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Interview

CDU-Politiker Thorsten Frei
„Baerbock und Habeck sind die Gesichter des Scheiterns“

Lesezeit 7 Minuten
ARCHIV - 11.09.2024, Berlin: Thorsten Frei, Erster Parlamentarischer Geschäftsführer der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, spricht in der Generaldebatte um den Haushalt 2025 im Bundestag.

Thorsten Frei, Erster Parlamentarischer Geschäftsführer der CDU/CSU-Bundestagsfraktion

Im Gespräch kritisiert CDU-Politiker Thorsten Frei den Haushaltsplan der Ampel-Regierung und wirft ihr mangelnde Priorisierung vor. Er fordert eine regulierte Migration und Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft.

Warum sieht die CDU die Flüchtlingspolitik von Angela Merkel heute kritisch? Und was hilft gegen die Wirtschaftsflaute? Darüber sprach Rena Lehmann mit Thorsten Frei, dem parlamentarischen Geschäftsführer der CDU im Bundestag. Der 51-Jährige aus Baden-Württemberg ist einer der einflussreichsten Politiker im Team von Unions-Kanzlerkandidat Friedrich Merz.

Herr Frei, die Wirtschaftsinstitute sagen nur noch ein Wachstum von 0,8 Prozent voraus. Muss die Ampel-Regierung ihren ohnehin umstrittenen Haushalt 2025 neu machen?

Es ist offensichtlich, dass der Haushaltsplan der Ampel auf Sand gebaut ist. Die Vorgaben waren von Beginn an viel zu optimistisch. Und der Regierung fehlt die Kraft Prioritäten zu setzen. Trotz der schlimmer werdenden Wirtschaftskrise erzielt der Staat noch immer rekordverdächtige Steuereinnahmen. Die Ampel hat kein Einnahme-, sondern ein Ausgabenproblem.

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Die Wirtschaftsprognose hat die Ampel-Parteien in weitere Unruhe versetzt. Rechnen Sie mit einem Bruch der Koalition?

Die Geschichte der Ampel ist eine Geschichte der Zerrüttung. Ich fürchte aber, dass die Koalitionäre sich aus Angst vor dem Wähler bis zum letzten Tag aneinander klammern werden und wir ein weiteres Jahr Stillstand bekommen, den sich unser Land nicht leisten kann. Anstatt sich gegenseitig zu bekriegen, wäre es die dringendste Aufgabe der Regierung, die irreguläre Migration zu stoppen und die Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft zu verbessern, damit die Menschen in unserem Land auch in Zukunft noch in Wohlstand leben.

Die CDU hält die Grünen in ihrer aktuellen Verfassung nicht für einen geeigneten Koalitionspartner. Hat sich das mit dem Rücktritt der Grünen-Führung geändert?

Bei den jüngsten Landtagswahlen wurden die Grünen nicht wegen ihrer Parteiorganisation abgewählt, sondern wegen der Politik ihrer führenden Repräsentanten. Die Minister Baerbock und Habeck sind die Gesichter des Scheiterns. Sie stehen für eine verkorkste Wirtschafts-, Energie- und Migrationspolitik. Solange die Grünen nicht auf den Kurs der Vernunft einschwenken und die bedrückende Wirklichkeit in unserem Land wahrnehmen und anerkennen, kann ich mir beim besten Willen keine Zusammenarbeit vorstellen.

Kurz nachdem Friedrich Merz zum Kanzlerkandidaten ausgerufen wird, holt die CDU in Brandenburg ihr schlechtestes Ergebnis. Ist er doch kein Zugpferd für die Union?

Friedrich Merz ist ein starkes Zugpferd. Das zeigen die Meinungsumfragen auf Bundesebene. Das Allensbach-Institut sieht uns das erste Mal in dieser Woche bei 35,5 Prozent! Auch die anderen Institute verzeichnen Steigerungen.

Aber mit 12 Prozent bei einer Landtagswahl können Sie doch nicht zufrieden sein…

Sicher nicht. Das Wahlergebnis von Brandenburg ist bitter. Aber ehrlicherweise hatten wir dort eine sehr spezielle Konstellation. Die Zuspitzung von Ministerpräsident Dietmar Woidke auf die Frage „Ich oder die AfD“ hat dazu geführt, dass wir sowohl an die SPD als auch an die AfD Wähler verloren haben. Das war eine Gemengelage, in der die CDU förmlich zerrieben wurde.

Was, wenn Olaf Scholz es 2025 genauso macht wie sein SPD-Kollege Woidke?

Das wird ihm nicht gelingen. Dietmar Woidke ist der beliebteste Politiker Brandenburgs. Olaf Scholz ist einer der unbeliebtesten Politiker Deutschlands. Er ist der Repräsentant einer Regierung, die so erfolglos arbeitet wie wahrscheinlich keine andere Bundesregierung vor ihr.

Auch eine CDU-geführte Bundesregierung müsste mit einer schwierigen wirtschaftlichen und außenpolitischen Lage umgehen. Laufen Sie Gefahr, zu viel zu versprechen?

Wir treten natürlich mit dem Anspruch an, dass es für Deutschland wieder bergauf geht. Wir schüren aber nicht die Illusion, dass das mit einem Federstrich zu erledigen ist. Wir haben fundamentale Herausforderungen. Wir sind inzwischen Schlusslicht unter den Wirtschaftsnationen. Wir erleben, dass sich die wirtschaftliche Stagnation auf den Arbeitsmarkt auswirkt. VW diskutiert erstmals Werksschließungen in Deutschland. Das sind klare Hinweise dafür, dass wir wirtschaftlich nach hinten durchgereicht werden. Dieser Trend muss gestoppt werden.

