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SPD-KanzlerfrageIn NRW herrscht Katerstimmung nach der Kandidaten-Kür

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Achim Post, Vorsitzender des SPD Landesverbandes von Nordrhein-Westfalen, gibt ein kurzes Pressestatement zu der Entwicklung der Kanzlerkandidatenentscheidung ab.

Achim Post, Vorsitzender des SPD Landesverbandes von Nordrhein-Westfalen, gibt ein kurzes Pressestatement zu der Entwicklung der Kanzlerkandidatenentscheidung ab.

Trotz kritischer Diskussionen bereitet sich die NRW-SPD darauf vor, Scholz weiterhin zu unterstützen. Die Genossen steuern auf die Bundestagswahl unter schwierigen Umständen zu.

Als Achim Post am Freitagmittag im Düsseldorfer Johannes-Rau-Haus auftritt, blickt der Co-Vorsitzende der nordrhein-westfälischen SPD auf einen gewaltigen Trümmerhaufen im Novemberregen. Gegenüber der Landesgeschäftsstelle seiner Partei steht nur noch das Gerippe des ehemaligen NRW-Innenministeriums, das Abrissbirnen seit Monaten Etage für Etage zerlegen.

Post muss an diesem Tag einige Mühe darauf verwenden, die Ruine in der Nachbarschaft nicht als Sinnbild für den Zustand seines Landesverbandes erscheinen zu lassen. Die NRW-SPD, mit rund 90000 Mitgliedern noch immer die wichtigste Gliederung der deutschen Sozialdemokratie, gilt als Urheberin der Chaos-Tage rund um die Kanzlerkandidatur für die vorgezogene Bundestagswahl – und steht nun belämmert da.

„Aus meinem Landesverband kamen keine Querelen, sondern klare Blicke auf die Realität“, verteidigt sich Post. Das kann man allerdings auch anders sehen. Seit Ende vergangener Woche hatten seine Leute die Unpopularität des gescheiterten Ampel-Kanzlers Olaf Scholz auf offener Bühne thematisiert und eine Spitzenkandidatur des populären Verteidigungsministers Boris Pistorius mehr oder minder nahegelegt.

Pistorius nimmt sich selbst aus dem Spiel

Nachdem sich Pistorius am Donnerstagabend nach stundenlangen Krisenberatungen in Berlin – angeblich als Ergebnis einer „souveränen Entscheidung“ – selbst aus dem Spiel genommen hat, fragt man sich, was eigentlich in die Genossen an Rhein und Ruhr gefahren ist. Dachte man wirklich, möglichst ungeschminkte Frust-Meldungen von der Basis könnten Scholz dazu bewegen, die Kanzlerkandidatur der SPD weniger als 100 Tage vor der Bundestagswahl mit großer Geste an Publikumsliebling Pistorius abzutreten?

Einiges spricht tatsächlich dafür. Auch der Verteidigungsminister selbst, der noch am Mittwoch zum Blitzbesuch in Düsseldorf war, schien mit Blick auf eine solche Wendung zunächst lieber nichts auszuschließen. Post ließ die Debatte in seinem Landesverband laufen. Der 65-jährige Ostwestfale gehört als langjähriger Bundestagsabgeordneter und Partei-Vize zwar zu den erfahrenen Strippenziehern in der SPD, die wissen mussten, dass man das politische Naturgesetz schwer aushebeln kann, dass ein amtierender Kanzler immer auch natürlicher Kanzlerkandidat ist. Anderseits konnte er die Vorbehalte gegen Scholz nicht ignorieren.

Kampfansage an Olaf Scholz

Zu Wochenbeginn hatte sich der mächtige Parteibezirk Westliches Westfalen, einer der größten überhaupt in Deutschland, zur Vorstandssitzung versammelt. Niemand sprang dabei für den Kanzler in die Bresche. Zur einer echten Kampfansage geriet dann eine Einlassung der Abgeordneten Wiebke Esdar und Dirk Wiese, die die Chefs der nordrhein-westfälischen SPD-Landesgruppe im Bundestag sind. Scholz persönliches Ansehen sei stark mit der gescheiterten Ampel-Koalition verknüpft, hieß es darin. Es gebe derzeit innerhalb und außerhalb der Partei eine Debatte, „was die beste politische Aufstellung jetzt für diese Bundestagswahl ist“. Und dabei hörten sie viel Zuspruch für Pistorius, behaupteten Esdar und Wiese.

