Obwohl Jean-Luc Mélenchon als Identifikationsfigur der Linken gilt, schrecken seine harte Rhetorik und autoritärer Führungsstil gemäßigte Anhänger ab.
Umstrittener Linken-PolitikerDas ist der Mann, der Frankreich regieren will
Er war der Schnellste am Wahlabend – und das nicht aus Zufall: Jean-Luc Mélenchon äußerte sich schon kurz nach 20 Uhr am vorigen Sonntag als erster Politiker zu den Ergebnissen der französischen Parlamentswahl. Damit wollte er sich einmal mehr als Frontmann der Linken positionieren – und eröffnete den Kampf um die Vorherrschaft innerhalb des siegreichen Wahlbündnisses Neue Volksfront.
Trotz der Appelle zur Einigkeit tobt dieser weiter. In wenigen Tagen will die Allianz aus der Linkspartei La France Insoumise (LFI), Sozialisten, Grünen und Kommunisten, die bei der Wahl mit insgesamt 182 Sitzen in der Nationalversammlung vor dem Mitte-Lager von Präsident Emmanuel Macron und dem rechtsextremen Rassemblement National (RN) lag, einen gemeinsamen Vorschlag für den Posten des Premierministers vorlegen. LFI wie auch die Sozialisten fordern jeweils, dass dieser aus ihren Rängen kommt.
„Linken das Siegen beigebracht“
Die Linkspartei ist mit 75 Abgeordneten die größte Gruppe, legte aber nicht zu. Die Sozialisten konnten die Zahl der Sitze von 31 auf 65 mehr als verdoppeln und schnitten bei den EU-Wahlen deutlich stärker ab.
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Es ist vor allem die Figur Mélenchon, die die linken Geister scheidet. LFI-Fraktionschefin Mathilde Panot sprach sich für ihn als Regierungschef aus: „Er ist derjenige, der der Linken das Siegen wieder beigebracht hat.“ Er selbst versicherte, er sei „niemals das Problem, sondern immer Teil der Lösung“.
Das sehen die meisten Partner anders. Es brauche eine Persönlichkeit, die die Lager zusammenführen könnte, sagte die Vorsitzende der französischen Grünen, Marine Tondelier. Der Sozialisten-Chef Olivier Faure bestätigte, ein künftiger linker Premierminister dürfe nicht spalten. Beide meinten dasselbe: Der 72-jährige Polterer Mélenchon sei ungeeignet.
2008 hatte er sich mit den Sozialisten überworfen, denen er angehörte, und seine eigene Linkspartei gegründet. Zwar gilt der charismatische Redner und dreimalige Präsidentschaftskandidat als Identifikationsfigur, der besonders junge Leute anspricht. Zugleich schreckt er gemäßigte Linke durch seine harschen Töne, den autoritären Führungsstil in seiner Partei, in der Kritiker abgedrängt wurden, und seine EU-Skepsis ab. Sich von Kremlchef Wladimir Putin zu distanzieren, fiel ihm schwer; auch gegen Deutschland schoss er immer wieder scharf, etwa in seinem 2015 erschienen Buch „Bismarcks Hering“.
Mélenchon: Vorwurf des Antisemitismus
Hatte Mélenchon zuletzt kein Amt mehr inne, so gilt er doch als verantwortlich für die umstrittene Strategie der LFI-Politiker, für Aufruhr in der französischen Nationalversammlung zu sorgen. Dort wurde herumgebrüllt und gepöbelt, ein Abgeordneter erhielt im Juni eine Sanktion, weil er in einer Sitzung die palästinensische Flagge hochhielt. Besonders der Vorwurf des Antisemitismus schadet Mélenchon und seiner Truppe. Im EU-Wahlkampf setzte LFI auf den Nahost-Krieg als Hauptthema und zielte dabei mit Erfolg auf die Stimmen französischer Muslime, vor allem in den Vororten.
In einer ersten Reaktion auf den Hamas-Anschlag auf Israel am 7. Oktober 2023 äußerte LFI kein Mitgefühl für die israelischen Opfer und verweigerte es, von „Terror“ zu sprechen; hochrangige Parteimitglieder bezeichneten die Hamas als „Widerstandsbewegung“. Mélenchon verteidigte sich, er habe sein Leben lang gegen Rassismus und Antisemitismus gekämpft. Zugleich beschuldigte er Politiker, die sich um eine ausgeglichene Haltung bemühten, sie billigten „den Völkermord in Gaza“. Am Abend der ersten Runde der Parlamentswahl sprach er neben Rima Hassan, die ein Palästinensertuch um die Schultern trug. Die frisch gewählte LFI-Europapolitikerin ist bekannt für ihr pro-palästinensisches Engagement.
Durch seine Provokationen hat sich Mélenchon für viele selbst disqualifiziert. Und auch über die französischen Grenzen hinaus ist er verantwortlich für den Ruf der Neuen Volksfront, der er aktuell mehr schadet als nutzt. Denn sie ist längst nicht so radikal wie jener Mann, der sie gerne anführen würde.