KÖLN - Von „göttlicher Fügung“ sprach Dompropst Dr. Norbert Feldhoff, andere meinten, es sei schlicht „Glück“ gewesen, dass der Kölner Dom trotz seiner Lage neben zwei strategisch wichtigen Zielen - dem Hauptbahnhof und der Hohenzollernbrücke - den Zweiten Weltkrieg überstanden habe. „Viele glauben, dass die Bomberpiloten den Dom bewusst verschont haben.“ Mit dieser Legende räumt Autor Niklas Möring (30) in seinem Buch jetzt auf. Die historische Forschung belege, dass es weder ein offizielles noch ein geheimes Abkommen darüber gab. Es habe auch keine schriftlichen Anweisungen für die englischen und amerikanischen Piloten gegeben.
Auch für die Vermutung, der Dom sei als wichtiger Orientierungspunkt für die Piloten verschont worden, gebe es keine Belege. Im Übrigen, so Möring, sei die Treffgenauigkeit viel zu gering gewesen, um bei Nacht und Bewölkung den unmittelbar neben dem Hauptbahnhof liegenden Dom ganz bewusst nicht zu treffen. Angesichts der schlechten Navigationsmethoden besonders zu Beginn des Krieges sei es auch erfahrenen Besatzungen häufig nicht einmal gelungen, Köln mit Sicherheit zu finden.
Möring, Sohn des CDU-Politikers Karsten Möring, listet die schweren Schäden auf, die der Dom im Zweiten Weltkrieg erlitten hat, und er hat auch Erklärungen dafür, warum es nicht schlimmer kam. So hätten Brandbomben die stark geneigte Dachfläche nicht durchschlagen. Brände seien von den Brandwachen meist schnell und erfolgreich gelöscht worden. Außerdem habe der Dom durch sein Strebewerk und seine großformatigen Fensteröffnungen Luftminen weniger Angriffsfläche geboten als viele Kirchen.
Als Beleg dafür, dass der Dom am Ende des Krieges zwar von weitem intakt, aus der Nähe aber ganz anders aussah, zitiert Möring den amerikanischen Soldaten Michelantonio Vaccaro: „Die Türme sahen aus der Entfernung aus, als seien sie völlig unversehrt, aber als wir näher kamen, konnten wir sofort sehen, dass es massive Schäden gegeben hatte. Wie die Domtürme das überstehen konnten ohne einzustürzen, ist mir bis heute unbegreiflich.“
Bei der gestrigen Vorstellung des Buches im Domforum erinnerte sich ein Zeitzeuge an einen Fliegerangriff auf Köln. Er habe ihn im Dombunker miterlebt, der während des Bombardements deutlich spürbar gewackelt habe. Dieser Bunker war 1941 errichtet worden - an der Südseite des Doms auf dem heutigen Roncalliplatz. Beim Bau entdeckte man das Dionysos-Mosaik, über dem dann später das Römisch-Germanische Museum errichtet wurde.
Viele Menschen haben unter persönlichem Einsatz und manchmal unter Einsatz ihres Lebens dafür gesorgt, dass Kölns Wahrzeichen relativ unbeschadet durch den Krieg gekommen ist. Auf dem Dom hielten sich Nacht für Nacht Brandwachen auf, zunächst hatten sie primitive Mittel, um Feuer zu löschen. Später entwickelte man - nach diversen Verzögerungen wegen fehlender Bezugsscheine oder Materialknappheit - ein Feuerlöschsystem extra für den Dom.
In 45 Metern Höhe wurden fünf Löschwasserkessel gebaut, die jeweils 2000 Liter Rheinwasser fassten. Das Wasser reichte für etwa 45 Minuten, und der nötige Wasserdruck wurde durch CO-Flaschen erzeugt. Aufgefüllt wurden die Tanks zwischen den Angriffen mit Hilfe von Feuerwehrpumpen. Glücklicherweise konnten die Mitarbeiter der Dombauhütte das Löschsystem selber bedienen, denn die Kölner Feuerwehr war in den letzten zwei, drei Jahren des Krieges völlig überlastet.
Das neue Buch über den Kölner Dom im Zweiten Weltkrieg ist auch auf Englisch erschienen. Eine Tatsache, die den Dompropst hoffen lässt: „Ich hoffe, dass viele Amerikaner das Buch lesen und dass sich ihr Gewissen regt“, sagte Feldhoff gestern.
Soldaten der Alliierten „ließen Teile des Domschatzes mitgehen. Und wir haben Fälle gehabt, wo sich kurz vor dem Tod das schlechte Gewissen regte und die Betroffenen ihre Nachfahren anwiesen, dafür zu sorgen, dass die Stücke zurück nach Köln geschickt wurden“.