Post will sich von diesen Wortmeldungen, die mancher bereits als „Putschversuch“ gegen den Kanzler gelesen hat, auch am Freitag nicht distanzieren. Die wichtige Stimme Nordrhein-Westfalens sei „sehr öffentlich war und sehr klar durch die Stellungnahme der beiden Landesgruppenchefs“ artikuliert worden. Man habe das ausgedrückt, was vor Ort vernommen worden sei. „Ich würde nicht sagen, dass es schädlich war – ganz und gar nicht“, sagt Post. Der Ruf nach Pistorius sei auch „nicht ein Unikat hier in NRW, sondern das war in ganz Deutschland so“.

Wie geht es in NRW nun weiter?

Und nun? Nun muss man die Genossen in der Herzkammer der Sozialdemokratie wieder auf Scholz einschwören, der schon bei der Landtagswahl 2022 und bei der Europawahl im Frühjahr kein Zugpferd war. Am leichtesten fällt das aus der NRW-Führungsriege wohl noch Landtagsfraktionschef Jochen Ott. Der Kölner hatte schon vor einigen Tagen auf die Unmöglichkeit hingewiesen, Scholz gegen seinen Willen abzuräumen: „Ich denke, wenn der Kanzler am Ende sagt, er will diese Kandidatur machen, dann ist das so.“

Der Kater nach der Kandidaten-Kür tut weh. Aber selbst der Landtagsabgeordnete und Bochumer SPD-Chef Serdar Yüksel, der als erster Zweifel an Scholz Zugkraft angemeldet hatte, reiht sich am Freitag schnell ein: „Jetzt gilt es, dass wir uns als SPD endlich wieder auf die Inhalte fokussieren, die die Menschen bewegen – und mit denen wir am Ende auch geschlossen in den Wahlkampf gehen.“

Pistorius werde ja immer noch „eine aktive Rolle“ im Wahlkampf einnehmen, tröstet Post am Freitag tapfer. Zudem sei es besser, „dass weiter ein Sozialdemokrat im Kanzleramt sitzt als ein Mann wie Friedrich Merz, der vor allem für eines steht: für soziale Kälte“. Der kleinste gemeinsame Nenner also.

Bei allem Ärger über die Parteiführung in Berlin, „die einfach durchzieht“, findet man in NRW durchaus auch Funktionäre, die von der Dickfelligkeit des Kanzlers schon wieder beeindruckt sind. „Der Olaf“ sei halt keiner, der wie der Grüne Robert Habeck mit „Kanzler-Era“-Armbändchen rumlaufe und alle verständnisvoll „mitnehmen“ wolle. Wie er die Zweifel aus den eigenen Reihen und die desaströsen Umfragewerte wegstecke, sei beachtlich, heißt es da. Mit seinem vorsichtigen Ukraine-Kurs habe er die übergroße Mehrheit der Deutschen hinter sich, obwohl der Ruf nach immer schwereren Waffen von Grünen und CDU so lange anderes suggeriert habe.

Ist Scholz also nur „unterbewertet“, wie Gesundheitsminister Karl Lauterbach meint? Auf ein solches politisches Rating mag sich in Düsseldorf am Tag danach keiner mehr einlassen. Die Entscheidung sei getroffen. Schluss. Aus. „Die SPD ist eine Partei, die, wenn es drauf ankommt, geschlossen und entschlossen in solche Wahlschlachten geht“, glaubt Post. Wer bei Scholz Führung bestellt, das hat die NRW-SPD augenscheinlich im Crashkurs gelernt, kann sie so schnell nicht mehr abbestellen.