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UnterschriftenaktionMitarbeiter wollen Schließung der Alfterer Bücherei verhindern

Lesezeit 5 Minuten

MItarbeiter und Förderer der Bücherei sowie Kommunalpolitiker geben nicht auf.

Alfter – „Das ist ein Schlag ins Kontor!“ Deutliche Worte fand Alfters Ortsvorsteher Norbert Lehna (CDU) am Samstagvormittag am Stand seiner Partei vor dem Gebäude der Öffentlichen Bücherei St. Matthäus Alfter am Hertersplatz. Der CDU-Ortsverband startete eine Unterschriften- und Postkartenaktion mit dem Appell an das Erzbistum Köln, die für Ende 2023 angekündigte auslaufende finanzielle Förderung der Bücherei zurückzunehmen:. „Wir stehen hinter unserer Bücherei“, ist das Motto.

Viele wussten bislang nichts von der geplanten Schließung

Die Unterstützung zum Auftakt war enorm, wie die Vorsitzende des CDU-Ortsverbandes Joslyn Reingen gegenüber der Rundschau erklärte. Nach vier Stunden konnten an den beiden Ständen vor dem Edeka und der Bücherei 346 Unterschriften gezählt werden, noch bis zum Sonntag der Bundestagswahl, dem 26. September, möchte die Partei vor Ort präsent sein. 1000 Unterschriften sollen es bis dahin sein, die dann ans Generalvikariat geschickt werden.

„Trotz der vielen Zeitungsberichte hatten viele Alfterer von der drohenden Schließung noch gar nichts mitbekommen und zeigten sich entsetzt. Viele, auch ich, sind mit der Bücherei groß geworden“, so Reingen weiter. „Es gibt kein Kind in Alfter, das hier nicht seinen Büchereiführerschein gemacht hat“, ergänzte Lehna.

Aktionen

Unterschriftenlisten für die weitere Förderung der Bücherei durch das Erzbistum liegen in den Alfterer Geschäften aus, zudem gibt es vorgedruckte Postkarten, die direkt an das Generalvikariat nach Köln geschickt werden können. Ausgefüllte Unterschriftensammlungen mit Originalunterschriften nimmt Joslyn Reingen (Bahnhofstraße 18a, 53 347 Alfter) entgegen.

Auch der Matthäusrat, der Pfarrausschuss von St. Matthäus, ist bestürzt und hat einen offenen Brief ans Erzbistum formuliert, der von möglichst vielen Menschen unterschrieben werden soll. Den Brief ist zu finden auf einer Stellwand unter der Orgelempore in der Pfarrkirche, wo auch Unterschriftenlisten ausliegen oder im Internet unter https://www.pfarreiengemeinschaft-alfter.de.

Für die kommende Ratssitzung haben die Freien Wählen Alfter einen Antrag gestellt, damit die Kommune den Betrieb der Büchereien in der Gemeinde sicherstellt, sobald die Verträge mit dem Erzbistum auslaufen. Dem Rat solle hierfür zügig ein Finanzierungskonzept vorgelegt werden mit dem Ziel, den Personalstand „mindestens zu erhalten und die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, die über viele Jahre hervorragende Arbeit geleistet haben, weiter zu beschäftigen“. Zudem soll die Gemeinde Alfter prüfen, ob für den Betrieb der Büchereien Fördermittel akquiriert werden können. Der Rat tagt am kommenden Donnerstag, 1. Juli, 17 Uhr, im Ratssaal im Rathaus Oedekoven, Am Rathaus 7. (fes)

„Geschockt“ war die Vokabel, die an diesem Samstag unzählige Mal fiel. So auch bei Marion Schumacher, die nebenan wohnt: „Mein Sohn nutzte die Bücherei, ich kenne sie von klein auf, ich kenne die Mitarbeiter persönlich. Da ich Nachbarin bin, bekam ich die Sanierungsarbeiten in den letzten Monaten unmittelbar mit. Es kann nicht sein, dass es nicht weitergeht.“

„Wir haben die vielen Kirchenaustritte nicht zu verantworten.“

Louisa Roos (37) lieh gemeinsam mit ihrer neunjährigen Tochter Mia gerade ein paar Bücher aus und zeigte sich ebenfalls „sehr traurig und schockiert“, als sie von der Nachricht erfahren habe: „Es geht ja nicht nur um die Ausleihe, sondern auch um die Angebote für die Schulen oder die Kitas zum Beispiel.“

