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Interview

Terrorexperte zu Anschlagsplänen
„Der Schwerpunkt der Aktivitäten liegt in NRW“

Lesezeit 3 Minuten
Terroralarm zum Jahreswechsel: Es galten auch am Kölner Dom verstärkte Sicherheitsmaßnahmen nach einer Terrorwarnung vor Weihnachten.

Terroralarm zum Jahreswechsel: Es galten auch am Kölner Dom verstärkte Sicherheitsmaßnahmen nach einer Terrorwarnung vor Weihnachten.

Der Terrorexperte Peter R. Neumann spricht zu Anschlagsplänen von Islamisten in Deutschland und den Aktivitäten der ISPK.

Die Terrorgefahr wird von den deutschen Sicherheitsbehörden schon länger als hoch eingeschätzt – Ziele könnten auch Veranstaltungen rund um die Fußball-EM sein. Besonders im Fokus: Der „Islamische Staat – Provinz Khorasan“ (ISPK). Terrorexperte Peter R. Neumann erklärt im Interview mit Karolina Meyer-Schilf, was es damit auf sich hat.

Herr Neumann, die USA haben die Terrorwarnstufe für ihre Militärbasen in Europa erhöht, es gibt also deutliche Hinweise auf einen möglicherweise bevorstehenden Terroranschlag. Sie glauben, der ISPK steckt dahinter – wer ist das eigentlich?

Der ISPK stammt aus Afghanistan und rekrutiert vor allem in den angrenzenden zentralasiatischen Ländern wie zum Beispiel Tadschikistan. Er ist derzeit der ambitionierteste und aggressivste IS-Ableger, der in der Lage ist, auch im westlichen Ausland Anschläge zu verüben.

Der Anschlag auf eine Konzerthalle in Moskau im Frühjahr ging auch auf das Konto des ISPK – also steht gar nicht nur klassisch der Westen im Fadenkreuz der Terroristen. Was wollen sie?

Der ISPK hat sich zunächst den globalen Religionskrieg auf die Fahnen geschrieben. Es gab geplante Anschläge auf Synagogen, auf eine katholische Kirche in Istanbul, Planungen für Anschläge auf den Kölner Dom und den Wiener Stephansdom. Aber der ISPK kämpft zunehmend auch gegen alle Arten von „Ungläubigen“ oder irgendwie Abtrünnigen. In Gera etwa wurden im März zwei Männer verhaftet, die auf dem Weg nach Schweden waren: Sie wollten einen Anschlag auf das Parlament verüben, weil in Schweden zuvor Korane verbrannt worden waren.

Seit dem Abzug aus Afghanistan wird das Land für Nachrichtendienste zunehmend zum blinden Fleck: Woher stammen die Informationen, dass es sich um den ISPK handeln könnte, der jetzt in Europa zuschlagen will?

In der Terrorbekämpfung gibt es immer verschiedene Methoden. Was seit dem Abzug aus Afghanistan nicht mehr funktioniert, sind Spezialkommandos vor Ort, die Terrorstrukturen direkt bekämpfen können. Aber insbesondere die Amerikaner können nach wie vor die Kommunikation überwachen, und da sind sie gut aufgestellt.

Sie sehen Deutschland als operationelle Basis für den ISPK in Westeuropa. Wie kommen Sie zu dieser Einschätzung?

Von 26 zuletzt festgenommenen ISPK-Anhängern sind 19 in Deutschland festgenommen worden. Die unschöne Wahrheit ist, dass der ISPK auch über die Flüchtlingsströme aus der Ukraine nach Deutschland gelangt ist – und dadurch übrigens ein Schwerpunkt der Aktivitäten in Nordrhein-Westfalen liegt, weil die Flüchtlinge innerhalb Deutschlands nach Nationalitäten verteilt werden.

Die Europameisterschaft steht schon länger im Fokus, was mögliche Terroranschläge angeht. Wie sehen Sie Deutschland da aufgestellt?

Gut. Der ISPK ist die Hauptgruppe, die die Sicherheitsbehörden gerade in Bezug auf die EM im Auge haben. Das wird priorisiert. Es gibt eine gute europäische Kooperation und natürlich sind wir auch stark auf die Amerikaner angewiesen. Die teilen ihre Informationen mit uns, sobald sie Erkenntnisse über Aktivitäten in Deutschland und Europa haben. Die Zusammenarbeit funktioniert.

Wie wahrscheinlich ist es denn, dass ein Anschlag auf ein Stadion oder ein Public Viewing passiert?

Natürlich kann ich Ihnen auch als Terrorexperte nicht sagen, ob in nächster Zeit ein Anschlag passiert oder nicht, das wäre unseriös. Aber wenn es ein großer Anschlag ist, dann ist es mit 99,9-prozentiger Wahrscheinlichkeit der ISPK, der ihn verübt.