Die Autobahnantworten genügten nichtLeverkusens Kandidaten debattierten am Schloss
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Leverkusen – Die Stühle waren so ziemlich alle besetzt, auch der zeitweise strömende Regen hielt die Besucherinnen und Besucher nicht davon ab, zur großen Podiumsdiskussion am Donnerstagabend in den Schlosspark zu kommen, wo die Bundestagskandidatinnen Serap Güler von der CDU, Cornelia Besser von der FDP, Nyke Slawik von den Grünen und Karl Lauterbach von der SPD gemeinsam debattierten. Geladen hatten die vier Frauenverbände Inner Wheel, Frauenring, Soroptimisten und Zonta. Museumsleiter Jörg van den Berg bekannte, sich „brutal“ gefreut zu haben, dass die Diskussion bei ihm stattfand.
Hoch wurde die Latte von Moderator Daniel Hambüchen gehangen: Man wolle bei der Veranstaltung „die Haltung, das Wesen und die Ideen“ der Kandidatinnen und des Kandidaten kennenlernen. Persönliche Einblicke gab es durchaus: Serap Güler erzählte, wie die Tatsache, Kind eines Gastarbeiters aus der Türkei zu sein, sie für Politisches empfänglich gemacht hatte. „Ich bin mit dem Mythos groß geworden: Wenn mein Vater in Rente geht, gehen wir zurück“, erklärte sie. Irgendwann hätten die Leute sie vor dem Sommerurlaub in der Türkei gefragt, ob ihr dort die Zwangsehe drohe. „Da habe ich gedacht: »Ey Leute, ihr kennt meine Familie, ihr kennt mich.«“
Auch Cornelia Besser von der FDP, mit 25 Jahren die Jüngste der Runde, gab Einblick in ihren kulturellen Hintergrund. Da sie eine US-amerikanische Mutter hat, habe sie „von klein auf die Unterschiede zwischen den USA und Deutschland gesehen. „»Normal« ist in jedem Land anders definiert.“
Den Wahlkampf im Sinne von „Kampf“ eröffnete Güler dann beim Thema Klimawandel mit einer Attacke auf Nyke Slawik von den Grünen: In elf von 16 Bundesländern würden die Grünen mitregieren, sie würden einige Umweltminister stellen und trotzdem wird nicht genug getan. In Baden-Württemberg, wo es sogar einen grünen Ministerpräsidenten gebe, seien in letzter Zeit weniger Windkrafträder entstanden als im schwarz-gelben NRW, erklärte Güler. Slawik konterte, dass die CDU seit 16 Jahren im Bund regiere und „gescheitert“ sei: beim Netzausbau oder beim Ausbau der Erneuerbaren Energien.
Für SPD-Kandidaten Karl Lauterbach bot das die Chance, sich als überparteilicher Kümmerer zu präsentieren. „Gerade dieser Parteienstreit bringt uns nicht weiter“, behauptete er, als würde er losgelöst über allem schweben. Diese Strategie wendete er im Laufe des Abends noch mehrmals an: „Ich erzähle Ihnen ohne Parteipolitik, wie es gewesen ist“, „keine plumpe Parteipolitik“ waren Floskeln des Mediziners. Doch wenn die SPD-Position gut ankam, wies er gern darauf hin: In der Kommission, die sich mit der Wahlrechtsreform beschäftigte, habe die SPD den Vorschlag gemacht, den Bundestag paritätisch (50 Prozent Frauen und 50 Prozent Männer) zu besetzen. Das kam im Publikum, das von vier Frauenverbänden mobilisiert worden war, natürlich gut an.
Auch Richtung Grüne näherte sich Karl Lauterbach im Laufe des Abends an. Als es um allein erziehende Mütter und deren oftmals prekäre Situation ging und Serap Güler lediglich eine Anhebung des Steuerfreibetrags von 4000 auf 5000 Euro als Idee vorweisen konnte, konterte Lauterbach das mit: „Was habe ich von einem höheren Steuerfreibetrag, wenn ich nicht genug verdiene, um davon zu profitieren?“ Rot und Grün seien bei diesem Thema „programmatisch nah beieinander“, so Lauterbach in Richtung Nyke Slawik, die einen Kinderfreibetrag und eine Hartz-IV-Erhöhung ins Spiel gebracht hatte.
Bei einem wunden Punkt der Leverkusenerinnen und Leverkusener, dem Autobahnausbau, gab es von allen Teilnehmenden viele Beteuerungen und warme Worte. Serap Güler versprach, „alles daran zu setzen, die Entscheidung zu revidieren“. Karl Lauterbach kritisierte, Gelegenheit dazu habe es vier Jahre lang gegeben: „Man wollte Leverkusen nicht so eine teure Infrastruktur bezahlen.“ Das zog Applaus nach sich. Cornelia Besser fand ziemlich viel „schade“, zum Beispiel, dass man sich im Bund nicht so sehr für Leverkusen interessierte, konnte inhaltlich aber nicht zu dem Debattenpunkt beitragen. „Die ist noch nicht so weit“, war eine Meinung aus dem Publikum. Einem Bürger reichten die Aussagen zur Stelze-Tunnel-Problematik nicht, es sei „arm“ nur zu sagen, dass der Tunnel nicht komme. Auch das Thema Preissteigerungen bei Mieten wurde nicht zur Zufriedenheit des Publikums beantwortet.
Viele Parteimitglieder
Ein großer Teil bestand aus Parteimitgliedern, doch auch einige „normale“ Bürgerinnen und Bürger fanden den Weg in den Schlossgarten, froh über eine „Übersicht“, wie ein Teilnehmer sagte. Die hohe Parteiquote erklärte vielleicht auch, warum das Publikum so tapfer bei dem starken Regen mehr als zwei Stunden ausharrte. Museumsdirektor Jörg van den Berg hatte sich am Anfang der Veranstaltung auf einen „kultiviert-diskursiven Abend“ gefreut – und war durchaus nicht enttäuscht worden.