Trotz Marktschwankungen bleiben langfristige Investitionen in diversifizierte Portfolios stabil, beruhigen Finanzexperten. Krisen bieten auch Renditechancen.
Weltwirtschaftskrise?Geldanlage in unsicheren Zeiten – was man jetzt beachten sollte

Jakarta: Ein Mann fotografiert mit seinem Mobiltelefon in der Nähe einer elektronischen Anzeigetafel für Aktienkurse an der indonesischen Börse.
Copyright: Tatan Syuflana/AP/dpa
Inflation, geopolitische Spannungen und jetzt noch die Handelszölle von Donald Trump – in den vergangenen Monaten hat sich weltwirtschaftlich einiges zusammengebraut. Während Analysten noch vor einer US-Rezession warnen, stellen sich manche Anleger bereits die bange Frage: Droht eine neue Weltwirtschaftskrise wie 1929? Und wenn ja: Was wäre dann zu tun?
„Momentan sind wir von einer tiefgreifenden Systemkrise noch weit entfernt“, beruhigt Finanzmarktforscher Olaf Stotz von der Frankfurt School of Finance & Management. Zwar habe der Deutsche Aktienindex (Dax) jüngst Verluste hinnehmen müssen, doch dies sei lediglich eine Korrektur der Kursgewinne seit Dezember. Seit Jahresbeginn 2024 liege der Index sogar noch deutlich im Plus. In der jüngsten Vergangenheit wurde jeder Aktiencrash schnell korrigiert, deswegen seien solche Zeiten für Anleger kaum vorstellbar.
Auch Investmentexperte Daniel Kanzler sieht aktuell noch keinen vollständigen Zusammenbruch: „Heute handelt es sich um eine bewusst herbeigeführte Krise, die zumindest zum aktuellen Zeitpunkt noch gelöst werden könnte.“ Die langfristigen Auswirkungen hingen maßgeblich davon ab, ob protektionistische Maßnahmen wie Zölle dauerhaft bestehen bleiben. Wenn das der Fall wäre, „hätte es fatale Auswirkungen auf den weltweiten Handel und die Weltwirtschaft“.
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Sollte es dazu kommen, wäre ein Tiefpunkt am Aktienmarkt nicht am Ende einer Weltwirtschaftskrise zu erwarten, sondern wesentlich früher. Nämlich dann, wenn sich nicht mehr neue, noch schlechtere Entwicklungen als zuvor abzeichnen.
Angst um Arbeit, Wohnung und Geld macht sich breit
Doch das Szenario einer Weltwirtschaftskrise treibt derzeit viele Menschen um. Die Angst, um Arbeit, Wohnung und Geld gebracht zu werden, macht sich breit. Stotz sieht jedoch klare Unterschiede zur großen Depression: „Der wichtigste ist wohl, dass die Arbeitslosigkeit auf einem vergleichsweise niedrigen Niveau liegt.“
Damals führten Massenentlassungen und ein Vertrauensverlust in die Märkte zu einem nie dagewesenen Einbruch. Heute dagegen seien die Märkte global verzahnt, es gebe mehr Anleger, und Altersvorsorgesysteme bauen auf den Kapitalmärkten auf – Unterschiede, die sich stabilisierend auswirken.
Sollte es dennoch zu einer Weltwirtschaftskrise kommen, wären die Auswirkungen gravierend. Stotz erinnert daran, dass 1929 die Aktienkurse um mehr als 50 Prozent einbrachen und es Jahre dauerte, bis sich die Märkte erholten. Auch Kanzler warnt: „Eine Weltwirtschaftskrise würde zu längerfristig höheren Schwankungen am Aktienmarkt führen.“
Gleichzeitig sieht er aber auch Chancen für geduldige Anleger: Wenn die Kurse sinken, lässt sich günstig nachkaufen. Geht es dann wieder bergauf, steigen die Gewinne deutlich: „Geringere Bewertungen würden langfristig für höhere Renditen sorgen und erklären auch die in den vergangenen Krisen hohen Aktienmarktrenditen nach Erreichen des Tiefpunkts.“
Was also tun mit bestehenden Investments? Beide Experten geben eine klare Antwort – mit Nuancen. Stotz meint: „Wer in einen gut diversifizierten Aktienindex investiert ist, für den ist ein Totalverlust fast ausgeschlossen.“ Einzelne Unternehmen könnten zwar pleitegehen, aber dass alle 1600 Firmen im MSCI World Konkurs anmelden, sei fast unmöglich.
