Die Gefühlswelten der Politiker im Kreis Euskirchen könnten nach der Wahl kaum unterschiedlicher sein. Detlef Seif nimmt SPD in die Pflicht.
BundestagswahlIm Kreis Euskirchen richten sich nun alle Blicke nach Berlin
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Hofft, dass mit der SPD ein Politikwechsel möglich ist: der CDU-Bundestagsabgeordnete Detlef Seif (l.) aus Weilerswist.
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Wie unterschiedlich Gefühlswelten nach der Bundestagswahl sein können, verdeutlichten Georg Riemann und Frederik Schorn am Montag. „Das Wahlergebnis ist ein voller Erfolg für uns. Die Linke ist zurück“, sagte Linken-Direktkandidat Riemann über das Ergebnis seiner Partei im Bund. 8,77 Prozent der Stimmen erhielten die Linken.
Die FDP kam auf 4,33 Prozent und verpasste damit den Einzug in den Bundestag. „Der Sonntag war ein schwarzer Tag für alle, die es mit dem Liberalismus halten“, sagte Frederik Schorn, Kreisvorsitzender der FDP. Es sei ein großer Fehler gewesen, „sich so auf eine einzige Person zu fokussieren. Ich persönlich hätte Lindner nach den D-Day-Veröffentlichungen ausgetauscht.“
FDP zermürbt sich im Kulturkampf zwischen den Extremen
Im „Kulturkampf zwischen den Extremen“ habe es die FDP als Partei der Mitte zerrieben, so Schorn: „Ich bin davon überzeugt, dass es in Deutschland Platz für eine liberale Partei gibt und werde mich dafür einsetzen. Vor der Kommunalwahl ist mir nicht bang. Wir sind inhaltlich gut aufgestellt und haben kreisweit Persönlichkeiten unter uns, die ankommen.“
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Auch Riemann lenkte einen Tag nach der Bundestagswahl den Blick schon auf die Kommunalwahl in sieben Monaten. „Das Ergebnis im Bund, aber auch im Wahlkreis zeigt, dass wir gebraucht werden. Nun werden wir mit Rückenwind in den Kommunalwahlkampf starten. Dabei helfen uns viele neue Genossen und Genossinnen“, sagte der Linken-Politiker.
Wenn wir verhandeln, dann muss im Ergebnis deutlich die Handschrift der Unionspolitik zu erkennen sein.
Die Redaktion erreichte Detlef Seif am Montagmittag auf dem Weg nach Frankfurt. Von dort aus ging es mit dem Flieger nach Berlin. Seif hat einen Tag nach der Wahl bereits auf Arbeitsmodus geschaltet. Zu einer möglichen, wenn nicht gar wahrscheinlichen Koalition mit der SPD sagte er: „Wenn wir verhandeln, dann muss im Ergebnis deutlich die Handschrift der Unionspolitik zu erkennen sein.“
Wahlsieger Detlef Seif gibt der SPD Tipps für die nächste Wahl
Seif bekräftigte, dass der Wähler deutlich gemacht habe, dass er einen Politikwechsel wolle. „Wenn uns das nicht gelingt und am Ende des Tages feststeht, dass die SPD das zu verantworten hat, dann braucht die SPD beim nächsten Mal nicht mehr anzutreten“, so Seif: „Wenn es uns gemeinsam gelingt, diesen Politikwechsel auf den Weg zu bringen, wird auch die SPD gestärkt daraus hervorgehen.“
Was aber viel wichtiger sei: „Wir würden damit die Rechtsextreme, die Rechtspopulisten zurückdrängen. Ich bin der festen Überzeugung, dass ein riesengroßer Anteil der Menschen, die enttäuscht sind, ein Zeichen setzen wollte. Wenn die sehen, dass die nun notwendige Politik auf den Weg gebracht wird, dann werden die extremen Ränder deutlich kleiner.“

Kreis-CDU-Chef Ingo Pfennings und Bad Münstereifels Bürgermeisterin Sabine Preiser-Marian im Gespräch. Sie analysieren die Wahlergebnisse.
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Die SPD müsse sich fragen, ob sie ans Land denke und ob sie es ernst damit meine, „dass man Rechtspopulisten zurückdrängen muss.“ Seif: „Es reicht nicht, auf Demos zu gehen, man muss dann auch die Politik auf den Weg bringen, die die Wähler überzeugt.“
Der Weilerswister CDU-Bundestagsabgeordnete strebt nach eigenen Angaben wieder einen Platz im Innenausschuss an. Auch den Bereichen rund um Asyl und Migration wolle er treu bleiben.
