20 Jahren lebt Kramp in der Vulkaneifel) dieses Muster durchbrochen: „99½ Orte in der Eifel ...um die Sie einen großen Bogen machen sollten!“ ist ein lupenreiner Reiseführer – wenn auch einer der besonderen Art.
„In 95 Prozent meiner Texte spielt die Eifel eine Rolle“, so Kramp weiter: „Zudem sammle ich seit vielen Jahren Reiseführer und Bildbände über die Eifel.“ Da habe es auf der Hand gelegen, auch selbst einmal so etwas wie einen Reiseführer zu schreiben. „Ich bin ein großer Fan der Reihe 111 Orte aus dem Kölner Emons-Verlag – da gibt es ja bereits zwei Bücher über die Eifel“, so der Autor weiter: „Ich wollte in meinem Buch aber ganz bewusst die hässlichen Seiten der Eifel zeigen.“
Skurrile Eifel-Ziele: Einmachmuseum und Kittelschürzen-Outlet
Das Ergebnis ist – natürlich – nicht ganz ernst zu nehmen: „Weil ich kein Nestbeschmutzer sein wollte, habe ich mir alles ausgedacht“, bekennt Kramp. Sowohl die Orte als auch die ihnen zugeschriebenen touristischen Besonderheiten entstammen allein der überbordenden Fantasie des Autors. Oder haben Sie schon einmal vom Einmachmuseum in Bratzweiler am Nordufer des Rursees gehört? Oder vom Kittelschürzen-Outlet in Wirrhausen, einem kleinen Dorf in der Nähe von Hillesheim?
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„Beim Schreiben hatte ich einen Riesenspaß“, versichert Kramp bei der Vorstellung seines Buchs im altehrwürdigen Café Kramer in Euskirchen. Der Spaß stellt sich umgehend auch beim Lesen ein, wenn Kramp über die letzte freilebende Steppenhamster-Herde berichtet oder seine Leser in die Blutwurstbonbon-Fabrik nach Urselbusch-Unterdarm mitnimmt. Bei Lesungen könnte das durchaus zum Problem werden, überlegt der Autor: „Ich muss zum Teil noch selbst kichern, wenn ich in dem Buch lese.“
Vor rund drei Jahren hat Kramp mit der Arbeit am Buch begonnen. „Ich habe mir immer wieder Notizen gemacht, wenn ich eine Idee zu einem skurrilen Ort hatte“, erklärt Kramp, wie er nach und nach auf die knapp 100 vorgestellten Orte gekommen ist. Zudem habe er bei seinen sonntäglichen Eifeltouren mit Ehefrau Monika immer mal wieder einen Umweg eingeschlagen, um auch noch den allerletzten Winkel seiner Heimat zu erkunden.
Liebeserklärung an die Vielfältigkeit der Eifel
„Es gibt ja in Deutschland tatsächlich viele Mittelgebirge, die der Eifel ähneln“, so das Fazit des Autors, der seit vielen Jahren auch sein eigener Verleger ist: „Aber keines ist so vielfältig wie die Eifel, die zwischen Hohem Venn und Maifeld, zwischen Bleiberg und Vulkaneifel so viele unterschiedliche Landschaften zu bieten hat.“ Insofern ist sogar der Reiseführer zu den abseitigen Ecken der Eifel eine Liebeserklärung Kramps an seine Heimat, denn vielfältig geht es auch bei den 99½ Orten zu.
Eine echte Herausforderung sei allerdings die Bebilderung des jetzt erschienenen Anti-Reiseführers gewesen: „Ich habe ganze Bilddatenbanken nach geeigneten Abbildungen durchforstet. Mitunter bin ich aber auch erst durch ein lustiges Foto auf die Idee zu einem Bucheintrag gekommen.“
Für einige Beiträge wurden Fotomontagen erstellt. Und wenn es gar nicht anders ging, kam sogar Künstliche Intelligenz (KI) zum Einsatz. „Wie kommt man sonst an Fotos der Höhlenmalereien von Wumpental?“, fragt Kramp. Da sind dann durchweg männliche Steinzeitmenschen im Zustand fortgeschrittener körperlicher Erregung zu sehen, die Mammuts jagen und dabei von fliegenden Untertassen beschossen werden. Auch die Bilder zum bereits erwähnten Einmachmuseum hat die KI beigesteuert: „1951 gab es viele Nacktschnecken. Wahrscheinlich sind das nicht alles nur Senfgurken da in dem Glas“, heißt es passend zu den Bildern von Einmachgläsern mit sehr fragwürdigem Inhalt.
Auch mit dem Eifeler Brauchtum hat sich Kramp beschäftigt, und einige zu Recht in Vergessenheit geratene Bräuche wie das Grützhovener Wohnzimmermöbel-Feuer oder das Ostereier-Werfen im Dörfchen Plack am Hals zutage gefördert.
Wer sich bei soviel unterhaltsamen Unsinn aus der Eifel an das Reisebuch „Molwanien: Land des schadhaften Lächelns“ erinnert fühlt, liegt genau richtig: „In gewisser Weise ist das ein Vorbild für meine 99½ Orte“, erklärt Kramp, der im Januar die ersten multimedialen Vortragsabende mit seinem neuen Buch plant. „Da kommt dann sogar ein Beamer zum Einsatz, damit das Publikum auch in den Genuss der Abbildungen kommt.“
Bleibt am Ende noch die Frage nach dem „halben“ Ort aus dem Buchtitel. Auch da steckt wieder eine total verrückte Geschichte dahinter, nämlich die vom ehemaligen Doppelort Gesähs-Furchenthal, der bei der Gebietsreform 1970 zusammengeführt wurde. Das soll aber gerne der Herr Kramp selbst zu Ende erzählen – das würde an dieser Stelle den Rahmen sprengen ...
Ralf Kramp: 99½ Orte in der Eifel. Klappenbroschur, 212 Seiten, reichhaltig illustriert mit über 280 Farbfotos und einer Landkarte. Erschienen im KBV-Verlag, Hillesheim, 18,50 Euro. ISBN 978-3-95441-633-2