Bonn-Bad Godesberg – Knapp sechs Monate nach der tödlichen Prügelattacke auf den 17-jährigen Niklas P. im Bonner Stadtteil Bad Godesberg hat die Staatsanwaltschaft nun Anklage erhoben. Das hat die Ermittlungsbehörde dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ bestätigt. Demnach müssen sich voraussichtlich ab Anfang kommenden Jahres zwei Tatverdächtige vor dem Bonner Landgericht verantworten. Details wollte die Staatsanwaltschaft noch nicht nennen, da noch immer nicht alle beteiligten Anwälte den Eingang der Anklageschrift bestätigt haben.
Viele Dinge sind allerdings längst bekannt. Hauptangeklagter ist der in Untersuchungshaft sitzende Walid S. Dem 20-jährigen Marokkaner mit italienischem Pass werfen die Ermittler vor, Niklas in der Nacht zum 7. Mai an einem Rondell an der Rheinallee zunächst niedergeschlagen und dem am regungslos am Boden liegenden Jungen anschließend mit voller Wucht gegen den Kopf getreten zu haben. Fünf Tage später starb Niklas in einem Krankenhaus.
Anfangs war von Totschlag die Rede, doch im August änderte die Staatsanwaltschaft den Tatvorwurf überraschend in Körperverletzung mit Todesfolge. Das rechtsmedizinische Gutachten hatte ergeben, dass die Gefäße in Niklas‘ Gehirn vorgeschädigt waren. Nicht der Fußtritt gegen den Kopf, sondern bereits der vorangegangene Faustschlag sei demnach tödlich gewesen. „Todesursache war der Riss einer Ader im Gehirn“, sagte Behördensprecher Robin Faßbender damals. „Bisher sind wir davon ausgegangen, dass der Tritt todesursächlich war. Diese Schlussfolgerung können wir jetzt nicht mehr ziehen.“
Fassungslosigkeit über juristische Deutung
Die Rechtsmediziner stellten zudem fest, dass der Tritt keine Verletzungen verursacht hatte, wie sie bei massiver Gewalteinwirkung gegen den Kopf zu erwarten wären, etwa einen Schädelbruch. Zwar sei der Fußabdruck im Gesicht des Schülers zu erkennen gewesen, eine weitere Schädigung aber sei nicht nachweisbar. Die Staatsanwaltschaft kam zu dem Ergebnis: „Man kann nun nicht mehr sicher sagen, dass der Verdächtige mit bedingtem Tötungsvorsatz gehandelt hat.“
Freunde reagierten mit Fassungslosigkeit auf die juristische Deutung des Gutachtens. Auf einer Facebook-Seite, die dem getöteten Niklas gewidmet ist, machten sie ihrem Ärger Luft. Tenor: Wenn der Schüler nicht geschlagen worden wäre, wäre keine Ader geplatzt und er noch am Leben. Die Abmilderung des Tatvorwurfs ist für viele daher nicht nachvollziehbar.
Die beiden Tatverdächtigen
Walid S. ist strafrechtlich kein Unbekannter. Vorstrafenregister: Mehrere Gewaltdelikte, allein zwei kurz vor Niklas‘ Tod. Im Fall Niklas P. lieferte S. den Ermittlern ein Alibi, das allerdings schnell ins Wanken geriet. Er habe mit seiner Freundin und ein paar Kumpels von 20 Uhr bis drei Uhr im Godesberger Kurpark gesessen. Zum Tatzeitpunkt sei er zu einer nahegelegenen Tankstelle gefahren, um Zigaretten und Mixgetränke zu kaufen. Ein Kassenzettel belegt den Einkauf dieser Waren, allerdings erst um 1:30 Uhr, also deutlich nach der Prügelattacke.
Walids Freundin hatte seine Aussagen zunächst bestätigt, zog sie dann aber wieder zurück. S. sei von Mitternacht bis 1:30 Uhr gar nicht bei ihr gewesen, gab die 16-Jährige in einer Vernehmung zu. Ganz im Gegenteil, sie habe mehrfach vergeblich versucht, ihn telefonisch zu erreichen. Dennoch bestreitet S. noch immer, Niklas angegriffen zu haben. „Mein Mandant bestreitet eine Tatbeteiligung in dem Fall aber weiterhin“, sagte Verteidiger Martin Kretschmer dem „Express“.
Roman W. zweiter Angeklagter
Beim zweiten Angeklagten handelt es sich wohl um Roman W. Er soll an jenem Abend mit Walid S. unterwegs gewesen und bei der Tat dabei gewesen sein. Zudem soll er Begleiterin von Niklas geschlagen haben. Augenzeugen hatten den 21-Jährigen auf Fotos identifiziert. Am 20. Juni wurde er festgenommen und in U-Haft gesteckt. Kurz darauf, am 8. Juli, wurde er wieder entlassen. Sein Anwalt hatte Haftbeschwerde eingereicht. Da W. offenbar nicht wie ursprünglich angenommen unmittelbar an der Attacke gegen Niklas beteiligt war, sahen auch die Ermittler keinen weiteren Haftgrund, schlossen auch Flucht- und Verdunklungsgefahr aus.
In dieser Sache jedoch täuschten sie sich. Am 11. September soll W. zusammen mit einem Kumpel einen 29-jährigen Augenzeugen angegriffen und verletzt haben. Weil er versucht habe, auf Zeugen einzuwirken, sei nun doch von Verdunklungsgefahr auszugehen. W. landete erneut in U-Haft und dürfte dort wohl auch bis zu Prozessbeginn bleiben.