Köln – Die Freude war groß im August 2005. Nach nur 16 Monaten Bauzeit führte die neue Domtreppe zur Kathedrale. Oberbürgermeister Fritz Schramma (CDU) und Dompropst Norbert Feldhoff gaben die 70 Meter breite Anlage frei und freuten sich über das sehenswerte Entree der Stadt. 12,3 Millionen Euro kostete die Umgestaltung. Wenige Tage später gastierte Papst Benedikt XVI. beim Weltjugendtag. Die Erleichterung war allerorten zu spüren.
Schutz für die Natursteinplatten
16 Jahre später ist die Freude dahin und die Treppe ein Sanierungsfall. Wie berichtet, haben die Arbeiten zur Sanierung des östlichen Teilstücks begonnen. Bei der Einrichtung der Baustelle ist das Amt für Straßen und Verkehrsentwicklung wenig zimperlich vorgegangen: Rund um die Treppe haben Arbeiter eine weitflächige Sperrzone errichtet. Wer aus dem Bahnhof kommt, sieht als erstes eine Bretterwand und muss dann ein verzweigtes Straßensystem queren. Damit die Lkw bei der Baustellenzufahrt nicht den Bahnhofsvorplatz zerstören, hat die Stadt kräftig Asphalt gegossen. „Zum Schutz der Natursteinplatten wurde ein Flies verlegt, darauf Gussasphalt verlegt“, teilte die Stadt mit. Der Abschluss der Arbeiten sei für den 31. Oktober angepeilt.
Und dann? Alles fertig? Nein, 2022 beginnt die Sanierung der westlichen Seite der Domtreppe. Auch dann wird der Bahnhofsvorplatz für mehr als ein halbes Jahr beeinträchtigt sein. Der Grund für die Arbeiten: Der Mörtel, mit dem vor 15 Jahren die Stufen aus Granitstein befestigt worden waren, hatte sich gelöst, die Treppe hatte sich in sich verschoben. Das führte zu Stolperfallen. Nach einer Prüfung entschied die Stadt: Grundsanierung unausweichlich. Nun müssen die Platten der Treppen abgefahren, gereinigt, auf neuem Untergrund verlegt werden. Gesamtkosten: 2,6 Millionen Euro. Keine kleine Sache.
Am Dienstag begutachteten Passanten das Kamener Kreuz am Dom. Die Stadt hat Baken und „Tempo 5“-Schilder bereit gestellt, um die Gefährdungslage für Fußgänger zu minimieren. Nach Auskunft der Stadt soll der Baustellenverkehr auf vier Fahrten pro Tag begrenzt werden. Die sollen eher in Randzeiten rollen, wenn weniger Passanten den Platz überqueren. „Die Führung des Baustellenverkehrs ist mit den ausführenden Firmen so besprochen, dass möglichst wenig Einschränkungen für Fußgänger*innen entstehen“, teilt die Verwaltung auf Rundschau-Anfrage mit. „Der Fußgängerverkehr hat Vorrang.“
Wie berichtet, hat die Stadt zwei Zufahrten eingerichtet: von der Trankgasse und von der Dompropst-Ketzer-Straße aus. So sollen Wendemanöver auf dem Platz ausbleiben. In der Mittagszeit war am Dienstag bereits ein reger Pkw-Verkehr zu beobachten.
Gestaltungshandbuch
Die Maßnahme erinnert in der Umsetzung an die Asphaltierung des Rheinufers vor drei Jahren. Zwischen Fischmarkt und Deutzer Brücke (Foto) hatte die Stadt auf 300 Metern den brüchigen Basaltstein abgedeckt. Inzwischen ist klar, dass die Kragplatte darunter ab Herbst erneuert wird. Die Arbeiten sollen 15 Monate dauern.
157 Seiten ist das Gestaltungshandbuch der Stadt stark. Es enthält auch Regeln für die Einrichtung von Baustellen. So ist etwa vorgeschrieben, wie Baustellen einzuhausen sind: wie hoch (2,20 bis 3 Meter) und aus welchem Material (Holz, Metall) die Wände gestaltet sein müssen.
Auch der Roncalliplatz ist durch die Arbeiten am Dom-Hotel derzeit durch Baumaßnahmen deutlich beeinträchtigt. (mft)
„In der langen Kette der Traurigkeiten ist das ein weiteres Glied“, sagt der Bezirksbürgermeister Innenstadt, Andreas Hupke (Grüne). Es zeige sich erneut, dass die Stadt gerade bei Verkehrsmaßnahmen wenig Rücksicht auf Fußgänger nehme. „Der Bau der Freitreppe war eigentlich ein Glücksfall, aber nun ist sie baufällig. Es rächt sich, dass sie unter Hochdruck gebaut wurde.“
„Hätten Trankgasse sperren können“
Die Bezirksvertretung Innenstadt will prüfen, die Trankgasse ohne motorisierten Verkehr umzugestalten. In einem Versuch soll sie komplett gesperrt werden. „Das hätte man für die Baustelle nutzen können“, sagt Hupke. „Dann hätten die Arbeiter im Tunnel sogar überdachte Flächen.“ In die Köpfe der Entscheider müsse rein, dass Rücksichtnahme nicht nur in Bezug auf den Autoverkehr geboten sei.
Derzeit sind die Besucherströme in der Stadt gering, aber das dürfte sich wieder ändern. „Es sieht fürchterlich aus, aber vermutlich ist es unumgänglich“, sagt Architekt Kaspar Kraemer, lange Jahre Vorsitzender des Bundes Deutscher Architekten. Das Amt für Straßen und Verkehrsentwicklung zeichne sich meist nicht durch die Ästhetik von Baumaßnahmen aus. Der Skandal sei aber, dass die Domtreppe nach so kurzer Zeit ein Sanierungsfall ist. Immerhin sehe man, dass der Platz schön gestaltet war und was man vorübergehend verliert. Kurz: „Da müssen wir jetzt durch.“
Die Freitreppe am Dom ist schön und ein Gewinn für die Stadt. Dass sie nach 15 Jahren baufällig ist und mit Millionenaufwand saniert werden muss, ist traurig und macht fassungslos. Leider sind die Bürger Hiobsbotschaften dieser Art gewöhnt. 2,6 Millionen Euro Baukosten? Muss halt.
Quasi über Nacht toppt die Stadt den Schrecken, in dem sie eine Art Verkehrsübungsplatz vor dem Bahnhof errichtet. Dass das Natursteinpflaster geschont werden soll, ist in Ordnung. Warum aber wird eine solche raumgreifende Baustellengestaltung nicht angekündigt? Warum erklärt die Stadt nicht besser, was sie da tut? Immerhin handelt es sich um das Entree zur City, und das wird bis Ende 2022 maßgeblich beeinträchtigt.
Der Lieferverkehr soll in Randzeiten und mit wenigen Fahrten den Platz belasten, sagt die Verwaltung. Abwarten. Zu Wochenbeginn drehten mehrere Pkw Runden auf der „Teststrecke“. Vielleicht müssen noch Leitplanken und ein Ampelsystem her.