Und zwar wie?

Priorität haben wettbewerbsfähige Energie- und Strompreise. Wir brauchen wettbewerbsfähige Unternehmenssteuern, weniger Bürokratie und Regulierung. Wir brauchen als Exportweltmeister mehr Handelsverträge mit anderen Ländern, damit wir unsere Produkte weltweit verkaufen.

Muss die Ampel VW und anderen helfen oder ist – wie manche Experten sagen – eine notwendige Marktbereinigung im Gange?

Man darf mit dem Geld des Steuerzahlers weder politische noch unternehmerische Fehlentscheidungen kompensieren. Die Aufgabe der Politik ist es, dafür zu sorgen, dass wir bessere Standortbedingungen haben. Wir brauchen eine konsistente Wirtschaftspolitik. Minister Robert Habeck hat im vergangenen Jahr von einem Tag auf den anderen die Förderung für E-Autos gekappt, jetzt will er sie wieder auflegen. Das ist Politik nach dem Prinzip „Rein in die Kartoffeln, raus aus den Kartoffeln“.

Die CDU hat Angela Merkel nachträglich zum 70. Geburtstag mit einem Empfang geehrt. Wie wollen Sie einen völlig neuen Kurs in der Migrationspolitik glaubwürdig vertreten, ohne sich von ihr zu distanzieren?

Ihre Regierungszeit war eine Zeit der wirtschaftlichen Prosperität und der niedrigen Arbeitslosigkeit und bis zum Ausbruch der Pandemie auch eine Zeit der ausgeglichenen Haushalte. Es war eine gute Zeit – und es war richtig, sie zum ihrem 70. Geburtstag noch einmal zu würdigen. Heute müssen wir allerdings ganz andere Antworten in der Migrationspolitik geben als Angela Merkel das 2015 getan hat. Wenn wir die Entwicklung im Rückblick betrachten, ist eindeutig: Wir hätten viel früher eine Kurskorrektur einleiten müssen.

War es rückblickend also ein Fehler, die Grenzen 2015 offenzuhalten?

Die Entscheidung vom September 2015 war in der Situation richtig, die Grenzen offenzuhalten, als sich riesige Menschenmengen zu Fuß aus Ungarn auf den Weg nach Deutschland machten. Es ist heute aber vollkommen klar, dass das kein Dauerzustand werden durfte. Das Asylrecht bedeutet nicht das Recht, sich das Land aussuchen zu können, in dem man leben möchte. Wir hätten sehr viel früher und beherzter Maßnahmen ergreifen müssen, um die Migration nach Deutschland zu verringern.

Aus dem Gespräch zu Veränderungen in der Migrationspolitik mit der Ampel sind Sie ausgestiegen. Gibt es einen neuen Anlauf?

Wir werden nur mitmachen, wenn Entscheidungen getroffen werden, die eine grundsätzlich andere Migrationspolitik bedeuten. Die Menschen müssen spüren, dass es wirklich Veränderungen in der Frage gibt. Wenn es diesen Vorher-Nachher-Effekt nicht gibt, wollen wir für die Migrationspolitik der Ampel-Koalition nicht in Mithaftung genommen werden.

Wer soll verstehen, dass die CDU möglicherweise mit dem Putin-nahen BSW koaliert, mit dem Realpolitiker Bodo Ramelow von der Linken aber keine Zusammenarbeit will?

Ich stehe hinter unseren Unvereinbarkeitsbeschlüssen von 2018. Die Linke will den Sozialismus in Deutschland einführen, das wollen wir ganz unzweifelhaft nicht. Ich würde die Liste der Unvereinbarkeitsbeschlüsse aber umgekehrt auch nicht verlängern. Eine Zusammenarbeit mit dem BSW auf Bundesebene würde ich allerdings schon mit Blick auf die Außenpolitik definitiv ausschließen. Von der Westbindung bis zur Nato – alles, was Deutschland in den letzten Jahren erfolgreich gemacht hat, lehnt das BSW ab.

Kommt die AfD ihrem Ziel, die CDU zu zerstören, nicht ein gutes Stück näher, wenn Sie immer wieder mit linken Parteien koalieren?

Natürlich ist es so, dass die Unzufriedenheit der Menschen weiter steigt, wenn Koalitionen mit wenig Gemeinsamkeiten zusammen regieren. Aber das ist nun einmal kein Wunschkonzert. Was wäre die Alternative? Wir wollen uns nicht nachsagen lassen, wir hätten nicht alles unternommen, um einen Ministerpräsidenten Höcke zu verhindern.

Nach Solingen hat die Ampel-Regierung ein umfassendes Sicherheitspaket in den Bundestag eingebracht. Untätigkeit kann man ihr also nicht vorwerfen, oder?

Bislang ist nichts davon beschlossen und umgesetzt. Wir hätten das Paket in dieser Woche verabschieden können, aber die Ampel-Koalition hat es nicht auf die Tagesordnung gesetzt. Nach dem Attentat von Solingen brauchen die Menschen keine salbungsvollen Reden mehr, sondern eine Regierung, die handelt. So aber bleibt es ein leeres Versprechen vor der Landtagswahl in Brandenburg, das jetzt nicht eingehalten wird.