„Mauschelei“-VorwürfeU-Ausschuss setzt NRW-Minister Limbach unter Druck

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Benjamin Limbach (Bündnis 90/Die Grünen), Justizminister von Nordrhein-Westfalen

Benjamin Limbach (Bündnis 90/Die Grünen), Justizminister von Nordrhein-Westfalen

Der Untersuchungsausschuss soll prüfen, ob NRW-Justizminister eine Person wegen ihrer Beziehungen zu ihm und nicht wegen ihrer Qualifikationen auf einen Justizposten gesetzt hat. 

Der Landtag hat am Donnerstag mit den Stimmen von SPD und FDP einen Untersuchungsausschuss beschlossen, der die Mauschelei-Vorwürfe gegen NRW-Justizminister Benjamin Limbach (Grüne) aufarbeiten soll. Er könnte den Minister trotz eines für ihn günstigen Urteils des Oberverwaltungsgerichts Münster in Bedrängnis bringen.

Warum gibt es diesen Untersuchungsausschuss?

Eigentlich war der große Stress für Limbach vorbei. Das OVG entschied schon am 1. März, dass eine Bekannte des Ministers Gerichtspräsidentin in Münster werden darf. Zuvor stand der Vorwurf im Raum, er habe die Juristin auf den Posten manipulieren wollen. Allerdings legte ein bei der Auswahl für den Spitzenposten übergangener Bundesrichter in Karlsruhe Verfassungsbeschwerde wegen Verletzung der Bestenauslese ein. Das OVG-Präsidentenamt bleibt deshalb vorerst weiter verwaist.

Wegen der noch immer offenen Fragen hatten SPD und FDP im Landtag die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses beantragt. Aus ihrer Sicht steht weiter der Verdacht im Raum, dass Parteibuch und Beziehungen den Ausschlag bei der Besetzung des Postens gegeben hätten und nicht die Kompetenz der Bewerber. Es gehe um die Frage, ob Limbach den Landtag belogen habe, heißt es aus der Opposition. Nach Ansicht der CDU ist dieser U-Ausschuss „unnötig und überflüssig“.

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Was tut ein Parlamentarischer Untersuchungsausschuss?

Das PUA abgekürzte Gremium hat gerichtsähnliche Befugnisse und gilt als „schärfstes Schwert“ der Opposition. Zeugen – auch Regierungsmitglieder – können geladen und Regierungsakten ausgewertet werden. Bei Falschaussagen drohen empfindliche Strafen bis hin zu Haft, daher lassen sich manche Zeugen von einem Anwalt unterstützen. Am Ende wird aber kein Urteil gesprochen: Die Ergebnisse werden in einem Abschlussbericht zusammengefasst. Die Zeugenaussagen und die Beweismittel sind aber gerichtsverwertbar.

Wann beginnt, wann endet ein solcher U-Ausschuss?

Er kann beschlossen werden, wenn mindestens ein Fünftel der Landtagsabgeordneten ihn beantragen. Aktuell gehören dem Parlament 195 Abgeordnete an, es werden also 39 Stimmen benötigt. SPD und FDP haben zusammen 68 Stimmen. Ein U-Ausschuss endet spätestens zum Ende der Legislaturperiode, in diesem Fall also im Frühjahr 2027. Ein neuer Landtag kann aber einen neuen PUA einsetzen, der die Arbeit des Vorgängers fortsetzt. Der neue PUA „OVG-Besetzung“ wird der vierte in der laufenden Legislaturperiode sein.

Warum ist der PUA für Benjamin Limbach riskant?

Das lehrt die Erfahrung. Über U-Ausschüsse sind schon Minister gestolpert oder haben ihren Ruf ruiniert. In der vergangenen Legislaturperiode traf es die Umweltministerinnen Christina Schulze Föcking und Ursula Heinen-Esser (beide CDU). Ihr Verhalten im U-Ausschuss zur Aufarbeitung der Flutkatastrophe fiel vor wenigen Wochen NRW-Kommunalministerin Ina Scharrenbach (CDU) auf die Füße. Sie hatte dem PUA nur zehn Aktenseiten zur Verfügung stellen wollen. Drei Abgeordnete der SPD klagten und bekamen Recht vor dem Verfassungsgerichtshof in Münster: Scharrenbach habe damit gegen die Landesverfassung verstoßen.

Die Liste der NRW-Spitzenpolitiker, die über U-Ausschüsse ins Straucheln gerieten, ist lang. Der PUA zur Aufarbeitung der Kölner Silvesternacht 2015 sowie der, der sich mit dem NRW-Bezug des Berliner Weihnachtsmarkt-Attentäters Anis Amri befasste, setzten die frühere Ministerpräsidentin Hannelore Kraft und ihren Innenminister Ralf Jäger (beide SPD) massiv unter Druck. Der Machtwechsel nach der Landtagswahl 2017 ist auch damit zu erklären. Ina Scharrenbach war übrigens Obfrau der CDU im PUA „Silvesternacht“. Ihr engagiertes Auftreten dort wirkte wie ein Karriere-Turbo. Auf der Bühne eines U-Ausschusses können sich Politiker also auch profilieren.

Ist das in erster Linie politisches Theater?

Nein. Untersuchungsausschüsse haben zwei Facetten. Die eine ist das politische Scharmützel: die Suche nach Fehlern, Schwachstellen, Ungereimtheiten. Die Zeugen – vor allem, wenn es sich um Promis aus dem Politikbetrieb handelt – werden dort oft stundenlang befragt (umgangssprachlich: „gegrillt“). Diesen Stress hält nicht jeder aus.

Die zweite Facette ist mindestens so wichtig wie die erste: Es geht darum, Fehler im politischen oder im Verwaltungshandeln zu finden, um daraus zu lernen. Die Abschlussberichte können Gutes bewirken, zum Beispiel bei der Frage, was geschehen muss, um künftig besser auf Starkregen und Hochwasser vorbereitet zu sein. Der PUA zur Aufarbeitung des Gladbecker Geiseldramas, 1989 eingesetzt, lehrte zum Beispiel Politik und Polizei, professioneller auf Gefahrenlagen zu reagieren: mit Krisenstäben und speziell ausgebildeten Einsatzkräften.

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