Das eigene Lager treibt von der Leyen: Ein neues Arbeitsprogramm der EU-Kommission stellt die Wirtschaft vor den Klimaschutz.
EU-KommissionVerbrenner-Verbot gerät weiter unter Druck

Zugeständnisse möglich? Bald will Ursula von der Leyen einen Aktionsplan für die Autoindustrie vorlegen.
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Um zu verstehen, was sich dieser Tage in der EU abspielt, hilft ein Blick auf die neuen Verhältnisse in Brüssel. Europas Konservative beherrschen mittlerweile alle wichtigen EU-Institutionen, haben nicht nur eine Mehrheit im Europaparlament, sondern stellen die meisten Staats- und Regierungschefs im Kreis der 27 Mitgliedstaaten. Man könnte es auch so sagen: In der Union geht nichts mehr ohne die christdemokratische Europäische Volkspartei (EVP). Und die verlangt einen deutlichen Kurswechsel von Ursula von der Leyen.
Die CDU-Politikerin mag zwar der EVP angehören und in ihrer Position als EU-Kommissionspräsidentin mächtiger denn je erscheinen, doch in gewisser Weise ist sie eine Getriebene ihrer Parteienfamilie, die Druck macht. Vor diesem Hintergrund darf das Arbeitsprogramm gelesen werden, das die Kommission in Form eines „Kompasses für Wettbewerbsfähigkeit“ bereits Ende Januar präsentiert hatte – und das der stellvertretende Kommissionschef Maros Sefcovic an diesem Mittwoch im Straßburger EU-Parlament vorstellte.
Wirtschaft vor Kampf gegen den Klimawandel
Nicht mehr der Kampf gegen den Klimawandel steht im Fokus, sondern die Wirtschaft. Wettbewerbsfähigkeit stärken, Bürokratie abbauen, Verfahren erleichtern, Regeln beseitigen: So verspricht die Behörde etwa, den Verwaltungsaufwand für Betriebe um mindestens 25 Prozent zu senken, für kleine und mittlere Firmen sogar um 35 Prozent.
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Bei einigen der Kernforderungen, die sichtlich von den Christdemokraten ins Programm diktiert wurden, herrscht Zustimmung im Hohen Haus Europas, obwohl die Pläne vielen Politikern nicht weit genug gehen oder zu unkonkret bleiben.
Bei anderen hagelte es direkt Kritik. Sozialdemokraten vermissen die soziale Komponente, die Grünen warnen vor einer Verwässerung des Grünen Deals, des Klimaschutzpakets, mit dem die Union bis 2050 Klimaneutralität erreichen will. Dabei sollen einige Vorhaben aus dem ehrgeizigen Projekt auf Wunsch der EVP ganz verschwinden, was in den nächsten Monaten zu einigem Ärger führen dürfte.
CDU will Verbrenner-Aus kippen
Vorneweg drängen die Christdemokraten darauf, das Verbot des Verbrennungsmotors zu kippen. Demnach dürfen ab 2035 nur noch Autos und kleine Transporter zugelassen werden, die im Betrieb keine Treibhausgase ausstoßen. Die Entscheidung war längst abgesegnet. Eigentlich.
„Das Aus des Verbrenner-Aus wird kommen“, bekräftigte EVP-Chef Manfred Weber gerade erst im Gespräch mit dieser Redaktion. Die Konservativen beharren auf ihrem Plan. Gleichwohl wolle man an den Klimazielen festhalten, wie der CDU-Europaparlamentarier Peter Liese versicherte. Nur eben mit mehr Freiheiten für die Industrie.
Statt lediglich auf Elektroautos zu setzen, solle es einen „technologieneutralen Ansatz“ geben und die „Rolle aller Technologien bei der Erreichung der CO₂-Reduzierung“ anerkannt werden, hieß es zuletzt in einem sechsseitigen Positionspapier, das der christdemokratische EU-Abgeordnete Jens Gieseke im Auftrag von Weber erarbeitet hatte.
E-Fuels als Alternative
Würde von der Leyen das Verbrenner-Verbot vom Tisch nehmen und mit ihrem neuen Kommissionsteam stattdessen die „volle Technologieoffenheit“ akzeptieren, also auch die sogenannten E-Fuels anerkennen?
Dabei handelt es sich um synthetische Kraftstoffe, die meist aus Wasser und Kohlendioxid gewonnen werden. Sie weisen ähnliche Eigenschaften auf wie Benzin und Diesel, sind aber verhältnismäßig teuer und werden insbesondere im Luftverkehr dringend gebraucht.
Während die Deutsche im vergangenen Jahr der Rolle rückwärts in Sachen Verbrennungsmotor eine Absage erteilt hatte – man werde „Kurs halten“, sagte sie damals – werden hinter den Kulissen die Stimmen immer lauter, die ein Einlenken von der Leyens fordern oder gar erwarten.
Aus der Behörde war zu vernehmen, dass das Verbot erst im Rahmen der angekündigten Evaluierung auf den Prüfstand komme. Ursprünglich für 2026 geplant, soll die Überprüfung auf Wunsch der Konservativen schon dieses Jahr durchgeführt werden.
In Kürze will von der Leyen zudem einen Aktionsplan zur Unterstützung der Autoindustrie vorlegen. Darin lasse sich hoffentlich, so sagte der CSU-Europaparlamentarier Markus Ferber, „mehr Konkretes zur Abschaffung des Verbrennerverbots“ finden. Vorausgesetzt ist nur, dass Ursula von der Leyen auch tatsächlich eines ihrer Prestigeprojekte aus der ersten Amtszeit kassieren will.