KÖLN - Dass dieser Stuhl einmal Teil eines Baukrans war,ist auf den ersten Blick nicht zu erkennen: Dunkles Holz, kunstvollgeschnitzt, leicht abgenutzte orange-blau-grüne Polster mitRautenmuster. "Wunderbar", findet Klaus Hardering, Leiter des KölnerDombauarchivs. Das geschichtsträchtige Souvenir ist aus dem Holz desKrans geschnitzt, mit dem beim Bau des Kölner Doms die einzelnenSteine in die Höhe gezogen wurden. Bis vor wenigen Monaten saß nochregelmäßig eine alte Dame in einem kleinen spanischen Dorf auf derAntiquität - jetzt ist das Stück zurück an seinem Ursprungsort inKöln.
Fast 500 Jahre lang stand der Kran im Zentrum von Köln auf derBaustelle des Domes, der heute zum Weltkulturerbe zählt. "Der Kranwar die größte technische Maschine des Mittelalters", sagt derArchitekt und ehemalige Kölner Dombaumeister, Arnold Wolff."Jahrhundertelang war er das Wahrzeichen der Stadt und zugleich einSymbol, dass der Bau des Gotteshauses nur unterbrochen war."
Die durch Treträder angetriebene Holzkonstruktion entstandwahrscheinlich um das Jahr 1350, als mit dem Bau des Südturmsbegonnen wurde. Der 25 Meter hohe Kran konnte bis zu zwei Tonnenschwere Ladungen hochheben. Als Anfang des 19. Jahrhunderts derAusleger des Krans aus Sicherheitsgründen abmontiert werden musste,hätten die Kölner heftigst protestiert, sagt Wolff. "Als dann einneuer Schnabel am Kran angebracht wurde, war die Volksseeleberuhigt."
Auch Schriftsteller ließen sich vom Domkran inspirieren. Den"immerwährenden Kran" nannte ihn Herman Melville in seinem Tagebuchund erwähnte ihn später in seinem berühmten Roman "Moby Dick". Zuseinem letzten Einsatz kam der Kran bei der Grundsteinlegung zumWeiterbau des Domes, Mitte des 19. Jahrhunderts. 1868 wurde dieKonstruktion abgebaut - wenige Jahre bevor der Schlussstein in denSüdturm eingesetzt wurde.
Das jahrhundertealte Holz des Krans wurde weiterverarbeitet und inForm von Souvenirs an verdiente Kölner Bürger verschenkt: Kreuze,Kran-Modelle, die teilweise als Tabakdosen benutzt werden konnten,Engelsköpfe, Federhalter und ein aufrecht sitzender Löwe alsTreppenpfostenaufsatz. "Jedes Souvenir hat eine ihm anhängendeunsichtbare Geschichte", erklärt die Kulturhistorikerin Anna Ananievavon der Universität Mainz.
Leider seien nicht alle Souvenirs bekannt und erhalten, bedauertDombauarchiv-Leiter Hardering. Da der Dom kein Museum hat, könntendie wenigen Souvenirs im Archiv auch nicht ausgestellt werden. "Achtsolcher Stühle sollen zur Feier der Domvollendung 1880 an verdienteKölner Bürger geschenkt worden sein, aber dieser scheint das einzigerhaltene Exemplar zu sein."
Ein Mitglied des Zentralen Dombau-Vereins hatte Hardering vorwenigen Monaten angerufen: Eine Verwandte seiner Frau, deren Familieeine bekannte Ofenfabrik am Kölner Klingelpütz besaß, habe noch soeinen Stuhl aus Kranholz zu Hause. Die alte Dame, die schon lange inSpanien lebe, wolle den Stuhl dem Dom spenden. "Sie wussteanscheinend gar nicht, was für einen Schatz sie da zu Hause hat",(dpa)