Büchereileiterin Franzis Steinhauer ahnte, dass von Seiten des Erzbistums „etwas kommen“ werde, um Gelder einzusparen. Sie und ihr Team hätten damit gerechnet, vielleicht mehr Geld über den Förderverein oder Sponsoren generieren zu müssen, möglicherweise künftig auch Gebühren für die Ausleihe zu erheben oder mit einem sukzessiven Rückgang der Förderungen innerhalb der kommenden fünf Jahre: „Dass sie uns aber gleich die Rote Karte zeigen und es härter wird, als wir dachten, damit haben wir nicht gerechnet.

Die Kirche verliert damit ihre Leuchttürme und gibt ihre positiven, sichtbaren Werbeträger vor Ort auf. Viele Menschen kommen durch uns überhaupt erst in Kontakt mit der Kirche. Wir haben die vielen Kirchenaustritte nicht zu verantworten.“

„Unangemessen“

Mehr als 50 ehrenamtliche Helfer engagieren sich in der Rheinbacher Bücherei St. Martin, um den Bürgern einen Zugang zu Büchern und Zeitschriften für alle Altersklassen zu ermöglich. Nun soll auch diese Bücherei schließen, weil das Erzbistum Köln sich aus diesem Bereich zurückziehen möchte. Für die CDU Rheinbach angesichts ihrer Bedeutung für die Leseförderung und die Kultur absolut unangemessen („ein No-Go“). Die Stadt müsse sich für den Erhalt einsetzen , fordert die Partei. (Bir)

Steinhauer, die einige schlaflose Nächte hinter sich hat, betonte, dass sowohl die katholischen als auch evangelischen Kirchen vor Ort hinter der Einrichtung stünden. Gleichzeitig freute sie sich über die Solidarität der Alfter: „Wir haben schon immer gewusst, dass wir wertgeschätzt werden, nun zeigen es uns die Menschen auch. Das ist ein gutes Gefühl.“

Förderverein allein kann die Finanzierung nicht stemmen

Die Vorsitzende des Fördervereins „Buchstützen“, Brigitte Emmerich, war ebenfalls geschockt über die Mitteilung aus der Domstadt: „Wir sind der literarisch-kulturelle Mittelpunkt in Alfter, von der Leseförderung über Erwachsenenbildung bis hin zu Angeboten für Senioren. Seit 2003 sind wir dabei und sorgen für niederschwellige Angebote.“

Der Förderverein könne trotz seiner 220 Mitglieder alleine nicht genug Gelder aufbringen, um die Finanzierungslücke zu schließen: „Wir können Projekte finanzieren und unterstützen, aber nicht das hauptamtliche Personal bezahlen. Eine Bücherei in der Größenordnung und von der Qualität wie Alfter benötigt ein gutes Hauptamt, um die Ehrenamtlichen zu führen.“

Erzbistum stellt Ende des Jahres Zahlungen ein

Auch Klaus Hergarten, Vorsitzender des Ortsausschusses, hatte für die Nachrichten aus Köln nur ein Kopfschütteln übrig: „Gerade in der jetzigen Zeit! Ich kann das einfach nicht verstehen.“ Für ihn ist die Bücherei ein wichtiger Anker für das Dorfleben. Hergarten und Norbert Lehna haben zuletzt öfter gehört, dass Gläubige deswegen nun aus der Kirche austreten wollen, auch ältere Menschen, die ihr über Jahrzehnte die Treue halten: „Es gibt Leute, die möchten die Kirchensteuer, die sie einsparen, stattdessen der Bücherei spenden“, so Lehna.

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Er hofft, dass noch ein Umdenken stattfinde, die Zeit dränge aber. Noch sei die Kündigung nicht ausgesprochen, diese müsse spätestens bis zum 31. Dezember erfolgen, dann läuft die zweijährige Kündigungsfrist aus.

Wie berichtet, stellt das Erzbistum dann seine finanzielle Förderung von sieben Vertragsbüchereien, die von Kirchengemeinden im Verbund mit der örtlichen Kommune betrieben werden, ein. Dazu gehörten neben Alfter auch Rheinbach (siehe Kasten Mitte) und Meckenheim. Norbert Lehna treibt noch eine weitere Sorge um: „Die Büchereien sind erst der Anfang – und das in einer der reichsten Diözesen der Welt.“