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Apotheker als Masken-BeschafferFFP2-Masken für ältere Menschen im Kreis Euskirchen

Lesezeit 5 Minuten

Um Geduld und Verständnis bittet Apotheker Dr. Werner Klinkhammer. Wer die drei FFP2-Schutzmasken nicht zwingend benötige, könne sie gerne ein paar Tage später abholen.

Kreis Euskirchen – „Ich sehe die Welle schon auf uns zukommen!“ Apotheker Dr. Werner Klinkhammer schwant nichts Gutes: Er und die rund 50 Kollegen im Kreisgebiet sollen ab Dienstag an Menschen ab 60 Jahren oder mit bestimmten Vorerkrankungen kostenlos drei FFP2-Schutzmasken ausgeben. Kann das gut gehen?

„Wer sie nicht dringend braucht, kann die Schutzmasken auch in den Tagen nach dem 15. Dezember abholen kommen!“ Klinkhammer, Inhaber der Adler-Apotheke in Mechernich, wirkt angespannt: „Seit Beginn der Pandemie sind wir es gewohnt, in kürzester Zeit benötigtes Material zu organisieren, seien es Desinfektionsmittel und Masken im Frühling, Grippe-Impfstoffe im Herbst und halt jetzt FFP2-Masken. Und wir haben es immer zum Wohl unserer Patienten hinbekommen.“ Da seien kreative Lösungen gefragt.

Kostenlose Masken für Risikogruppen

Doch er hat ja allen Grund für einen gewissen Fatalismus. Am Mittwoch verkündete Gesundheitsminister Jens Spahn, dass alle Ü-60-Jährigen und Personen, die ein besonderes Risiko einer schweren Covid-19-Erkrankung tragen, ab Dienstag kostenlos drei FFP2-Schutzmasken bei den knapp 29 900 Apothekern in Deutschland erhalten können. Die entsprechende Verordnung gilt ab dem 15. Dezember.

Berechtigte

In der ersten Ausgabewelle erhalten alle Über-60-Jährigen sowie Personen, die zur Risikogruppe gehören, drei FFP2-Masken. Als Nachweis genügt die Vorlage des Personalausweises oder eine Eigenerklärung. Priorität haben die Ü-75-Jährigen, dann absteigend zu den Ü-60-Jährigen. Für zwei weitere Ausgabezyklen ab dem 1. Januar ermitteln die Krankenkassen die Berechtigten mit absteigendem Lebensalter.

Diese Erkrankungen oder Risikofaktoren sind gemeint: Chronische obstruktive Lungenerkrankung, chronische Herz- oder Niereninsuffizienz, Zerebrovaskuläre Erkrankung, insbesondere Schlaganfall, Diabetes mellitus Typ 2, aktive, fortschreitende oder metastasierte Krebserkrankung oder Therapien, die die Immunabwehr beeinträchtigen können, Transplantation oder Risikoschwangerschaft. (sli)

Für Klinkhammer bedeutet die Ankündigung jede Menge Stress. „Mal wieder etwas zuerst verkünden, und sich erst dann um die Umsetzung kümmern“, rutscht es ihm heraus – und da spricht er vermutlich vielen seiner rund 50 Kolleginnen und Kollegen im Kreis, deren Sprecher er ist, aus der Seele.

Lange Lieferzeiten

Denn woher die FFP2-Masken, die er bis Dienstag vorrätig haben muss, nehmen und nicht stehlen? An die 1000 hat er auf Lager – die reichen nicht. Also hängt auch Klinkhammer seit Tagen am Telefon und sucht im Internet. Vor allem muss er aber bei den nötigen Maskenbestellungen darauf achten, dass die Qualität stimmt: „Ich hafte ja bei der Abgabe dafür.“ Das wiederum schränke den Kreis der Anbieter auf die seriösen ein. Die haben aber jetzt schon zehn bis 14 Tage Lieferfrist – Werktage, wohlgemerkt.