Aber was, wenn das Szenario doch eintreten sollte? „Dann wäre die Arbeitslosigkeit sehr hoch, die Volkswirtschaften würden kollabieren und die aus heutiger Sicht sicheren Staatsanleihen dürften auch nicht mehr viel wert sein.“ Aktien und viele andere Anlagen wären dann wertlos. Dass im Zuge dessen die marktwirtschaftlichen Demokratien verschwinden würden, dürfte aber „schwerer wiegen als Anlageverluste“, so Stotz.
Wer weltweit investiert, wird keinen Totalverlust erleiden, beruhigt auch Investmentexperte Kanzler. Er ist überzeugt, dass der Weltaktienmarkt überleben werde, „weil wir Menschen überleben wollen und die Unternehmen dazu brauchen“. Zwar könne die Weltwirtschaft nicht pleitegehen, einzelne Unternehmen jedoch schon. Sorgen müssten sich deswegen jene Anleger machen, die stark auf einzelne Branchen oder Länder gesetzt haben. Sie sollten jetzt darüber nachdenken, breiter zu diversifizieren.
Und eines sollten sich nervöse Anleger derzeit gebetsmühlenartig in Erinnerung rufen: „Ein weltweites Aktienportfolio hatte seit 1900 bereits sechsmal einen zwischenzeitlichen Einbruch von mindestens 45 Prozent real erlebt.“ Deutliche Kursverluste seien also ganz normal und gehören dazu. „Ohne Risiko könnte man auch keine Rendite erwarten.“
Grundlegend wichtig sei auch die weiterhin geltende Regel: „Investiere nur Geld in Aktien, das du langfristig nicht brauchst“, so Kanzler. Also nicht innerhalb der nächsten fünf Jahre. Wer kurzfristig Geld benötigt, sollte sich von Aktien trennen und auf Staatsanleihen höchster Bonität setzen.
Kanzler empfiehlt Unentschlossenen als Alternative geldmarktnahe Fonds, die ausschließlich in Anleihen investieren und in wenigen Monaten auslaufen, oder Tagesgeldkonten, die innerhalb der Einlagensicherung liegen – gerade für Anleger mit kurzfristigem Bedarf. „Bei länger laufendem Festgeld hätte man dasselbe Risiko wie mit Anleihen, falls Inflation und Zinsen anziehen, mit dem zusätzlichen Nachteil der Illiquidität.“
Stotz ergänzt: „Diversifikation ist ebenfalls sinnvoll, kann sie die Risiken eines Anlageportfolios doch deutlich reduzieren.“ Langfristige Anleihen wären ihm zufolge dann riskant, sollte ein inflationäres Szenario eintreten, wie es durch Handelszölle oder geopolitische Konflikte befeuert werden könnte.
Vielleicht sieht es schon in sieben Wochen besser aus
Eine seriöse Prognose zur Dauer einer möglichen Erholung wagt keiner der beiden Experten. „Eine Glaskugel dafür hat niemand“, so Stotz. Zwar habe es ordentliche Kurskorrekturen gegeben, „von einem richtigen Crash wie in 1929 oder 2008 sind wir dagegen noch ein gutes Stück entfernt“. Langfristige Anleger würden Kursrücksetzer wie derzeit immer wieder erleben, so wie eben auch die lang anhaltenden Kursgewinne in den Vorjahren.
Kanzler bringt es pointiert auf den Punkt: „Für den Fall, dass der US-Präsident seine Wirtschaft nicht vollständig zerstören will, könnte es bereits in sieben Wochen, und nicht erst in sieben Jahren, schon wieder besser aussehen.“
Auch wenn die aktuelle Marktlage angespannt ist, sehen Experten derzeit noch keine Anzeichen für eine neue Weltwirtschaftskrise. Wer langfristig investiert, breit diversifiziert und nicht kurzfristig sein Erspartes benötigt, sollte sich von aktuellen Turbulenzen nicht aus der Ruhe bringen lassen. Eine Weltwirtschaftskrise bleibt ein Extrem-Szenario – aber eines, auf das gut informierte Anleger vorbereitet sein können.