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Prügeltod von Niklas P.Ein Gewaltakt, der die Region erschütterte

Lesezeit 5 Minuten
Niklas P.

Am Tatort: Drei Wochen nach der Tat machte die Bad Godesberger Fronleichnamsprozession dort Station, wo Niklas P. niedergeschlagen worden war. Vor der Gedenkstätte mit Kreuz und Blumen stehen Angehörige von Niklas P., rechts Dechant Wolfgang Picken.

Bonn – Stille, Schweigen, kein Wort zu viel an dieser Stelle, an der das Schreckliche geschah: Ein junger Mensch war hier zu Tode geprügelt worden, jetzt ziehen 1200 Christen aus Bad Godesberg an einem Rondell aus grauen Steinen und trockenem Gebüsch vorbei. Der Bad Godesberger Dechant Wolfgang Picken hat den Weg der Fronleichnamsprozession geändert und sie am Tatort vorbeigeführt. Hier lässt er den Baldachin, unter dem ein Priester die Monstranz trägt, stoppen, eine Blaskapelle setzt die Instrumente ab, und dann gehen die Prozessionsteilnehmer schweigend an dem Holzkreuz mit dem in schwarzen Buchstaben gestochenen Namen "Niklas" vorbei, Weihrauchfässer werden geschwenkt, niemand spricht, viele schluchzen in Taschentücher, bekreuzigen sich, legen Blumen nieder, Schützen senken die Fahnen ihrer Bruderschaften: Dieser christliche Gang ist eine Demonstration gegen Gewalt.

Unter den Trauernden ist auch die Mutter von Niklas P., der am 7. Mai hinter dem Bahnhof von Bad Godesberg Opfer einer Prügelattacke geworden ist. Ihr Sohn war am Samstag vor diesem heißen Fronleichnamstag auf dem Bad Godesberger Burgfriedhof beerdigt worden. "... und immer sind da Spuren von Niklas' Leben, Gedanken, Bilder, Augenblicke und Gefühle, die uns an ihn erinnern und glauben lassen, dass er bei uns ist", hatte sie auf die Trauerkarte geschrieben.

Umgefallen wie ein Baum

Das Leben des 17-Jährigen, der in Bonn die Abendrealschule besuchte, nahm am 7. Mai 2016 eine tragische Wende: Niklas war in jener Nacht gegen null Uhr mit zwei Freunden von einem Konzert in der Rheinaue gekommen und wollte von Bad Godesberg mit dem Zug nach Bad Breisig fahren, wo er wohnte. Am Bahnhof wird die Gruppe von wahrscheinlich drei Männern, die dort herumlungern, verbal angegangen. Niklas geht erst weiter in Richtung Bahnsteig, kehrt dann aber um und ruft einem der Männer etwas zu. Daraufhin werden die drei Freunde attackiert. Walid S., einer der Angreifer, soll Niklas einen Faustschlag gegen die Schläfe versetzt haben, der junge Mann fällt um wie ein Baum. S. soll dann weiter auf ihn eingetreten haben. Jetzt greift eine 17-jährige Freundin des Schülers ein. Sie wird, so der Anklagevorwurf, von Roman W., einem Kumpel Walids, mit der Faust geschlagen. W. soll dann versucht haben, den Bewusstlosen zu treten. Als Zeugen zu Hilfe eilen, flüchten die Angreifer. Ein Notarzt reanimiert Niklas noch, er stirbt aber am 12. Mai in der Uniklinik.

Bundesweit berichten Medien über den Gewaltakt, der die ganze Region erschüttert. Kritik gibt es an der NRW-Landesregierung, die sich nicht zum Fall Niklas äußert.

Gutachten stellt Vorschädigung fest

Nach einem Gutachten starb Niklas, weil eine Ader in seinem Gehirn infolge des Schlages gerissen war. Diese Verletzung wäre bei einem so jungen Menschen nicht tödlich gewesen, wenn die Gefäße nicht vorgeschädigt gewesen wären. Dieser Umstand wird für die Anklageerhebung wichtig sein.

Die Polizei hat eine intensive Fahndung eingeleitet, eine zehnköpfige Mordkommission, die bei Bedarf durch weitere Kräfte verstärkt wird, ermittelt. Die Staatsanwaltschaft setzt für die Ergreifung der Täter eine Belohnung von 3000 Euro aus, das Fahndungsplakat wird auch in türkischer und arabischer Sprache verteilt, weil angenommen wird, die Schläger hätten Migrationshintergrund. Die Beamten nehmen bei ihrer Suche 40 ihnen bekannte Gewalttäter aus Bad Godesberg ins Visier.

Drei Festnahmen im Mai

Am 18. Mai werden drei junge Männer festgenommen, darunter der damals 20-jährige Walid S., ein Italiener mit marokkanischen Wurzeln, und der Deutsche Roman W. (21). Über den dritten Verdächtigen ist nichts bekannt. Er und W. werden mangels Beweisen wieder entlassen. S. ist von einem Zeugen erkannt worden. Der 20-Jährige soll am 30. April, eine Woche vor der Tat in Bad Godesberg, unweit des Bonner Hauptbahnhofs an einer Schlägerei zwischen zwei Gruppen beteiligt gewesen sein. Dabei soll er, so die Staatsanwaltschaft, einem Zeugen eine Jägermeisterflasche gegen den Kopf geschlagen haben. Der Getroffene erlitt eine Platzwunde und eine Gehirnerschütterung.

In der Wohnung von S. finden die Fahnder an einer Jacke Blutspuren des Opfers. Walid S. behauptet, er habe die Jacke in der Tatnacht verliehen. Das glaubt ihm die Mordkommission ebenso wenig wie seine Einlassung, er sei zur Tatzeit gegen Mitternacht gar nicht am Tatort gewesen, sondern an einer Tankstelle im Stadtteil Mehlem. Dort habe er Zigaretten und ein Getränk gekauft. Laut Kassenjournal wurde der Kauf erst gegen 1.20 Uhr getätigt. S. kommt in Untersuchungshaft, in der er seither sitzt. Haftbeschwerden werden abgelehnt.

Mitangeklagter soll Zeugen angegriffen haben

Im Juni wird Roman W. verhaftet, der bereits im Mai vorläufig festgenommen worden war. Er wird nun ebenfalls als Haupttäter beschuldigt, doch nach einer Haftbeschwerde kommt er im Juli erneut frei. Am 11. September aber soll er nachts in Bad Godesberg einen Zeugen im Fall Niklas bemerkt und ihn mit einem Kumpel zusammengeschlagen und getreten haben. Wegen Verdunklungsgefahr erlässt ein Richter Haftbefehl.

Auch W. wird zu dem am Freitag vor dem Jugendschwurgericht des Bonner Landgerichts beginnenden Prozess aus der Haft vorgeführt. Er ist angeklagt wegen vorsätzlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Beteiligung an einer Schlägerei. Walid S. wird Körperverletzung mit Todesfolge vorgeworfen. Der Vorsitzende Richter Volker Kunkel hat 17 Verhandlungstage angesetzt, 30 bis 40 Zeugen sollen gehört werden.

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