Rund 100 Mitarbeiter sind von der Insolvenz des ehemaligen Großbetriebs in Jünkerath betroffen. Die Eisenindustrie blickt auf eine lange Tradition in der Eifel zurück.
Ende nach 2700 JahrenLetzter traditionsreicher Standort der Eisenindustrie in der Eifel schließt
Die Verarbeitung von Eisen und Stahl hat eine lange Tradition in der Eifel – das belegen zahlreiche Funde aus der Römerzeit. Eines der frühesten Zeugnisse fanden Archäologen im Jahre 1929 in Hillesheim: Eisenschlacke und ein Verhüttungsofen inmitten eines Hügelgräberfeldes zeugen von einer Eisenverarbeitung schon im 7. Jahrhundert vor Christus, also bereits in vorrömischer Zeit.
Ende Januar geht ein weiteres Kapitel der Eifeler Eisengeschichte zu Ende, denn dann schließt die Jünkerather Gießerei wahrscheinlich für immer ihre Tore. Von der Insolvenz des ehemaligen Großbetriebs (im Jahr 2010 waren zum Beispiel noch rund 250 Mitarbeiter in Jünkerath tätig) sind rund 100 Mitarbeiter betroffen, darunter auch Angestellte aus dem Kreis Euskirchen.
Gießerei in Jünkerath schließt: Vierte Insolvenz seit 1999
Bereits im Dezember fand der letzte Guss statt, aktuell sind die verbliebenen Mitarbeiter mit der Abwicklung des traditionsreichen Betriebs beschäftigt. Die Vulcast GmbH, vormals Ergocast, hatte Ende April 2022 Insolvenz angemeldet. Als Gründe führte die Geschäftsführung damals unter anderem die explodierenden Energiekosten nach Beginn des Ukraine-Krieges, Folgen der Flutkatastrophe vom Juli 2021 und Zahlungsschwierigkeiten an.
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Auf mehr als eine Million Euro wurde allein der Schaden geschätzt, den die Flut in den nahe der Kyll gelegenen Werkshallen angerichtet hatte. Viele Beschäftigte wurden in Kurzarbeit geschickt. Am 1. Juli wurde dann das Insolvenzverfahren eröffnet – bereits das vierte seit 1999.
Zum Insolvenzverwalter wurde Rechtsanwalt Ingo Grünewald aus der Kanzlei Prof. Schmidt in Trier bestellt. Ihm gelang es jedoch nicht, einen dringend benötigten Investor zur Rettung des Betriebs zu finden. Größter Hemmschuh sei demnach der nicht unerhebliche Investitionsbedarf bei Maschinen und Immobilien gewesen.
Auch die nicht kalkulierbaren Energiekosten haben Investoren offenbar von einem finanziellen Engagement abgehalten. Den 101 Beschäftigten der Vulcast GmbH wurde zum 31. Januar 2023 gekündigt, laut Insolvenzverwalter ist ein Sozialplan vereinbart worden.
Noch hoffen können die rund 60 Mitarbeiter der Tochterfirma Ergocast Service GmbH, die unter anderem für den Wachschutz sorgen sowie Reinigungs- und Servicearbeiten machen. Die Geschäftsführung sei auf der Suche nach neuen Aufträgen für die Belegschaft, hieß es.
Eisenindustrie: Strafanzeigen gegen Vulcast-Geschäftsführer
Unterdessen gibt es mehrere Strafanzeigen gegen die Vulcast-Geschäftsführer, die sowohl von der Gewerkschaft IG Metall als auch vom Insolvenzverwalter gestellt worden sein sollen. Im Raum stehen Straftatbestände wie Betrug und Insolvenzverschleppung, darüber hinaus seien Haftungsfragen zu klären.
Auch von Misswirtschaft ist die Rede: Fluthilfe für das vom Hochwasser schwer getroffene Werk habe nicht ausgezahlt werden können, weil es die Betriebsführung drei Jahre lang versäumt habe, Unternehmensbilanzen aufzustellen, berichteten Mitarbeiter. Auch ein Antrag auf die Befreiung von der EEG-Umlage, die dem energieintensiven Betrieb zugestanden hätte, sei nie gestellt worden. Das habe Stromrechnungen von mehreren hunderttausend Euro monatlich zur Folge gehabt.
