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BürgergutachtenSpezialisierte Bäder für alle vier Bonner Stadtbezirke

Lesezeit 4 Minuten

Ein Bild aus alten Tagen: Das Kurfürstenbad in Godesberg ist geschlossen, sollte aber auf Bürgerwunsch neu gebaut werden.

Bonn – Der Jüngste ist erst 14 Jahre alt, der Älteste 89, und ihre Berufe reichen von Agrarwissenschaftler und Künstler über Ruheständler oder Schüler bis zur Verwaltungsangestellten: Bunt und vielfältig wie die Aufgabenstellung war die Mischung der 92 Bonner, die am ersten Bürgergutachten in der Geschichte der Stadt teilgenommen haben.

Dessen Thema: die Zukunft der Bonner Bäderlandschaft – deren Gestaltung seit Jahren emotionsgeladen, aber ohne Resultat diskutiert wird (siehe Kasten).

Mehr Schwimmbecken für Schulen und Vereine

Zentrales Ergebnis der umfassenden viertägigen Bürgerbeteiligung, die von der Münchener Gesellschaft für Bürgergutachten (gfb) und dem Institut für Demokratie- und Partizipationsforschung (IDPF) der Bergischen Universität Wuppertal begleitet und durchgeführt wurde: Es soll in Bonn weiter dezentrale Bäder geben, aber möglichst mit Spezialisierung.

Das erste Exemplar des 132 Seiten umfassenden Gutachtens überreichten Teilnehmer des Verfahrens am Donnerstagabend im Beueler Brückenforum an den Bonner Oberbürgermeister Ashok Sridharan.

Gutachten soll Grundlage für weitere Beratung und Beschlussfassung sein

Dieser versprach, „diese sehr gute Grundlage für weitere Beratung und Beschlussfassung“ nicht nur in der Verwaltung „sehr gut“ auszuwerten, sondern auch in die politischen Gremien zu bringen.

Aus der Fülle der von den 92 Bürgern erarbeiteten Wünsche, Anregungen und Empfehlungen hier ihre Prioritätenliste in puncto Grundsätzen und Leitzielen für die Bonner Bäderlandschaft der Zukunft:

Dezentrale Bäder sollen her

Die Bürger wollen kurze Wege für alle und Funktionalität vorrangig in Bezug auf Hallenbäder, von denen es vier – für jeden Stadtbezirk eines – geben soll. Bestehende Standorte sollen erhalten und Neubauten auch an alten Standorten (Beueler Bütt/Kurfürstenbad) geprüft werden. Außerdem sollen alle Freibäder erhalten werden.

Die Stadt soll sich ein Spaßbad für alle Bonner als Naherholungsmöglichkeit leisten – dieses könnte ein saniertes Hardtbergbad sein. Pro Stadtbezirk könne eine Spezialisierung vorgenommen werden: Hardtbergbad Familie, Beueler Bütt Schul- und Vereinsschwimmen, Bonn Sport und Wettkampf, Bad Godesberg Gesundheit und Fitness. Weitere Anregung: an den Sportpark Nord ein öffentliches Schwimmbad anbauen als Sport- und Wettkampfbad.

Die Schulen brauchen mehr Flächen

Nötig sind nach Ansicht der Bürger mehr Schwimmbecken für die Schulen, die Öffentlichkeit und die Vereine. Beim Schulschwimmen müssten die Anforderungen der Lehrpläne umgesetzt werden, soll heißen: Schwimmmöglichkeit ortsnah zur Schule mit mindestens 30 Minuten Trainingszeit. Wenn der Bedarf durch die dezentralen Funktionsbäder gedeckt werden kann, könnten schuleigene Bäder geschlossen werden.

Empfohlen wird mehr Attraktivität durch Angebote wie Wasserfall, Rutsche, Abenteuer, aber auch Wellness- und Sportmöglichkeiten.

Familien sollen stärker in den Fokus rücken

An allen Standorten sollten die Familienangebote gesteigert werden; zur Standardausstattung eines Hallenbades der Zukunft gehören nach Ansicht der Bürger unter anderem ein 25-Meter-Becken, ein Lehrbecken mit Hubboden, ein Babybecken sowie ein Behindertenzugang in Bad und Becken.

Diese betrifft vor allem Energieeffizienz und Technik. Darüber hinaus wünschen sich die Bürger parallel zur bereits beschlossenen Sanierung des Hardtbergbades den Bau eines eigenen Hallenbades in Bad Godesberg. Weitere Anregungen: Sanierung des Frankenbades oder Römerbad als Kombibad.

Menschen wünschen sich einheitliche Öffnungszeiten

Diese hätten die Bürgergutachter gern einheitlich und länger (von 6 bis 22 Uhr, ganztägig für die Öffentlichkeit). Klarer Wunsch: Bad Godesberg braucht ein eigenes Hallenbad. Das Kurfürstenbad solle entweder am alten Standort oder an der Rigal’schen Wiese durch einen Neubau ersetzt werden, der die vorhandene Heilquelle thematisch aufgreift. Die Standortfrage könnte auch durch einen Bürgerentscheid beantwortet werden.

Schwimmbäder als Kulturstätten mit Sonderveranstaltungen während und außerhalb der Öffnungszeiten könnten dem jeweiligen Quartier einen kulturellen Wert geben. Ein bis zwei Freibäder könnten als Bürgerbäder mit ehrenamtlichem Engagement betrieben oder gestärkt werden.

Votum für sozialverträgliche, familienfreundliche Preise

Übrigens ist für die Bürgergutachter auch das im Bürgerentscheid von 2018 gekippte Wasserlandbad in Dottendorf noch nicht vom Tisch. Sein Bau könne als „Kür“ in Betracht gezogen werden, wenn der Sollbestand an Bädern saniert beziehungsweise neugebaut sei (aber Grundsatz „Pflicht vor Kür“). Das Gelände könnte auch als Fläche für ein Sport- und Saunabad Dottendorf dienen.

Die Bürgergutachter Sulaiman Al Horda (2.v.l.) und Karen Richter überreichten die Expertise an OB Ashok Sridharan (M.) im Beisein von Hilmar Sturm (l.) und Mark Schwalm (beide gfb).

Die Neugestaltung der schwer sanierungsbedürftigen und kostenintensiven Bonner Bäder ist seit Jahren ein politischer Dauerbrenner. Nach den Bürgerentscheiden von 2017 (Schließung Kurfürstenbad) und 2018 (Nein zu einem neuen Wasserlandbad) ist das Bürgergutachten der dritte Anlauf, das Thema in den Griff zu bekommen.

Per Zufallsverfahren wurden die 92 Bonner aus dem Einwohnermelderegister gefunden, die sich dann im September vier Tage intensiv mit den Bädern befassten. Zuvor hatten eine öffentliche Auftaktveranstaltung, eine Planungswerkstatt mit Akteuren der Bäderlandschaft (Vereine, Initiativen) sowie ein runder Tisch mit Experten aus Behörden und Organisationen stattgefunden. Noch im Dezember – so der ursprüngliche Zeitplan – soll das Gutachten in den politischen Gremien beraten werden.

Das Bürgergutachten steht im Internet.