Seif: 80 Prozent der Wähler wollen keine Rechtspopulisten in der Regierung
Einer Darstellung des AfD-Abgeordneten Rüdiger Lucassen widersprach Seif am Montag. Lucassen hatte im Gespräch mit dieser Zeitung gesagt, dass der Wähler den rechts-konservativen und den konservativen Kräften in Deutschland eine deutliche Mehrheit gegeben habe – mit der Union und der AfD. Der Wähler strebe eine Koalition zwischen AfD und CDU/CSU an. „Wenn sich Merz dagegen stellt, dann muss er verantworten, dass er Wählerwillen bricht“, so Lucassen.
Seif sieht das anders. „Vor der Wahl haben alle Parteien gesagt, dass man mit der AfD nicht zusammenarbeiten wird. Also wollen 80 Prozent der Menschen keine Rechtspopulisten in der Regierung. Es ist also genau das Gegenteil. Wir brechen keinen Wählerwillen, wir setzen ihn um“, so der Weilerswister.
Myriam Kemp, die Kreissprecherin der Grünen, war am Montag angefasst. Nicht wegen des Ergebnisses ihrer Partei, sondern wegen der Umgangsformen im Wahlkampf. „Es muss wieder gesellschaftlich möglich sein, dass die Grünen an Inhalten gemessen werden, und nicht an Narrativen, die verbreitet werden“, sagt die Grünen-Sprecherin. Sie habe selten erlebt, dass auf die AfD so reagiert werde, wie auf ihre Partei.
Das erzielte Ergebnis – sowohl auf Bundes- als auch auf kommunaler Ebene – sei gut, so Kemp: „Es ist sogar das zweitbeste Ergebnis der Grünen auf Bundesebene überhaupt.“ Die CDU habe hingegen das zweitschlechteste Ergebnis ihrer Geschichte bei einer Bundestagswahl eingefahren. Auch das gehöre zur Wahrheit, so Kemp, die im Gespräch nicht müde wurde, sich bei den vielen ehrenamtlichen Helfern im Wahlkampf zu bedanken – etwas, was Kemp aber nicht exklusiv tat.
Auch Ingo Pfennings von der CDU, Thilo Waasem von der SPD oder auch Frederik Schorn von der FDP stellten heraus, dass der Wahlkampf kräftezehrend gewesen sei. Und es kein großes Vergnügen sei, bei Minusgraden um Wählerstimmen zu werben.
Myriam Kemp (Grüne) wünscht sich weniger Emotionen in den Debatten
„Ich wünsche mir von der neuen Bundesregierung, dass sie besonnen Antworten auf die aktuellen Herausforderungen findet. Und dass sie Stabilität schafft und Vertrauen gewinnt“, sagte Kemp. Politik dürfe nicht von Emotionen geleitet und nicht reaktiv sein, sondern auf Tatsachen basieren. Ihre Partei werde die Rolle der Opposition annehmen und ihren Teil dazu beitragen, dass die drängenden Fragen wie Wirtschaft, Klima und Migration eine gesellschaftsfähige Mehrheit fänden.
Thilo Waasem, Kreisparteichef der SPD, geht davon aus, dass seine Partei mit der CDU über eine mögliche Koalition sprechen wird. „Friedrich Merz hat es einem Sozi in den vergangenen Wochen sehr, sehr schwer gemacht, mit ihm in eine Koalition zugehen. Das kann man nicht anders sagen“, sagte Waasem: „Es ist aber tief in unserer DNA verwurzelt, dass wir zuerst ans Land denken, dann an die Partei.“
Vor der Kommunalwahl ist Waasem nicht bange. „Jede Wahl hat ihre eigenen Gesetze. Das gilt auch für den September. Wir machen das wie immer. Wir werden miteinander sprechen, die Lehren daraus ziehen und dann gehts weiter“, so der Bad Münstereifeler.
Blitzschnell in Hellenthal, etwas langsamer in Metternich
Bei denen einen ging es blitzschnell, bei anderen nicht. Als erste Kommune konnte Hellenthal am Wahlsonntag Vollzug melden: Die 5400 abgegebenen Wählerstimmen waren zügig gezählt und um 19.46 Uhr gemeldet. Im Wahlbezirk Weilerswist 1 mussten die 778 Stimmen noch mal gezählt werden, so dass das Ergebnis erst um 23.51 Uhr rausging. Schlusslicht im Kreis Euskirchen war der Wahlbezirk Metternich: Hier stand das Ergebnis bei 788 abgegebenen Stimmen erst um 0.15 Uhr fest. (hn)