Nach Schließung der Gießerei in Jünkerath: Landesmittel für Sanierung?
Über das Missmanagement ärgert sich auch Rainer Helfen, ehemaliger Bürgermeister der Ortsgemeinde Jünkerath: „Die Aufträge waren ja da. Mir tun daher die Mitarbeiter leid, die immer wieder Einbußen mitgetragen haben und ihren Buckel dafür hingehalten haben, damit es mit dem Werk irgendwie weitergeht.“ Vielen von ihnen fehlten nur noch wenige Jahre bis zum Ruhestand. „Und jetzt stehen sie auf der Straße“, so Helfen.
Was mit dem Werksgelände nach Schließung der Gießerei passieren soll, ist ebenfalls noch völlig offen. „Die Böden werden ja wahrscheinlich schwer belastet und damit für eine andere Verwendung unbrauchbar sein“, meint der Ex-Bürgermeister. Eine Sanierung sei daher dringend notwendig, die die Gemeinde ohne finanzielle Unterstützung des Landes aber nicht bezahlen könne.
Ende nach mehr als 335 Jahren
Die Jünkerather Hütte hat eine mehr als 335 Jahre lange Geschichte: Am 14. Mai 1687 unterzeichnet Salentin Ernest Graf zu Manderscheid Blankenheim und Freiherr zu Jünkerath einen Pachtvertrag, der den Hüttenmeister Johan de L'Eau berechtigt, „ein frey hüttenwercke ... auff der Kyll“ zu errichten. Die Eisenverhüttung in Jünkerath wurde aber bereits 1368 erstmals urkundlich erwähnt.
Im Jahre 1898 erlosch dort auch letzte Holzkohlenhochofen der Eifel – danach wurden Eisen und Stahl nicht mehr in der Eifel produziert, sondern nur noch verarbeitet. Die Werke in Jünkerath und zum Beispiel Vussem wurden als Gießereien weiter betrieben.
Bis zu 800 Beschäftigte habe die Jünkerather Gießerei zu Hochzeiten gehabt, sagt Ex-Bürgermeister Helfen. Zuletzt stellte das Unternehmen im Maschinen- und Handformguss Produktionsteile für den Maschinenbau her. Gewichte von 70 Tonnen und mehr konnten einzelne Gussteile dabei erreichen. Die Teile wurden unter anderem in großen Kraftwerksturbinen oder Hydraulikkomponenten eingesetzt. (thw)
Schleidener Tal
Auch im Schleidener Tal hatte die Eisenverarbeitung eine mehrere Jahrhunderte währende Tradition, die bis ins 12. Jahrhundert zurückreichen dürfte. Zu sehen ist davon heute fast nichts mehr: Im Februar 1979 wurde in Gemünd das Eisenwerk Mauel rechts der Urft abgerissen. „Damit verschwand das letzte, bis 1966 noch Eisen verarbeitende Werk einer einst blühenden Industrie auf dem Gebiet der Stadt Schleiden“, sagt der Journalist Bernd Kehren, der sich intensiv mit der Geschichte der Eisenverarbeitung in der Nordeifel befasst hat.
Die Erzeugnisse der Eifeler Betriebe, darunter Kriegsgerät, Werkzeug, Haushaltsgegenstände und Nägel, wurden in viele europäische Länder exportiert. Ein wichtiges Produkt waren auch die Ofen- und Kaminplatten, die im Herdgussverfahren hergestellt wurden. Im Kommerner Freilichtmuseum ist im Haus aus Scheuerheck eine so genannte Takenplatte zu sehen. Sie verschlossen einen Durchbruch durch die Brandmauer zum Nachbarraum, der damit ohne Schmutz und Rauch mitgeheizt werden konnte.
Weil die Eisenhütten und Gießereien in der Eifel auf Holzkohle angewiesen waren, wurden große Teile des Mittelgebirges fast vollständig entwaldet. Der Niedergang der Eifeler Eisenindustrie begann, als die Produktion weltweit im 18. und 19. Jahrhundert auf die billigere Steinkohle umgestellt wurde. (thw)