Dazu kommen zunehmend Anrufe und Kunden, die eine klare Forderung am Tresen haben: „Viele hören nur kostenlos, dann Maske“, sorgt sich der Apotheker. Dann muss er erst einmal erklären, wer anspruchsberechtigt ist und wer nicht. Und das bei den alleine in Mechernich benötigten Mengen. Bei rund 30 000 Einwohnern ist etwa ein Drittel anspruchsberechtigt, weil sie älter als 60 Jahre sind. Macht 10 000 mal drei kostenlose Masken pro Person: Ergibt 30 000 bis zum Jahresende. Und alles zusammen 150 000 Masken bis zum Ende des geplanten dritten Ausgabezyklus am 15. April 2021.

Trennung der Kunden aus Infektionsschutzgründen

Er müsse ab Dienstag zudem die vielen erwarteten zusätzlichen Masken-Kunden schon aus Infektionsschutzgründen von den anderen trennen, so Klinkhammer. Er hat Kontakt zum Inhaber der geschlossenen Bäckerei nebenan wegen einer temporären Nutzung des Geschäftslokals als FFP2-Ausgabestelle aufgenommen. Alternativ denkt er an eine „To-Go-Ausgabestelle“ durchs Fenster im Hinterhof der Apotheke.

Dass er wie alle anderen Apotheker seine Ausgaben über den Nacht- und Notdienst-Fonds des Deutschen Apothekerverbands erstattet bekommt, ist garantiert. Das Bundesamt für Soziale Sicherung wird laut Beschluss des Bundesgesundheitsministeriums 491,4 Millionen Euro für die erste, kostenlose Ausgabe der Masken überweisen. Die Chargen des kommenden Jahres sollen aus der Liquiditätsreserve des Gesundheitsfonds und aus Bundesmitteln finanziert werden.

Drei Ausgabezyklen

Ab dem 15. Dezember und bis zum 15. April 2021 sollen 27 Millionen Bürger, die ein höheres Risiko für einen schweren Covid-19-Krankheitsverlauf haben, insgesamt 15 FFP2-Schutzmasken pro Person erhalten.

Diese Masken schützen den Träger vor festen oder flüssigen Partikeln, Tröpfchen und Aerosolen. Der FFP2-Standard ist der zweithöchste nach dem FFP3-Niveau. Das Bundesgesundheitsministerium setzt damit Beschlüsse von Bundestag und Bundesrat nach dem Bevölkerungsschutzgesetz um, sowie Beschlüsse der Ministerpräsidenten.

Die rund 400 Millionen Masken bundesweit kosten rund 2,5 Milliarden Euro und werden an die Risikogruppen in drei Schritten pro Anspruchsberechtigten in den Apotheken ausgegeben.

Die ersten drei Masken können kostenlos und ohne Berechtigungsschein vom 15. bis 31. Dezember in der Apotheke abgeholt werden.

Für die weiteren zwölf Masken pro Berechtigtem sind 2021 zwei Ausgabezyklen mit je sechs Masken vorgesehen: vom 1. Januar bis 28. Februar und vom 15. Februar bis 15. April. Die Berechtigten bestimmen die Krankenkassen anhand der Gesundheitsdaten. Sie verschicken für die Ausgabe-Chargen zwei und drei von der Bundesdruckerei erstellte, fälschungssichere Berechtigungsscheine per Post. Für diese werden zwei Euro pro sechs Masken Eigenbeteiligung fällig. (sli)

Klinkhammer geht davon aus, dass in der kommenden Woche großer Andrang herrschen wird. Deutschlands Apotheker müssen ab Dienstag den Kunden einfach glauben, dass ihnen die Masken zustehen. Berechtigungsscheine gibt es erst für die beiden Chargen 2021. „Ich kann doch nicht einen jungen Menschen, der behauptet, er habe Asthma, abweisen“, betont Klinkhammer. Die Adressen der Maskenempfänger sollten sich die Apotheker aber geben lassen, heißt es.

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